Fremdgehen 2.0

Fremdgehen 2.0

Let's talk about (Robo-)Sex

Schwer genug, allgemeingültige Aussagen zu treffen, wenn es ums Thema Betrug in Beziehungen geht. Noch komplizierter wird es, wenn sich Affären nicht mehr ausschließlich zwischen Menschen abspielen.

Kommt dir eines der folgenden Szenarien bekannt vor?

Dabei erwischt werden, wie man jemandem schöne Augen macht. Die schlüpfrige SMS, die du hinterm Rücken deines Partners versendest. Die Nummer deiner Ex, die du nicht aus deinem Handy löschst, obwohl du eigentlich mit deiner aktuellen Freundin voll glücklich bist. Pornos gucken, obwohl es im Bett gut läuft. Beim Feiern mit weniger als einer Armlänge Abstand tanzen. Den zugesteckten Zettel samt Name und Kontaktdaten behalten.

Dann betreibst du wohl sogenanntes Micro-Cheating.

Dabei ist es (uns) jetzt erstmal egal, ob du das obige getan hast, dich schuldig fühlst oder nicht, immerhin ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund einer anderen Person geschehen. Und da erschöpfen sich die Diskussionen und Meinungen, was warum mit wem jetzt genau Betrug ist nicht - moralisch noch verzwickter gestaltet sich die Lage, wenn Roboter das Objekt der Begierde sind.

In Paris hat nun das erste Doll-Bordel eröffnet. 

Sex mit lebensnahen Puppen ist also offizielles Gewerbe. Betrug ja, nein? Wir denken da an die Szene aus Lammbock, in der der Freund mit einem Staubsauger in flagranti erwischt wird. Sie macht Schluss, obwohl sie ihm vor Monaten selbst fremdgegangen war (und zwar mit einem Menschen). Scheinbar hat sie mit ihm Schluss gemacht, weil sie es eklig fand, mit Dingen Sex zu haben. Würden Menschen mit ihrer Partnerin Schluss machen, wenn sie einen Vibrator besitzt? Falls ja, würde die Single-Rate vermutlich explodieren.

Scherz bei Seite. Worauf wir hinaus wollen: Ist doch mittlerweile selbstverständlich mit dem Spielzeug. Und schließlich darf ja auch jeder selbst darüber entscheiden, welcher (legaler) Mittel man sich zur autoerotischen Stimulation bedient. Oder etwa nicht? Da ist sich die Menschheit wohl noch uneinig - zumindest sobald die Elektronik ein Gesicht hat.

In den USA ergab eine kürzlich erhobene Umfrage, dass knapp 50% Sex mit einem Roboter für Betrug halten.

Absolut unmöglich basierend auf dieser diplomatischen Statistik auf allgemeinen Konsens oder Dissens zu schließen. Die gesellschaftliche Meinung hält sich im wahrsten Sinne des Wortes die Waage.

Die Nachfrage nach Robosex wäre potenziell da, denn 25% der befragten Singles würden mit einem Roboter schlafen. Ist der moralische Sprung von Dildos, Vibratoren und Fleshlights zu lebensnahen Roboter-Puppen wirklich so groß? Nüchtern betrachtet handelt es sich zwar um eine detailgetreue Nachbildung eines menschlichen Körpers. Im Wesentlichen bleibt es aber ein Sexspielzeug, das nun einfach nicht mehr nur ein primäres Geschlechtsmerkmal ersetzt, sondern eben einen vollständigen Geschlechtspartner. Der ist aber immer noch seelenlos, so wie jedes andere Spielzeug auch.

Die 50/50-Meinung überrascht bei näherer Betrachtung aber weniger, betrachtet man das menschliche Verhalten mal per se. Sind Betrug, bzw. Fremdgehen das Thema, geht es immer um Vertrauen und Eifersucht und die kommt erfahrungsgemäß in den unterschiedlichsten Situationen. Die Anfälligkeit für derartige Gefühlsregungen variiert mitunter stark pro Individuum. Daraus resultierend sind wohl verschiedene Beziehungsmodelle von strikter Monogamie bis zur Polyamorie zu erklären. Ein Kuss kann schon zu viel sein, für manche ist erst der Sex mit einer anderen Person Betrug. Manchen ist es auch komplett egal. Jeder schreibt seinen eigenen Moralkodex. Beispiele gefällig?

Es gibt Psycholog*innen, die den geplanten Seitensprung empfehlen, um in festgefahrene Beziehungen wieder Schwung zu bringen. Glaubt man den Erzählungen, war jeder mit jedem in den 60ern und 70ern ja wohl keine Seltenheit. Laut diverser Studien geht im Durchschnitt jeder zweite fremd, aber niemand gehört natürlich dazu. Der Gebrauch von Spielzeug ist mittlerweile auch kein Tabuthema mehr. Warum sollte es also mit Robotern so viel anders sein?

Egal, ob das Robobordell in Zukunft salonfähig sein wird oder man sich seine eigene Puppe fürs Schlafzimmer im Netz bestellen kann: Lieber mal über die eigenen Moralvorstellungen hinaus blicken und in Richtung kategorischer Imperativ denken.

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