26 Tage in kompletter Dunkelheit

26 Tage in kompletter Dunkelheit

Saskia John über ihre Erfahrungen mit der Dunkeltherapie

Was passiert eigentlich in unserem Körper und unserem Kopf, wenn wir uns über längere Zeit in komplette Dunkelheit zurückziehen? Saskia John hat genau das ausprobiert - und mit egoFM Elise über ihre Erlebnisse gesprochen.


Ab ins Dunkelretreat

Sogenannte Dunkelretreats werden heute immer häufiger angeboten - und auch genutzt. Saskia John begleitet Menschen in Dunkelretreats und hat sich selbst auch schon mehrere Male in völlige Dunkelheit begeben: 12 Tage in 2003, 24 Tage in 2005 und ganze 26 Tage in 2016. Wie sie zur Dunkeltherapie kam, was genau dahinter steckt und warum Menschen sich absichtlich für längere Zeit in Dunkelheit begeben, hat sie uns im Interview erzählt.
  • 26 Tage in kompletter Dunkelheit
    Saskia John über ihre Erfahrungen mit der Dunkeltherapie

Freiwilliges Licht-Zölibat

2001 stieß Saskia John das erste Mal in einer Fachzeitschrift auf den Begriff Dunkeltherapie. Der Artikel machte sie direkt neugierig - anderseits fühlte sie bereits beim Lesen, wie sich in ihr Panik bildete. Was passiert, wenn man so lange im Dunkeln ist? Kann das psychische Schäden hervorrufen? Oder körperliche? So ganz alleine und ohne Licht? Die Angst siegte über Saskia Johns Neugier, sodass sie das Thema Dunkeltherapie zunächst nicht weiter verfolgte. Durch Zufall fiel ihr der Artikel ein Jahr später wieder in die Hände und Saskia fasste sich ein Herz und klingelte einfach mal beim Autor durch.
"Da war so ein Zug da. Also da war neben der Angst ein genauso starker, innerer Ruf da rein gehen zu wollen, das erfahren zu wollen. Mich selbst erfahren zu wollen, wer ich bin." - Saskia John

Der Autor des Artikels schaffte es letztlich, ihr diese innere Angst vor der abschottenden Dunkelheit zu nehmen.

Wie genau läuft eine Dunkeltherapie ab?

In Saskia Johns Fall führte sie mit ihrem Therapeuten zunächst ein kurzes Gespräch, bevor dieser sie in einen der Dunkelräume in seinem Haus führte. Dort zeigte er ihr den Raum kurz im Hellen. Dann konnte sie sich einrichten und eine Viertelstunde später ging dann das Licht aus. Während Saskia ihre Sachen auspackte und sich versuchte zu merken, wo sie was hinlegte, wuchs in ihr wieder das Gefühl der Angst. Als das Licht dann ausging und sie allein war, ist Saskia als Erstes durch den Raum gegangen und durch ihr Bad und hat getestet, ob sie auch alle ihre Sachen im Dunkeln wiederfindet. Als das problemlos zu klappen schien, legte sich ihre Angst auch wieder etwas. Danach machte ihr die Dunkelheit auch nicht weiter Probleme - allerdings kam sie bereits bei ihrem ersten Dunkelretreat in eine persönliche Krise, die sie sehr mitnahm, sodass sie damals dachte, sie sei bereit zu sterben - obwohl sie zuvor immer sehr viel Angst vor dem Tod und dem Sterben hatte.
"Ich sag mal 80 Prozent meiner großen Todesangst war nach dem ersten Retreat weg. [Und] Ich hatte schon mein Leben lang Todesangst, seit [der] Kindheit." - Saskia John


Licht aus, Sinne an

In den ersten Stunden ihres ersten Retreats meditierte Saskia John zunächst. Nach einiger Zeit merkte sie, wie ihre Sinne immer schärfer wurden.
"Also meine Ohren wurden riesengroß, gefühlt hatte ich Elefantenohren. Meine Hände wurden riesengroß, sodass ich alles fühlen wollte, hören wollte, tasten wollte, schmecken wollte. Also der Geschmackssinn taucht jetzt nicht so stark auf, aber fühlen und [hören]. Die beiden Sinne traten in den Vordergrund und der Sehsinn immer mehr in den Hintergrund." - Saskia John 

Außerdem schossen ihr vor allem in den ersten drei, vier Tagen pausenlos wahnsinnig viele Gedanken durch den Kopf. Mittels Meditation in der Dunkelheit schaffte es Saskia John aber, einen gewissen Abstand zu ihrem nie stoppenden Gedankenkarussell zu bekommen und Ruhe im Kopf zu schaffen.
"Wir sind quasi mit unseren Sinnen auf die Außenwelt fixiert und was dort passiert und kriegen gar nicht mit, was in uns passiert. Und im Dunkelretreat, also wenn das Licht wegbleibt für längere Zeit, kehrt sich dieser Mechanismus eben um. Also die Sinne ziehen sich vom 'Außen' ab und damit taucht das 'Innen' wieder auf."- Saskia John

Diese umgekehrte Wahrnehmung mit der Fokussierung aufs Innere hat Saskia John dann auch später für sich in den (beleuchteten) Alltag mitgenommen. Außerdem hat sie dadurch das Gefühl, dass sie auch mehr von ihrer Umwelt mitbekommt.
"Wenn ich innen viel wahrnehme, krieg ich auch außen viel mit, was sonst verborgen bleibt. Wenn ich innen alles ausblende, dann bin ich nur vom Außen vereinnahmt oder konsumiert und kriege zwar viel im Außen mit, aber auf Kosten meiner Innenwelt. Das heißt, ich krieg nichts mehr von mir mit. Und wenn das beides im Einklang ist, wird es aus meiner Sicht gesund und auch im Gleichgewicht." - Saskia John

Der Tag der Erleuchtung

Als sich ihre Dunkeltherapien dem Ende näherten, wollte Saskia John erst mal gar nicht aus der Dunkelheit heraus. Sie hatte sich nicht nur an das Leben ohne Licht gewöhnt, sondern empfand es immer noch als sehr spannend. Sie wollte noch tiefer in ihrem Inneren forschen. 
"Auf der anderen Seite freute ich mich auch wieder auf das Außen, auf meine Beziehung, auf die Menschen, auf meine Arbeit. Also beides war da." - Saskia John



Könntest du dir vorstellen, über längere Zeit eine Dunkeltherapie zu machen? Was wären deine Erwartungen? Erzähls uns via Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per WhatsApp: 089 / 360 550 460. Wenn du mehr über das Thema wissen willst - Saskia John hat über ihre Erfahrungen ein Buch geschrieben: Grenzerfahrung Dunkelretreat: In den Tiefen meiner Seele.

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