PimEyes soll deine Privatsphäre schützen und ungeliebte Bilder verschwinden lassen. Die Realität sieht aber anders aus
Unsere Identität im Internet
Spätestens seit Myspace und StudiVZ schwirren haufenweise Fotos von uns im Netz rum. Das beschwipste Studentenparty-Foto mit Schlafzimmerblick war NUR damals witzig. Zukünftige Arbeitgeber*innen sollen das unter keinen Umständen zu sehen bekommen. Ganz praktisch also, wenn diese ungeliebten Schnappschüsse mittels einer Suchmaschine ganz einfach aufgespürt werden können. Schließlich willst du dich und deine Identität schützen. Dass du damit erst recht zur Zielscheibe wirst, war so nicht geplant - oder doch?
Grundsätzlich eine gute Idee
Beim polnischen Tool PimEyes kannst du ein Bild von dir hochladen und somit nach Fotos suchen, die von dir gemacht und ins Netz gestellt wurden - auch in den sozialen Netzwerken. "Wir glauben, dass Sie das Recht haben, sich im Internet wiederzufinden und Ihre Privatsphäre und Ihr Image zu schützen", heißt es auf der Homepage von PimEyes. Und zwar vor "Betrügern, Identitätsdieben oder Personen (...), die Bilder illegal verwenden." Gar nicht schlecht, wenn man bedenkt, wie häufig Facebook-Konten gehackt werden oder sich Leute als jemand anderes ausgeben. PimEyes ist ein "Mehrzweck-Tool, mit dem Sie Ihr Gesicht im Internet aufspüren, Bildrechte zurückfordern und Ihre Online-Präsenz überwachen können." heißt es auf der Seite weiter.Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Stichwort "Überwachung"
Tricky wird es dann, wenn nicht nur du selbst ein Bild von dir hochlädst. Ein Foto von einer fremden Person auf der Straße ist schnell gemacht. Mithilfe von PimEyes ist auch das Facebook-Profil gleich gefunden und an die Infos zu Beruf und Wohnort zu gelangen ein Klacks. Ein Paradies für jede*n Stalker*in und all jene, die es noch werden möchten. Es liegt nämlich gar nicht im Ermessen des Unternehmens, dass nur du deine Bilder findest. So würde PrimEye nicht genug Geld verdienen. Profit wird erst dann gemacht, wenn Menschen möglichst viele Bilder von unterschiedlichen Personen hochladen. Herausgefunden hat das die Plattform für digitale Freiheitsrechte netzpolitik.org. "Es ist ein Bezahlmodell für massenhafte Suchanfragen."
Wer suchet, der findet
Die User*innen werden ermutigt, möglichst viele Bilder hoch zu laden. Wer mehr als 100 Millionen Gesichtssuchen im Monat durchführen würde, bekäme einen so großen Rabatt, dass die einzelne Suche nicht mal mehr einen Cent kosten würde, hieß es in einem Facebook Post 2018, der mittlerweile nicht mehr auffindbar ist. Unterschiedliche Abo-Angebote fordern dazu auf, möglichst viele Bilder hochzuladen. Die Datenbank von von PrimEyes ist gefüttert mit biometrischen Daten und prahlte im April 2020 damit, dass bereits 900 Millionen Gesichter in der Datenbank erfasst sein sollen. Egal ob du als neugieriger Fan wissen möchtest, wo sich ein Z-Promi aufhält oder die Polizei mutmaßliche Straftäter*innen oder gar Demonstrant*innen ausfindig machen möchte - PimEyes liefert die Daten. Schutz der eigenen Privatsphäre kling anders.
Seitdem netzpolitik.org das Unternehmen damit konfrontiert hat, geben sie sich als Schützer der Privatsphäre und haben konkrete Aufforderungen entfernt.
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Warum "darf" PimEyes das?
Der Fall erinnert an das US-amerikanische Start-up Clearview Al, das ebenfalls anhand biometrischer Daten Gesichter analysiert hat. Für Normalos war das Tool aber nicht im Netz vorgesehen, sondern hauptsächlich für Sicherheitsdienste. Google, Facebook und Twitter kritisierten das Vorgehen. Und als auch Facebook die Gesichtserkennung einführte, gab es einen Aufschrei. Nun muss man die Gesichtserkennung in seinem Profil separat einstellen. Laut Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU gelten biometrische Daten als besonders schutzbedürftig und benötigen einer Einwilligung. Bei Missbrauch stehen Schadenersatzzahlungen oder Bußgelder an. PrimEyes haben aber eine Lücke im DSVGO gefunden: Die biometrischen Daten dienen lediglich zum Zweck der eindeutigen Identifizierung. Da keine Namen zugeordnet werden, sehen die Betreiber keinen Gesetzeskonflikt. Per Mausklick müssen Nutzer*innen nun versichern, dass sie auf PimEyes nur ihr eigenes Foto hochladen. Die Verantwortung wird nun auf die User*innen abgewälzt.
Ein Angriff auf Privatsphäre und Identität
Die Anonymität wird durch diese neue Suchmöglichkeit aufgehoben und gibt zudem viel über unsere Person preis. Unsere Gesichter tauchen bei Demonstrationen auf. Homosexuelle Menschen können beispielsweise bei LGBTQ+ Veranstaltungen problemlos geoutet werden. Sexarbeiter*innen können ausgeforscht werden. "PimEyes ist (...) eine Bedrohung für Betroffene von Voyeurismus und sogenannten Rachepornos, also ohne Einverständnis erstellten oder verbreiteten Aufnahmen", schreibt netzpolitik.org. Das Tool ist damit auch ein Angriff auf unsere Identität.
Die sozialen Medien machen uns zwar bereits zum gläsernen Menschen, aber meist haben wir es noch selbst in der Hand, was wir von uns preisgeben und was nicht. Tools wie PimEyes rauben einen aber das letzte bisschen Anonymität und geben einen Einblick in unsere Identität, die nicht für Fremde bestimmt sind.
Da wird es selbst der Polizei zu bunt:
Die Gewerkschaften der #Polizei möchten polnische Gesichtserkennung #PimEyes verbieten. Es werden damit auch Polizisten erkannt.
— Arnold Melm (@countUP) July 31, 2020
Wunderte mich schon, dass sie Bedenken wegen der privaten Daten der Bürger haben...#Netzpolitik #Datenschutz #privacy https://t.co/LGWEpWIkpc
Alle Rechercheergebnisse von netzpolitk.org kannst du hier nachlesen.
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