Aufklärung und Entscheidung zur Organspende

Aufklärung und Entscheidung zur Organspende

Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Angela Ipach

Von  Gloria Grünwald (Interview) | Sabrina Luttenberger (Artikel)
Der Verein Junge Helden e.V. klärt über Organspende auf und setzt sich für eine Entscheidung ein.

Laut einer Umfrage stehen über 80 Prozent der Befragten in Deutschland dem Thema Organspende positiv gegenüber.

Sie könnten sich also auch vorstellen, selbst Spender*innen zu sein. Allerdings hat weniger als die Hälfte diese Entscheidung auch dokumentiert. Das wiederum ist aber wichtig, um in Deutschland als Spender*in infrage zu kommen. Der Verein Junge Helden e.V. klärt über Organspende auf. Wie genau und warum eine Entscheidung von allen Menschen verlangt werden sollte, darüber spricht Mitgründerin Angela Ipach im egoFM Reflex-Interview mit Gloria.
  • Angela Ipach im Interview
    Das komplette Gespräch zum Anhören

Berührungspunkte schaffen

Anfang 2021 gab es mehr als 9.200 Patient*innen, die auf ein Spenderorgan warten. Darauf kommen aber nur 933 Organspender*innen (2020) in Deutschland. Die Zahlen sind in Deutschland generell auf einem niedrigen Niveau. Deshalb betreibt der Verein Junge Helden seit fast 20 Jahren Aufklärungsarbeit zum Thema Organspende. Damals habe sie gemerkt, dass das Thema bei vielen gar nicht auf dem Schirm ist, wenn man ihm nicht persönlich direkt begegnet. Mit Junge Helden versuchen sie, die Hürde, mit dem Thema in Kontakt zu kommen, relativ gering zu halten und Berührungspunkte zu schaffen. Für ihre Arbeit haben sie sich zum Beispiel auch prominente Persönlichkeiten ins Boot geholt, wie etwa Joko & Klaas.

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Die größte Angst bei Organspenden

Die größte Angst im Bezug auf Organspende sei, dass man noch gar nicht wirklich tot ist und einem schon voreilig Organe entnommen werden. Angela versucht, diese Angst zu nehmen: Der Hirntod sei die sicherste Feststellung des Todes. Zwei voneinander unabhängige Fachärzt*innen müssen ihn diagnostizieren.

Sich mit dem eigenen Tod befassen

In unserem Alltag beschäftigen wir uns nur selten mit unserem eigenen Tod. Dabei sei es besonders wichtig, zu Lebzeiten mit Angehörigen darüber zu sprechen, ob es jetzt um eine Patientenverfügung, die eigene Beerdigung oder eben Organspenden geht. Denn der Zeitpunkt, zu dem Angehörige dann die Frage nach der Organspende gestellt wird, ist vermutlich einer der schwersten für sie.
"Das Thema Tod auch über die Organspende hinaus, findet viel zu selten in Gesprächen in unserem Alltag statt." – Angela Ipach

Um diese Situation zu erleichtern, gibt es eben den Organspendeausweis, den du kostenlos bestellen oder auch bei deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin bekommst. Es muss allerdings nicht unbedingt der Ausweis sein. Auch ein Zettel, auf dem du festhältst, ob oder welche Organe du spenden willst, reicht mit Unterschrift aus. Oder eben auch ein Gespräch mit Angehörigen, denn sie werden immer gefragt. Wenn sie den Willen kennen, gilt diese Antwort.

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Widerspruchslösung – nicht in Deutschland

Viele Menschen sind bereit, nach ihrem Tod Organe zu spenden, dokumentieren diese Bereitschaft allerdings nicht. Um diese Lücke zu den dadurch niedrigen Zahlen der Spender*innen zu schließen, gibt es in vielen anderen Ländern die sogenannte Widerspruchslösung. Das bedeutet: Wenn du dich nicht zu Lebzeiten dagegen entscheidest, bist du automatisch Organspender*in. In Deutschland gibt es keine Widerspruchslösung. Zwar hatte Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn die Debatte vor einigen Jahren wieder angefacht, der Vorschlag wurde aber 2020 im Bundestag abgelehnt. Laut den Jungen Helden hat man hier eine große Chance verpasst.
"Das war ein herber Schlag für uns, weil wir uns auch im Vorfeld sehr stark positioniert haben […] auch im Sinne des Eurotransplant Verbunds, das ist der Verbund, in dem die Orange verteilt werden und da ist Deutschland tatsächlich das einzige Land, das nicht die Widerspruchsregelung lebt […]. Unserer Meinung nach ist das auf jeden Fall ein ganz wesentlicher Faktor, wie man das vorantreiben kann." – Angela Ipach

Einem geplanten bundesweiten Onlineregister, in dem die Menschen ihre Bereitschaft festhalten, steht Angela skeptisch gegenüber. Der Aufwand dafür sei sehr groß.
"Wir merken ja die Bereitschaft ist ja da, aber den Leuten fehlt manchmal ein bisschen der Push. Und das sind so viele Hürden, dass es einfach nicht greift. […] Jetzt im Alltag wird [das Gesetz] nicht gelebt und das heißt eben, dass 8.500 Patientinnen und Patienten, die derzeit warten, einfach weiter warten. Und auch sterben werden, einfach, weil sie nicht rechtzeitig ein Organ bekommen." – Angela Ipach

Gesellschaftliche Verantwortung mit einer Entscheidung

Um dagegen etwas zu tun, fände es Angela sinnvoll, das Thema Organspende verpflichtend in den Schulunterricht aufzunehmen. Außerdem denkt sie: Ein fixer Punkt, an dem man sich für oder gegen die Bereitschaft zur Organspende entscheidet, wäre relevant.
"Dass man sich entscheidet, das ist unserer Meinung nach etwas, was man verlangen kann, was gesellschaftliche Verantwortung mit sich bringt. Und auch einfach der Gedanke: Wenn ich ein Organ brauchte […], würde ich sehr wahrscheinlich ja auch ein Organ wollen und entsprechend dahingehend einfach mal seine Entscheidung zu beobachten." – Angela Ipach
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Bild: Angela Ipach

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