Sinnestäuschungen: Wie dein Hirn dich reinlegt

Sinnestäuschungen: Wie dein Hirn dich reinlegt

7 Wahrnehmungstäuschunen und was sie bedeuten

Wie kann ein Kleid das ganze Internet spalten und zu einer globalen Debatte führen und wie kann es passieren, dass du plötzlich Gefühle für eine Gummihand entwickelst? Wir zeigen dir hier mal ein paar Beispiele, die deine Sinne und deine Wahrnehmung garantiert auf die Probe stellen werden.


Lass dich nicht täuschen

Ob optische Illusion oder eine verzerrte Wahrnehmung von Tönen - zu 100 Prozent können wir uns nicht immer auf unserer Sinne verlassen. Warum und wie solche Wahrnehmungstäuschungen zustande kommen, zeigen wir dir hier mal an sieben Beispielen:
  • Sinnestäuschungen: Das Dressgate
    Wie dein Hirn dich reinlegt
  • Sinnestäuschungen: Laurel oder Yanny?
    Wie dein Hirn dich reinlegt
  • Sinnestäuschungen: Die Gummihand-Illusion
    Wie dein Hirn dich reinlegt
  • Sinnestäuschungen: Phantosmie
    Wie dein Hirn dich reinlegt

Das Dressgate

Koriander, Schlager oder Gendern – es gibt so manches, das unsere Gesellschaft spaltet. 2015 ist es halt ein Kleid, und zwar eins, das eine Schottin zur Hochzeit ihrer Tochter tragen will. Sie schickt ihr vorab ein Foto. Aber das Brautpaar kann sich einfach nicht einigen, welche Farben es hat. Blau-schwarz oder gold-weiß? Sie posten das Kleid deshalb auch noch mal online. Und tatsächlich: auch das Internet ist geteilter Meinung. Und welche Farbe siehst du?

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"Wenn das Kleid nicht weiß-gold ist, fällt das Universum auseinander! [...] Ich bin verwirrt und hab Angst. PS: ES IST OFFENSICHTLICH BLAU UND SCHWARZ!" - Kommentare zum Dressgate aus dem Netz

Aber woran liegt es, dass wir das Kleid unterschiedlich wahrnehmen? Sofort (klar, ist ja auch das Internet) geistern verschiedenste Gerüchte umher: Diejenigen, die das Kleid blau-schwarz sehen, sind einfach nur nicht so optimistisch wie die gold-weiße Crew! Tatsächlich gibt es aber eine wissenschaftliche Erklärung: Unsere Augen gehen immer davon aus, ob etwas im Schatten oder Licht liegt. Je nachdem, was unser Gehirn denkt, schärft es die Farben sozusagen nach. Weil die Bildqualität des Kleids extrem schlecht ist, ist unklar, ob es im Schatten oder Licht fotografiert wurde. Wer also denkt, das Kleid ist im Schatten, sieht es gold-weiß, wer denkt, es ist im Kunstlicht, sieht es blau-schwarz. Auch in der egoFM Redaktion herrscht Jahre später immer noch Unklarheit. Immerhin haben Wissenschaftler*innen aber mittlerweile bestätigt: Das Kleid ist blau-schwarz!

Und schon kommt das nächste Kleidungsstück um die Ecke, über das das Netz diskutiert – sind diese Schuhe für dich rosa-weiß oder grau-türkis?

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Laurel oder Yanny

Kleines Experiment: Hör unten im Video mal ganz genau hin – was du hörst du?

Und? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass du "Laurel" hörst. Vielleicht gehörst du aber auch zu denen, die sich gaaanz sicher sind, dass die Computerstimme da eher Yanny sagt. Dabei wollte ein Schüler aus Georgia sich einfach nur anhören, wie das Wort "Laurel" (also Lorbeere) denn jetzt richtig ausgesprochen wird. Schnell merkt er aber, dass es manchmal eher nach Laurel, manchmal nach Yanny klingt. Und auch seine Freund*innen sind sich nicht einig.

Unter anderem liegt das an unserer Hörwahrnehmung. Die hängt tatsächlich von ziemlich vielen Faktoren ab. Von Umgebungsgeräuschen zum Beispiel – vielleicht ist es dir auch schon mal schwergefallen, dich im Café auf dein Gegenüber zu konzentrieren, nicht nur, weil die Leute am Nachbartisch so guten Gossip erzählen, sondern weil sie einfach sehr laut reden. Aber auch Frequenzen lassen uns Unterschiedliches hören. Wer besser höhere Frequenzen hören kann – oft sind es jüngere Menschen – hört eher Yanny. Außerdem hören wir eher das, was uns bekannter ist. Wenn du also jemanden namens Laurel kennst, hörst du wahrscheinlich eher Laurel. So, mit diesem Hintergrundwissen kannst du es jetzt ja noch einmal versuchen!

Den gleichen Effekt hat übrigens dieser Sound – hörst du "green needle" oder brainstorm"?


Die Gummihand-Illusion

Man nehme einen Arm beziehungsweise eine Hand und noch eine Hand – aber aus Gummi und einen Pinsel, zack, fertig: Sinnestäuschung. Bei diesem Experiment am University College London im Jahr 1998 legten die Testpersonen ihren linken Arm auf den Tisch unter eine Abdeckung, sodass der Arm für sie unsichtbar war. Direkt neben dem verdeckten Arm wurde eine Gummihand gelegt. Mit einem Pinsel beziehungsweise Stäbchen streichelten die Forschenden die echte, versteckte Hand und gleichzeitig die Gummihand. Der Clou: Während die Person die Gummihand im Blick hatte, spürte sie die Berührungen an der Gummihand, aber nicht die an ihrer eigenen. Innerhalb von wenigen Sekunden entwickelten die Testpersonen Gefühle für die Gummihand – heute bekannt als Gummihand-Illusion.

Diese Sinnestäuschung zeigt, dass unser Körpergefühl unser Gehirn widerspiegelt. Es reagiert auf eingebildete Gefühle genauso wie auf tatsächliche. Das Experiment verdeutlicht die erstaunliche Flexibilität des menschlichen Gehirns bei der Integration von sensorischen Informationen. Übrigens: In einem neueren Experiment konnten Forschende auch zeigen, dass wir auch unser Smartphone teilweise in unser körperliches Ich integrieren! Es kommt also nicht drauf an, dass etwas genau so aussieht wie unsere Hand. Die Ergebnisse legen nahe, dass es auch eine Rolle spielt, wie häufig wir einen Gegenstand verwenden.

Wasser auf die Mühlen aller Eltern, denen ihre Kinder zu viel am Handy hängen. "Pass auf, sonst verwächst es noch mit deiner Hand!" könnte das neue "Mach den Fernseher aus, sonst bekommst du viereckige Augen!!" werden…

Phantosmie

Riechst du das auch? Ein bisschen unangenehm, oder…? Aber woher kommt das? So geht es Menschen, die unter Phantosmie leiden. Es geht dabei um eine olfaktorische Halluzination. Man nimmt Gerüche wahr, ohne dass es eine entsprechende Duftquelle gibt. Diese Form der Sinnestäuschung kann zum Beispiel das Symptom einer Schizophrenie sein. Noch häufiger tritt das aber nach einer Infektion oder einem Trauma auf und manchmal kann es auch ein Hinweis auf Nervenkrankheiten wie Parkinson sein.

Betroffene merken das manchmal erst gar nicht, wir alle nehmen ab und zu Gerüche wahr, die wir nicht zuordnen können – kommt das aber häufiger vor und ist vor allem unangenehm, geht es meistens zu einem Arzt oder einer Ärztin. Hier arbeiten dann HNO-Spezialist*innen mit der Neurologie zusammen. Die Behandlung richtet sich dann immer nach dem Auslöser: Sind psychische Gründe der Auslöser, kommen Psychotherapeut*innen oder Psychiater*innen ins Spiel. Handelt es sich um eine Nervenkrankheit, gibt es entsprechende Medikamente. Die gute Nachricht: Phantosmie kann sich auch von allein zurückbilden.

Ein gesunder Mensch kann übrigens mehr als 10.000 verschiedene Duftnoten unterscheiden. Und wir können diesen Sinn auch trainieren: Wer sich gezielt Düften aussetzt und versucht, diese zu kategorisieren, steigert seine Wahrnehmung und kann die Geruchsinformationen besser verarbeiten und benennen.

Die Café Wall Illusion

Die Café Wall Illusion ist eine optische Täuschung, bei der die waagerechten Linien auf dem Bild so aussähen, als wären sie schief und schräg – dabei verlaufen sie eigentlich parallel zueinander. Die Illusion entsteht durch die abwechselnd dunklen und hellen Rechtecke, die durch graue Linien getrennt und gegeneinander verschoben sind und damit trapezförmig erscheinen. Diese Illusion wurde erstmals 1898 von Pierce beschrieben und später an einem Café in Bristol von Steve Simpson 1973 beobachtet (daher der Name). 

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Vexierbilder 

Ein Vexierbild ist ein Bild, bei dem du mindestens noch ein zweites Motiv entdecken kannst – manchmal auch mehr. Man unterscheidet hier in verschiedene Arten, unter anderem das Kompositbild (zum Beispiel die Vier Jahreszeiten von Giuseppe Arcimboldo), das Suchbild (zu dem auch Wimmelbilder gehören), das Wendebild (bei dem sich das Motiv ändert, sobald du das Bild auf den Kopf stellst oder auch das Kippbild). Letztere können bei dir zu Wahrnehmungswechseln führen, das heißt also, dass du mal das eine und dann wieder ein ganz anderes Motiv erkennst, wie zum Beispiel bei der Rubin'schen Vase, bei der du abwechselnd zwei Gesichter oder eine Vase erkennen kannst: 

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Bewegungsillusionen

Bei Bewegungsillusionen, bei denen du den Kopf nicht selbst bewegen musst, damit sie "funktionieren" (gibt's nämlich auch) scheint sich alles zu bewegen, was von deinen Augen gerade nicht fokussiert wird (peripheres Sehen). Dass sich das Beispiel hier zu bewegen scheint, liegt an dem wiederholten Muster mit den unterschiedlichen starken Kontrasten. Dadurch kommt es im Gehirn zu einer Falschverarbeitung von dem, was du siehst und somit der Art, wie dein Gehirn es dann interpretiert. 

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