Der Bergdoktor Hans Sigl übers Fernsehen

Der Bergdoktor Hans Sigl übers Fernsehen

Wo sieht er die Zukunft des fernsehen und wie erlebt er die Corona-Pandemie?

In ihrem Podcast haben Hoffmann & Kollmann sich DEN Doktor geangelt, der Woche für Woche Millionen von TV-Zuschauer*innen begeistert...

Anfang 2017 kletterten die Quoten der Serie auf über 21 Prozent, 2019 wurde das Format bei der Publikumswahl der Goldenen Kamera als "Beliebteste Heimatserie" ausgezeichnet. Der Bergdoktor ist ein fester Bestandteil der deutschen Fernsehkultur.

  • Hans Sigl über Heimatfilm-Klischees, Streaming und Corona


Von Bergen, Idylle und einem Arzt

Der Bergdoktor im ZDF - da klingeln bei dir erst einmal die Alarmglocken - Heimatfilm! Genau mit diesem Klischee hat die Serie zu kämpfen, in der Hans Sigl die Hauptrolle des Arztes mimt, der wegen der Geburtstagsfeier seiner Mutter nachhause in die Berge zurückkehrt und dann dort bleibt. Tatsächlich sei das Vorurteil mit dem Heimatfilm aber ein bisschen Ansichtssachen, meint er. Einerseits stimmt es natürlich irgendwo - bei Heimatfilm denken wir archetypischen Helden (in dem Fall ein Arzt) und das passende Surrounding (die Berge). Check und check. Das waren auch die Eckpunkte der typischen Heimatfilme, wie sie in den 50er Jahren populär waren. Allerdings wollte man sich in der BRD damals auch nicht weiter mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen und stattdessen lieber etwas Schönes, eine heile Welt ansehen. Das ist heute natürlich nicht mehr der Fall. Im Grunde ist einfach nur die Geschichte eines Arztes und seiner Familie, die in den Bergen spielt. 

"Also definiere Heimatfilm. Es trifft beides zu letztendlich. Das Klischee des Heimatfilmes, das in den 50ern natürlich aufgekommen ist, um gewissen gröber Geschichten der Vergangenheit zu kaschieren - das trifft bei uns jetzt nicht mehr zu. Aber dennoch ist der große Wunsch beim Publikum nach wie vor, dass es Geschichten gibt, die meistens gut ausgehen, die einen Helden haben, der Dinge löst, Probleme löst. Mittlerweile nennt man es ja in der neudeutschen Sprache 'Feel Good Movies' und man nennt es Eskapismus. Und dieser Eskapismus wird jetzt - im ZDF zumindest - mit einem Arzt in einer Reihe bedient, die in den Bergen spielt. Das ist übergeblieben vom Heimatfilm." - Hans Sigl

Wenn wir mal ehrlich sind - Feel Good Movies oder ein bisschen Netflix-Brain Candy ist letztlich auch nichts anderes - nur, dass die Heimat eben dann zum Beispiel irgendwo in den USA ist und wir uns die Serien On Demand geben können. So richtig stichhaltig ist dieses verstaubte Klischee also doch nicht.

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Das Fernsehen als festes Ritual

Doch wenn wir schon mal beim Vergleich von linearem Fernsehen und Streaming-Diensten sind - wie hat sich unser Konsum denn in den letzten Jahrzehnten verändert? Wie hat Hans Sigl das Fernsehen beispielsweise als Kind erlebt?
"In meiner Kindheit war's so – da kam am Nachmittag dann Wickie und Heidi – die durfte man sich angucken und dann wurde der Kasten aber wieder abgestellt, weil man kriegt ja sonst viereckige Augen. […] Es wurde dadurch natürlich noch interessanter." - Hans Sigl

Ist klassisches Fernsehen für Kinder denn heute eigentlich noch relevant? Oder heißt es dann eben eher - "Ok, jetzt darfst du noch 20 Minuten auf dem Handy datteln und dann ist Schluss"? Vielleicht stirbt das klassische Fernsehen und damit auch Der Bergdoktor  in naher Zukunft aus, wenn sich junge Menschen ihre Unterhaltung immer mehr aus dem Internet holen.
"Ja, da streiten sich meine Frau und ich zuhause immer drüber. Meine Frau sagt, es wird sich das lineare Fernsehen irgendwann erledigen. Ich glaube, dass sich das lineare Fernsehen nicht erledigen wird, weil es eine Chance hat nämlich über die Informationen. Und über das direkte im Hier und Jetzt zu sein. [...] Ich glaube auch immer wieder, dass wenn es heißt 'Ja, die jungen streamen nur noch und die gucken doch gar nicht mehr linear', dann sag ich immer: 'Wartets mal ab, bis die dann in festen Händen sind und Kinder haben', weil dann wollen sie auch da Kinderprogramm gucken am Sonntagvormittag – da gibt es so richtige Rituale. Und ich glaube, dass Rituale in der Zeit immer noch wichtig sind und vielleicht noch wichtiger werden, dass man dann über dieses Ritual wieder ins lineare Fernsehen kommt." - Hans Sigl

Kultur ist systemrelevant

Wie wichtig ist es aktuell, die Kulturbranche noch mehr zu unterstützen? Hans Sigl macht eins noch einmal ganz klar deutlich - die Politik hat schon lange die Kultur massiv gekürzt und Unterstützung verschlafen. Die Pandemie bringt bestehende Probleme hier nur noch einmal besonders hervor. Er stimmt dem Video von Till Brönner beispielsweise komplett zu und finde auch Aktionen wie #AlarmstufeRot oder "Sang- und klanglos" richtig. Allerdings ist er auch der Meinung, dass die Kulturbranche selbst noch mehr eigene Ideen entwickelt sollte und aktiver das Gespräch suchen muss.
"Jetzt durch diese Pandemie kam eine Situation, die eben genau diese vernachlässigten Betriebe vor eine ganz harte Situation gestellt hat. Und jetzt werden Maßnahmen getroffen - oder nicht getroffen - und da hat das eine Diskussion zu Tage gebracht, die aber schon ganz lange besteht. Einfach ein anderes Beispiel aus der Filmbranche, meine Kollegin, eine Maskenbildnern - sie muss gewisse Tage haben […], damit [sie] Arbeitslosengeld beantragen kann. Wenn die Kollegin nicht diese Tage zusammenkriegt, dann kriegt sie das nicht. Wie soll eine Maskenbildnerin, ein Beleuchter, jemand wie Schauspieler auch, diese 180 Tage […] zusammenkriegen? Es ist in der Branche einfach nicht möglich. Und da ist Handlungsbedarf. Und es gibt ganz viele andere Geschichten. Und jetzt ist auf der einen Seite - finde ich glücklicherweise - eine Diskussion neu entbrannt, ob sie jetzt richtig ist, in dieser Form, darüber kann man auch diskutieren. Ich finde es ein falsches Signal, dass Schauspieler sich dann auf Facebbook den Mund verkleben und sagen, ich darf meinen Beruf nicht mehr ausüben. Denn ich glaube, es muss ein Signal der Künstler sein: Wir sind gesprächsbereit, wir haben Angebote, wir müssen darauf hinweisen. […] Ich weiß nicht, ob ich das richtig sehe, oder ob das falsch ist. Ich glaube das wir umso mehr aus unserer Ecke Angebote für einen konstruktiven Weg liefern müssen."  - Hans Sigl



Was kommt nach der Pandemie?

Auch wenn wir mit möglichem Impfstoff und damit einem Wiederbeleben der Kulturbranche Hoffnung schöpfen können, hat Hans Sigl für die erste Zeit nach der Pandemie eine düstere aber leider sehr plausible Vorstellung. Wenn beispielsweise Konzerte wieder möglich sein werden, werden alle Künstler*innen voller Tatenkraft und Energie wieder auf der Bühne stehen wollen. Das Publikum wird sich vor lauter Angeboten kaum retten können, so seine Prognose. Die großen Künstler*innen haben dabei natürlich mehr Budget um beispielsweise Werbung zu schalten - und in der Anfangszeit werden kleinere, unbekannte Bands sicherlich wieder leer ausgehen. Und das trifft dann natürlich nicht nur die Künstler*innen selbst - sondern das ganze Team hinter der Bühne beispielsweise. Ein sehr emotionales Thema für Hans Sigl:
"Ich muss mich kurz beruhigen. Ich habe sehr viel Schwein gehabt und dafür bin ich jeden Tag sehr dankbar. Wir drehen in diesem Jahr sogar noch mehr als bisher und ich bin hier in meinem gallischen Bergdoktor-Dorf mit einem blauen Auge davongekommen. Bei mir sind meine Live-Auftritte abgesagt wurden, aber ich konnte arbeiten - ich durfte arbeiten." - Hans Sigl

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