Talk Memory

Talk Memory

Das Selbstverständnis der Fusion-Band BADBADNOTGOOD aus Toronto ist in hohem Maß von ihrem Umfeld geprägt. Immerhin verfügt die Gruppe über die stilistische Geschmeidigkeit und die instrumentalen Fertigkeiten, um Ghostface Killahs 70er-Funk-Fantasien zum Leben zu erwecken, Charlotte Day Wilsons reservierte R&B-Balladen anzuheizen und Samuel T. Herring von Future Islands ein Vorleben als Kleinkunst-Soulsänger anzuhängen. Aber im Gegensatz zum Staraufgebot auf „IV“ fällt auf BADBADNOTGOODs „Talk Memory“ das Fehlen von Gesang auf. Vielmehr ist das erste Album seit fünf Jahren rein instrumental und konzentriert sich voll und ganz auf die entscheidenden Qualitäten der Band: die allgegenwärtige Spannung zwischen kompositorischer Raffinesse und durchgeknallter Improvisation. Dennoch protzt „Talk Memory“ mit einer beneidenswerten Gästeliste, wie sie nur BADBADNOTGOOD zusammenstellen konnte. Ein Dream-Team von Instrumentalisten, darunter der brasilianische Komponist Arthur Verocai, Ambient-Ikone Laraaji, der Electro-Psych-Reisende Floating Points und Kendrick Lamars Saxophonist Terrace Martin, füllt die Grooves der Band mit filmischer Größe – und gleichzeitig die Leerstelle, die Keyboarder Matty Traveres nach seinem Ausstieg 2019 hinterlassen hat. Doch während die strahlenden Streicherarrangements und psychedelischen Harfenschnörkel des Albums die stetig wachsende musikalische Vorstellungskraft der Band zum Ausdruck bringen, ist „Talk Memory“ auch getrieben von einer ursprünglichen Energie, die eher zum Headbanging als zum Kopfnicken einlädt. Wenn Bassist Chester Hansen sein Fuzz-Pedal einschaltet und beginnt, den kolossalen neunminütigen Opener „Signal from the Noise“ zu zerlegen, ähneln BBNG eher einer Free-Jazz-Version von Death From Above 1979, [einer kanadischen Indie-Rock-Band aus Toronto]. „Wir haben eine Menge Rockmusik gehört, als wir jünger waren“, erzählt Hansen Apple Music. „Als wir mit unseren Instrumenten anfingen, hat [Saxofonist] Leland [Whitty] Iron Maiden-Soli geübt und [Drummer] Alex [Sowinski] haufenweise Rush und Led Zeppelin gespielt, also ist es doch schön, einige dieser Elemente auf dem Album einbauen zu können.“ Hier führt uns Hansen Track für Track durch die Erinnerungen von „Talk Memory“.„Signal from the Noise“In den Jahren, in denen wir Konzerte gegeben haben [nach „IV“], haben wir viel improvisiert, und das Intro zu diesem Song war vorher eine Bass-Einlage, die wir auf der Bühne gespielt haben – jedenfalls habe ich im Wesentlichen Sachen gespielt, die so ähnlich klangen. Das wollten wir dann in einen vollständigen Song einbauen, als wir Material für das Album schrieben. Also haben wir die Arrangements und das Bass-Solo hinzugefügt und unser Toningenieur Nic [Jodoin] hat so eine Bandschleife gemacht, die er zum Ende einblendete. Einige zusätzliche Elemente ganz am Ende sind von Floating Points, um es noch psychedelischer zu machen.„Unfolding (Momentum 73)“Ich glaube, die Idee hinter diesem Titel war, dass der Mensch zu 73 Prozent aus Wasser besteht. Und „Unfolding“ bezieht sich darauf, dass der Haupt-Saxofon-Part tatsächlich klingt, als würde er sich entfalten. Leland hatte das erste Arpeggio, was man vom Saxofon hört, und wir wollten einen Song drum herum bauen. Der Song wurde kurz vor der Pandemie fertig und dann, im Lauf des vergangenen Jahres, haben wir ihn Laraaji geschickt, der ein legendärer Ambient-Musiker ist. Er erstellt Songs mit Gesang, aber er spielt auch Zither und andere Instrumente. Also dachten wir, es könnte eine coole Sache sein, ihn dazu zu bringen, auf diesem Song Zither zu spielen.„City of Mirrors“Eine Menge unserer Lieblingsplatten beinhalten tolle Streicherarrangements, aber logistisch ist es manchmal ganz schön schwer, die Zeit dafür zu finden. Früher hatten wir wirklich Glück, weil Leland Violine und Viola spielt. Also haben wir ihn bisher einfach hundertmal aufgenommen und alles übereinandergestapelt, um einen orchestralen Klang zu erreichen. Doch für dieses Album konnten wir uns an Arthur Verocai wenden, der großen Einfluss auf uns hat und eine wahre Legende ist. Also haben wir ihm jeden Song geschickt und er hat all die Streicherarrangements zurückgeschickt, die man hier hört – was wirklich alles auf eine höhere Ebene gehoben hat.„Beside April“Das Mahavishnu Orchestra hat diesen Song stark beeinflusst. Früher hatten wir nicht wirklich viele Songs mit derartigen Riffs, aber es ist cool, Sachen mit einer Menge Riffs dabeizuhaben. Wir hielten es für sinnvoll, diesen Track noch vor dem Album als Single zu veröffentlichen, denn er hat eine ziemlich epische Energie. Karriem Riggins spielt darauf mit, er kam zufällig vorbei, als wir den Song im Studio durchhörten, und mochte den Sound. Er ist unüberhörbar ein toller Drummer, aber in diesem Fall sagte er: „Gebt mir einfach eine Snare!“ Also hat Alex Schlagzeug gespielt, Karriem hatte eine Snare Drum mit Besen, und wir bauten ein Mikrofon für ihn auf. Er hat Sounds produziert, wie ich sie nie zuvor von einer einzelnen Trommel gehört habe. Es war wirklich unfassbar.„Love Proceeding“Ich war nicht in der Stadt, während Leland und Alex sich trafen und eine frühe Version hiervon austüftelten. Interessant ist an diesem Album, dass es das erste ist, das wir zu dritt gemacht haben, weil Matty, unser Keyboarder und Gründungsmitglied der Band, vor ein paar Jahren seinen eigenen Weg gegangen ist. Somit sind wir diejenigen, die versuchen, herauszubekommen, was wir machen werden und ob wir alle Parts abdecken können. In diesem Fall spielte Leland in der ersten Hälfte Gitarre und rannte dann rüber zum Saxofon, um das Solo zu spielen. Und das haben wir alles in einem Take aufgenommen, was ziemlich lustig war.„Timid, Intimidating“Ein weiterer Unterschied bei diesem Album ist, dass wir Zeug mitbrachten, das wir individuell geschrieben hatten, um es dann gemeinsam mit dem Rest der Band auf ein anderes Level zu heben – anstatt bei jedem Teil des Schreibens alle dabei zu sein. Ich versuchte hauptsächlich, Songs mit verrückten Riffs zu schreiben. Ich hatte eine wirklich lustige MIDI-Demoversion hiervon, die versehentlich gelöscht wurde, sodass ich alles aus dem Gedächtnis rekonstruieren musste, um es den anderen beizubringen. Und dann wurde es das, was du hier hörst. Es war wirklich nur ein gutes Gerüst für eine Reihe von Soli. Es hat einen Steely Dan-Vibe – jetzt, wo ich es höre. Daran hatte ich zwar gar nicht gedacht, aber sie haben schon großen Einfluss auf uns „Beside April (Reprise)“Noch bevor wir die Originalversion von „Beside April“ aufgenommen hatten, besuchte ich meine Mutter, spielte dort auf ihrem Piano und dachte mir diese Alternativ-Version aus. Eines Tages hatten wir etwas Studiozeit übrig, also habe ich den Piano-Part aufgenommen und Verocai machte sein Ding dazu.„Talk Meaning“Es war einer der letzten Tage im Studio und Terrace Martin kam für ein paar Stunden vorbei. Wir hatten ihn auf Tour öfter zufällig getroffen, aber nie etwas zusammen im Studio gemacht. Er war sehr großzügig mit seiner Zeit. Leland und Alex schrieben die Hauptmelodie und die Akkorde und dann wollten wir es in einem Jazz-Kontext spielen. Also spielten wir Terrace die Melodie vor. Dieser Song hatte den denkbar altmodischste Mikrofonaufbau: ein paar Mikrofone am Schlagzeug, eins für den Bass und dann eines für beide Saxofone. Leland und Terrace standen also beide hinter einer Trennwand und sie mussten sich vor und zurück bewegen [in Richtung Mikro], je nachdem, wer gerade lauter sein sollte. Dann haben wir ein paar Keyboards hinzugefügt und Verocai hat das Ganze wunderbar arrangiert. Und dann – als Sahnehäubchen – haben wir es Brandee Younger geschickt, die eine fantastische Harfenistin ist. Sie beförderte es auf die nächste Ebene, indem sie ein wunderschönes Outro spielte. Es ist wirklich die Kollaboration mit der größten Tiefe auf diesem Album.

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