Wörter, die es nur in einer Sprache gibt

Wörter, die es nur in einer Sprache gibt

Unersetzbar - und unübersetzbar

Von  Kristina Paulini
Auf Deutsch sind es Schadenfreude oder Wanderlust, die sich nicht übersetzen lassen. Aber auch in anderen Sprachen existieren Wörter eben nur in dieser einen Sprache. Oft für Dinge, für die uns bisher die Worte fehlen.


Abbiocco (Italienisch)

Hmmm lecker Antipasti als erster Gang, dann noch eine üppige Pizza mit viel viel Käse und zum Dessert? Klaro, Tiramisu. Das geht immer - und bekanntlich hat man für Nachspeisen sowieso einen zweiten Magen parat. Ja, bei einem Besuch im italienischen Restaurant kann man schon mal seine Grundsätze der gemäßigten Essensplanung über Bord werfen.

Nun sitzen wir hier, nach all der Schlemmerei, und plötzlich, überfällt sie uns, diese Müdigkeit.
Eine Müdigkeit, bei der man sich am liebsten Kissen und Bettdecke bei der Bedienung bestellen möchte und sofort ins Land der Träume gleiten will. Wir alle kennen's. In Italien – wo auch sonst – gibt es sogar einen Begriff dafür: Abbiocco, das genau diesen spontanen Müdigkeitsanfall beschreibt. Zum Glück haben die Italiener*innen auch gleich eine Lösung des Problems mitgeliefert: schnell ein Espresso 

To tartle (Schottisch)

Ein Klassiker auf jeder Party. Immer. Du betrittst den Raum und irgendjemand winkt dir fröhlich zu. Und sofort schalten sich alle Gehirnzellen an: "Kenn ich diese Person? Muss ich sie kennen? Verdammt, ich hab keine Ahnung wer das ist." Oder: "Vielleicht winkt sie nur jemandem hinter mir?" Millisekunden, die sich ganz ganz unangenehm anfühlen können, während du verzweifelt im Gehirn nach einer Erinnerung kramst.

Für diesen ganz besonders unangenehmen Moment haben sich die Menschen in Schottland ein Wort ausgedacht: to tartle. Es beschreibt unser Zögern beim Zurückgrüßen. Gut, jetzt haben wir zwar einen Begriff, aber bei unserem Problem hilft uns das nichts. Die Lösung? Knallharte Ehrlichkeit und nachfragen oder machs wie konfrontationsscheue Menschen: hoffen, dass sich diese Person gleich jmd anderes vorstellt. Aber keine Garantie, dass der Vorname mehr Licht ins Dunkle bringt. 

Donaldkacsázás (Ungarisch) 

Ok, bei diesem Begriff wissen wir wirklich nicht, warum er erfunden wurde. Aber nun gut, es gibt ihn, und er wird sicherlich irgendwo Verwendung gefunden haben. Auch ohne große Ungarisch-Kenntnisse kann man bestimmt heraushören, welche Berühmtheit im Wortstamm versteckt ist. Donald! Aber nein, damit ist nicht der quarkende Politiker, sondern tatsächlich Mister Donald Duck gemeint! Donaldkacsázás kann auf Deutsch übersetzt werden mit einen auf Donald Duck machen.

Dabei geht es aber keinesfalls um die zum Teil eher tollpatschige Art des berühmten Erpels, sondern um dessen Kleidungsstil, nämlich der "unten-ohne"- Look. Also ein Hemd, aber keine Hose. Und wie gesagt, wir sind uns unsicher, warum die Menschen in Ungarn das Bedürfnis hatten, dafür ein Wort zu generieren – aber was wissen wir schon, vielleicht haben wir auch einen speziell ungarischen Kleidungstrend verpasst.

Avoir l'esprit d'escalier (Französisch)

Wir alle haben uns schon mal mit Menschen gestritten, klar. Aber es gibt viele verschiedene Arten zu streiten. Da gibt es die Lauten, die Emotionsgetriebenen, die Lösungsorientieren, die Diplomatischen...und dann gibt es uns, der Schlag von Mensch, dem die allerbesten Argumente einfallen – nur halt leider nach der Auseinandersetzung. Oh wie viele Leute wir schon komplett in Grund und Boden diskutiert hätten, wenn wir nur ein klitzekleines bisschen schlagfertiger wären.

Geht dir auch so? Dann haben wir hier einen französischen Begriff für dich: Avoir l'esprit d'escalier. Wörtlich übersetzt der Treppen-Verstand. Gemeint ist, dass einem die perfekte, schlagfertige Antwort immer erst einfällt, wenn man schon zur Türe hinaus beziehungsweise in diesem Fall die Treppe hinunter ist. Und mit diesem Wissen können wir zwar sicherlich nicht die nächste Auseinandersetzung gewinnen, aber naja vielleicht gewinnen wir in puncto Funfacts mehr Schlagfertigkeit.

Age-otori 上げ劣り (Japanisch)

Wie stehst du zu Friseurbesuchen? Immer super zufrieden, es ist genauso wie du es dir vorgestellt hast oder sogar noch besser, glatte 10 von 10? Dann herzlichen Glückwunsch, du gehörst zu den wenigen glücklichen Menschen auf dieser Welt. Ganz klar, wir wollen hier in keinem Fall Friseur*innen-Bashing betreiben, aber wir sagen wies ist: Die Mehrheit der Menschen sind nach dem Friseurbesuch unglücklicher als zuvor. Liegt es an der Unfähigkeit minimale Veränderungen am Haar zu akzeptieren oder wirklich daran, dass manch Schnitt ein Griff ins Klo ist, keine Ahnung.

Was wir wissen, ist allerdings, dass man in Japan einen Begriff dafür hat, wenn man nach dem Schnibbeln, Waschen und Stylen seiner Haarpracht im Salon schlimmer als vorher aussieht. Verwunderlich, dass es diesen Begriff gerade in Japan gibt, ist dieses Land doch für ihre extreme Höflichkeit bekannt, – aber vielleicht ist es ja auch höflicher, dem Offensichtlichen zuzustimmen.
  • Abbiocco (Italienisch)
  • To tartle (Schottisch)
  • Donaldkacsázás (Ungarisch)
  • L'esprit de l'escalier (Französisch)
  • Age Otori (Japanisch)
  • Akihi (Hawaiianisch)
  • Jayus (Indonesisch)
  • Tingo (Rapanui)
  • Ikutsuarpok (Inuktitut)
  • Duende (Spanisch)

Akihi (Hawaiianisch)

"Entschuldigung, wie geht's hier zum nächsten Geldautomaten?" – "Easy! Bei der T-Kreuzung links abbiegen, dann dritte Straße rechts rein, schräg am Rathaus vorbei, dann nur noch geradeaus, bis du ihn auf der rechten Seite siehst." Na, gut angekommen? Wenn du an Akihi leidest, vermutlich nicht. Denn dieses hawaiianische Wort bezeichnet das Phänomen, einen gerade erklärten Weg schon beim Losgehen bereits wieder vergessen zu haben.

Personen, denen Akihi ein bekannter Begleiter bei Wegbeschreibungen ist, haben genau zwei Möglichkeiten: Entweder sie fragen sich bei jeder Kreuzung von Neuem durch oder sie holen sich ein Navi. Wobei, es gibt auch eine dritte Möglichkeit, eine die auch den hawaiianischen Akihi-Patient*innen die Liebste ist: Sich treiben lassen und sehen, was man auf dem Umweg so zu sehen bekommt. Das sind ja bekanntlich die schönsten Irrwege.

Jayus (Indonesisch)

Wir alle kennen diese eine Person, die grandios Witze erzählen kann. Die Geschichte baut sich langsam auf, steigert sich bis zum Climax, um dann punktgenau die Pointe zu setzen. Ein Glanzmoment der Witzgeschichte, die Erzählmaus aus dem Deutschunterricht wischt sich stolz eine Träne aus dem Auge. Und natürlich, die nicht enden wollenden Lacher folgen auf dem Fuß. Wie gern wären wir diese Person. Doch wenn wir Witze erzählen, sieht das Ganze eher so aus. Konfuse Handlungsstränge, ein paar Zwischenlacher von uns selbst und...wie ging nochmal die Pointe? Unangenehm.

Doch eine Hoffnung besteht: Jayus. Der indonesische Begriff dafür, wenn man einen Witz so schlecht erzählt, dass man dennoch – oder vielleicht genau deswegen darüber lachen muss. Also, Witzeprofis aufgepasst, wir probieren's mal damit. Geht eine Miesmuschel zum Heilbutt oder wars doch ein Karpfen, ne ganz sicher ein Heilbutt. Ach, wir fangen nochmal an.

Tingo (Rapanui)

Wir geben zu, wir sind bekennende Tingos. Bei unseren Geschwistern, Eltern, Mitbewohner*innen, ja sicherlich auch bei unseren Exfreund*innen. Keine Ahnung was "tingo" bedeutet? Hm sagen wir, liebevolles Stehlen. Natürlich ausversehen, nicht mutwillig. Ok, manchmal schon mutwillig. Wie auch immer. Dieses Wort wird auf jeden Fall verwendet, wenn man sich einen Gegenstand leiht, ihn jedoch nie wieder zurückzugibt und er irgendwie in den eigenen Inventar wandert.

Tingo ist Rapanui, die Sprache, die man auf den Osterinseln spricht. Keine Sorge, wussten wir auch nicht. Aber hey, so haben wir gleich zwei Sachen gelernt. Und damit wir uns das merken, schreiben wir uns das gleich mal auf – hmm.. hast du zufällig einen Kugelschreiber? Kriegst du gleich zurück, versprochen.

Iktsuarpok (Inuktitut)

Hunger! Kühlschrank auf, leer. Mist. Aber der Bauch ist auch leer. Also schnell den Lieferservice kontaktieren und was zu Mampfen bestellen. Kennen wir alle, haben wir alle schon gemacht. Und dann heißt es warten. Und warten und warten in unruhiger Vorfreude auf den Lieferdienst. Auch die Inuit kennen dieses Gefühl nur zu gut und haben sogar ein Wort in ihrer Sprache Inuktitut, die traditionell in der nordamerikanischen Arktis und der angrenzenden Subarktis gesprochen wird.

Gut, mit dem Wort "Iktsuarpok" meinen die Inuit nicht die Vorfreude, dass deine Pizza Rucola bald vor der Tür steht. Sondern eher das Gefühl der Ungeduld und Aufgeregtheit, wenn man einen alten Freund oder Freundin bei sich zu Hause erwartet und deshalb andauernd aus dem Fenster kuckt. Aber mal ehrlich, viele Menschen und da schließen wir uns nicht aus, hegen eine so innige Liebe zu Pizza, dass man das schon als eine alte Bekannte verstehen könnte. 

Duende (Spanisch)

Für uns ist es eines der schönsten Gefühle auf der Welt, ja wahrscheinlich ist im Kern dieses Wort der Grund warum wir hier sitzen und Radio machen. Das spanische "Duende". Ein Begriff, der die Schönheit von künstlerischen Darbietungen aller Art beschreibt, die etwas tief in dir drin berühren. Gänsehaut, den Atem anhalten, eine tiefer Trauer oder ein hysterischer Enthusiasmus. All das ist "duende". Ursprünglich war ein "Duende" ein magisches Wesen, so eine Art Kobold, in der hispanischen Volkskultur.

Später etablierte sich das Wort in der Welt des Flamenco. Ein Tanz voll starker Gefühle. Für die Zuschauenden und die Tanzenden. Freude, Trauer, Schmerz, Hauptsache intensiv und man sagte, Menschen, die vom Flamenco nichts verstehen, würden niemals den Flamenco-Duende spüren können. In der heutigen Zeit hat sich der Begriff ausgeweitet und bezieht sich auf die starken Gefühle aller künstlerischen Darbietungen. Und wir mögen zwar keine Ahnung von Flamenco haben, aber bei einem musikalischen Duende wissen wir alle, wie sich das anfühlt, oder?

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