Friends That Break Your Heart

Friends That Break Your Heart

„Das fünfte Album ist bei vielen Leuten das beste“, erzählt James Blake Apple Music. „Du hast all diese Erfahrung im Produzieren von Alben, hast verschiedene Wege beschritten, bist in der Regel inzwischen in den Dreissigern angekommen, und hast eine Menge aus dir herausgeholt. Also beschliesst du am Ende, einfach du selbst zu sein – und plötzlich sind alle begeistert.“ „Friends That Break Your Heart“ ist Blakes fünftes Album. Zwar würde er seine eigene Arbeit nicht explizit als seine beste bezeichnen, aber diese Aufnahmen sind erfrischend anders als die ersten vier Alben des in Nord-London geborenen und in Los Angeles lebenden Künstlers. Es gibt da diese emotionale Schwere in all seinen Werken, doch hier zündet sie durch ein erdigeres und sorgloseres klangliches Rüstzeug. „Es ist das ehrlichste Songwriting, das ich je produziert habe“, so Blake. „Ob es ein trauriger oder ein aufbauender Song ist: Jedes Gefühl, dem ich nachgespürt habe, ist eine rohere Version dessen, was zumindest die vergangenen beiden Alben enthielten. Ich habe auf dieser Platte versucht, Dinge herauszubekommen, und jetzt bin ich hier, inzwischen 32 Jahre alt, und fange an, in vielerlei Hinsicht selbstsicherer zu werden. Dieses Album ist seiner selbst sehr sicher.“Der Titel lässt eine Variation des klassischen Trennungsalbums vermuten – eine Dokumentation darüber, wie wir Beziehungen, die nicht romantischer Art sind, beenden. „Es scheint kein Standardverfahren zu geben, wie wir jemanden behandeln, der sich von einem:einer Freund:in lossagt“, meint Blake. „Es wird erwartet, dass wir auch tiefe, lebenslange Freundschaften ziemlich rasch hinter uns lassen. Aber – wie sagt man? – alte Freunde kannst du dir nicht backen.“ Können die Corona-bedingten Ereignisse von 2020 und 2021 den Niedergang gewisser Beziehungen erklären? „Was passiert ist, macht das Thema des Albums überhaupt relevant. Wir haben ein paar der Parameter verloren, die Freundschaften zusammenhielten. Es war eine Zeit der Analyse und der Reflexion darüber, welche Qualitäten von Freund:innen du gerade brauchst in deinem Leben. Und über die eigenen Schwächen. Das Dasein als kleiner C-Promi macht dich nicht unbedingt zum besten Freund der Welt. Ausserdem: Als ich sie und ihre Hilfe am meisten brauchte, musste ich feststellen, dass die meisten dieser Leute einfach nicht wussten, was sie tun sollten.“Blake ist schon in der Vergangenheit offen damit umgegangen, dass er diese Art Hilfe benötigt. Glücklicherweise haben sich die verschiedenen Corona-Lockdowns bei der Produktion dieses Albums als förderlich erwiesen, was, als Nebeneffekt, eine positive Wirkung auf seine psychische Verfassung hatte. „Ich erkannte, dass ich meinen Gemütszustand sogar kontrollieren kann“, sagt Blake. „Die Lockdowns haben mich gezwungen, zu sagen: ‚Ich bekomme das wirklich hin, ich kann es tatsächlich ausblenden, mich über bestimmte Sachen erheben.‘ Vorher habe ich immer auf andere Mittel vertraut. Präsent zu sein und psychische Probleme zu überwinden, fördert die Kreativität – und lässt die Musik leichter aus dir herausfliessen.“ Hier führt uns Blake Track für Track durch sein wunderschönes Album. „Famous Last Words“Ich zerbreche mir nicht allzu sehr den Kopf über das Tracklisting. Ich denke, es ist wie bei einem DJ-Set. Es braucht Höhen und Tiefen und Momente der Besinnung. Ich habe so viel Zeit mit dem Schreiben und der Produktion des jeweiligen Songs verbracht – wenn es dann um die Reihenfolge geht, denke ich: „Grosser Gott, bring es einfach in irgendeine Reihenfolge, Mann.“ Das hier ist kein Liebeslied, aber es ist dennoch eine Art Liebeslied, ein Trennungslied. Es ist seltsam. Ich denke, es verwischt die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe. Die Gefühle in Freundschaften müssen nicht zwingend Liebe sein, aber du kannst so jemanden wirklich lieben – und es tut auch genauso weh.„Life Is Not The Same“Du triffst irgendwelche Leute und sie haben einfach eine Wirkung auf dich. Vielleicht strahlen sie einfach irgendwas aus, aber du hast keine Ahnung, wieso. Dennoch machst du Sachen anders oder sagst andere Sachen – um sie zu beeindrucken. Das bedeutet nicht, dass du schwach bist oder leicht beeinflussbar, na gut, vielleicht bist du doch leicht beeinflussbar, aber es braucht eine besondere Person, damit das passiert. Ich kann das verantworten – bereit zu sein, mich vor jemandem zu verbeugen. Bestimmte Leute haben mich zum Beispiel gelehrt, ein dickeres Fell zu bekommen, und nicht allzu leicht die Kontrolle aus den Händen zu geben. Ich brauchte eindeutig mehr Selbstvertrauen. Denn wenn ich so leicht zu beeinflussen war, dann stimmte vielleicht etwas mit meinem Selbstwertgefühl nicht.„Coming Back“ (feat. SZA)Ich machte gerade eine Aufnahmesession mit [US-Künstlerin und Songschreiberin] Starrah, die beiläufig erwähnte, dass SZA im Studio vorbeikommen würde. Ich spielte ihr einen Haufen Zeug vor, sie sang darüber, und es passte auf Anhieb. Trotzdem hat es eine Weile gedauert, herauszubekommen, wie man das, bei dem wir gelandet waren, produzieren könnte. Kurz gesagt: Meine Produktion war nicht so der Brüller. Man konnte zwar hören, dass SZA und ich zusammen gut klangen, aber ich hatte nicht herausbekommen, wie ich ihre Stimme am besten zur Geltung bringen könnte – denn es war ein Song ohne Chorus. Wir sind als Gesellschaft an solche Strukturen gewöhnt. Wenn du also anfängst, diese Strukturen zu zerlegen, solltest du sehr genau vorgehen. Ein bisschen wie bei glutenfreiem Brot. Im Wesentlichen musste ich es mehr pumpend, mehr knallend klingen lassen. Ich habe so ein Ambient-Ding versucht, habe versucht, es sehr schön zu machen – doch es hat nicht funktioniert. Ich habe es in meinem Fundus, und manchmal muss ich auf diese Energie zurückgreifen.„Funeral“Dieser Song entspricht mir vollkommen; entstanden an einem sehr sonnigen, leicht miesen Tag. Ich dachte gerade darüber nach, wie es sich anfühlt, wenn man nicht gehört wird, wenn man sich sorgt, dass Leute einen aufgegeben haben. Im Lockdown habe ich das besonders gespürt. Es war viele Jahre her, seitdem ich wirklich aufgetaucht bin und nach vorne schauende Dinge wie Interviews gemacht habe.„Frozen“ (feat. JID & SwaVay)Ziemlich gespenstisches Instrumental, und mein Gesang ist recht unkonventionell, ein bisschen unheimlich. JID und SwaVay erledigen das auf einem Beat, den ich ursprünglich für JID geschrieben hatte. Am Ende passte es nicht wirklich auf sein Album, worüber ich sehr froh war, weil ich es insgeheim für mich haben wollte. Es fühlte sich ein wenig so an, als würdest du jemandem dazu verleiten, dir abzusagen – mein Lieblingsgefühl. Jameela [Jamil, Blakes Partnerin und Co-Producerin des Albums] schlug vor, SwaVay mit reinzunehmen, weil ich mit ihm bereits einige Jahre gearbeitet hatte. Vollkommen richtig. Gute A&R-Instinkte. „I’m So Blessed You’re Mine“Das Album ist gewissermassen unterteilt in Songs, die zusammengeschraubt werden wie Frankensteins Monster, und solchen, die einfach passieren. Dieser war so ein Mittelding, und ich konnte mit einigen meiner liebsten Leute arbeiten – Khushi, Dominic Maker, Josh Stadlen, Jameela. Ich möchte mich im Hintergrund halten, damit das beste Stück Musik dabei herauskommt, das wir machen können. Und vielleicht ein nettes Gespräch über irgendwas führen, bevor wir anfangen. Beim ersten Album gab es keine Gespräche, denn ich hatte zu viel soziale Angst.„Foot Forward“Metro Boomin ist zurück! Er weiss, dass ich mich oft mit seinem eher esoterischen Zeug beschäftige, also spielte er mir dieses Piano-Sample auf dem MPC [Musikproduktions-Gerät] vor, das wie etwas aus den Siebzigern klang, aber dieses Metro-mässige Federn hatte. Ich fing an, im Studio zu improvisieren, und ich kann mich erinnern, dass ich ihn in der Kabine tanzen sah, weil es so gut klang, sehr hymnisch. Letztlich machte ich daraus einen Song mit Frank Dukes und Ali Tamposi – noch ein Genie –, der die Melodie für den Refrain schrieb.„Show Me“ (feat. Monica Martin)Monica ist eine unglaubliche Sängerin und Persönlichkeit. Sie ist saukomisch und wir sind Freunde geworden. Der Song schien ziemlich schmucklos ohne sie. Er brauchte jemanden, der einspringt, und es musste genau die richtige Person sein, sonst würde es nicht funktionieren. Auch hier machte Jameela den Vorschlag. Sie kam mit Khushi und mir ins Studio, machte die Aufnahme genau wie ich es mir vorgestellt hatte, und es war wunderbar. Ich war so aufgeregt, sie war aufgeregt, es war ein grossartiger Moment.„Say What You Will“Ah, diese verträumten 60s-Vibes. Das ist mir der liebste Song, den ich seit Jahren geschrieben habe. Es ist der Track, der die grösste Bedeutung in Bezug auf mein Leben hat. Er ist repräsentativer für meinen gesamten inneren Zustand und ich mag Lieder, die einen umfassenden Kommentar beinhalten. Ich habe mich sehr über die Reaktionen gefreut, weil ich wirklich versucht habe, glaubwürdig zu vermitteln, wo ich mich gerade befinde. An diesem Punkt meiner Karriere kann es keinen anderen Weg geben. Die Formel für einen Song hat sich nie geändert. Ein guter Song wird immer funktionieren. Er muss bei den Leuten nachhallen oder er wird verschwinden. Und ich weiss, wovon ich rede. Ich habe bereits Songs veröffentlicht, die – warum auch immer – keinen Nachhall gefunden haben.„Lost Angel Nights“Es geht um eine Menge Sachen, aber in erster Linie um die Sorge, deine Chance verpasst zu haben. Und ein bisschen Kritik ist vielleicht auch drin. Die Art, wie Leute deinen Wesenskern nehmen, ihn kopieren und einfach weitermachen, wirklich. Ich habe viel Glück gehabt in meiner Karriere, aber es gab Zeiten, in denen die Leute dauernd geguckt haben, was das angesagte Ding gerade ist, genau das dann kopiert und weitergemacht haben. Man wurde nicht mehr gebraucht. Das passiert zwar vielen Leuten, aber du musst dafür kämpfen, eine bleibende Person zu sein, ein:e bleibende:r Künstler:in. Ich möchte bleiben, solange ich kann, und zwar so natürlich und authentisch, wie ich kann. Was andere Leute tun, hat darauf keinen Einfluss.„Friends That Break Your Heart“Es ist vielleicht sonderbar, aber zuerst war der Albumtitel da, dann dieser Song. Ich schrieb die Melodie im Auto, unterwegs zu einem Treffen mit [US-Songschreiber und Produzent) Rick Nowels. Es gab noch einige andere, die wir nicht auf das Album gepackt haben, aber dieser Song war auf Anhieb herausragend. Es war ein wirklich lustiger Prozess, weil Rick nur Keyboards gespielt hat und ich diesmal rein Sänger und Songschreiber war. Die Zeile „I have haunted many photographs“ ist hoffentlich etwas, das wir alle kennen. Nun, hoffentlich nicht wirklich, denn das wäre ja furchtbar. Aber ich denke, es ist ein verbreitetes Gefühl.„If I’m Insecure“Ich mache gern Sachen, die entweder nur aus Harmonien bestehen oder sich einfach gewaltig anfühlen. Dies ist Letzteres. Es ist ein apokalyptisches Liebeslied – die Welt geht unter, aber du bist verliebt, also ist alles in Ordnung. Was möglicherweise einfängt, wo wir als Gesellschaft im Jahr 2021 sind. Vielleicht werde ich diese Aufnahmen als die grosse Verkörperung meiner Corona-Erfahrungen betrachten, aber das war nicht meine ursprüngliche Absicht. Ich mache einen Haufen Musik und irgendwann merke ich: „Oh, genau, ungefähr darum geht’s.“

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