Es werden wieder ehrenamtliche Richter*innen gesucht

Es werden wieder ehrenamtliche Richter*innen gesucht

Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Strafrichter Norbert Winkelmann

Von  Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Kannst du dir vorstellen, im Gerichtssaal zu sitzen und über ein Urteil mitzuentscheiden? Genau das ist Aufgabe der Schöff*innen - ein Amt, auf das man sich aktuell wieder bewerben kann.

Norbert Winkelmann ist Geschäftsführer des Richterbundes in Baden Württemberg und Richter am Landgericht in Stuttgart. Dort ist er außerdem Schöff*innenreferent und betreut die Ehrenamtlichen, die am Landgericht in den Prozessen mitwirken. Im Interview hat er darüber gesprochen, wie seine Arbeit mit den Schöff*innen in der Praxis abläuft und welche Probleme, aber vor allem auch welche positiven Effekte das Schöff*innensystem mit sich bringt. 
  • Norbert Winkelmann im Interview
    Das komplette Gespräch zum Anhören
  • Hilfsschöffe Christian im Gespräch
    Über seine Erfahrungen im Ehrenamt

Zudem hat Gloria mit Christian gesprochen, der selbst fünf Jahre lang Hilfsschöffe war und von seinen Erfahrungen erzählt.



Schöff*innen übernehmen eine wichtige Rolle in unserer Demokratie

Grundsätzlich kann sich als Schöffe oder Schöffin bewerben, wer zu Beginn der Schöffenperiode zwischen 25 und 69 Jahre alt ist, die deutsche Staatsangehörigkeit hat, gesundheitlich geeignet ist, über ausreichend Sprachkenntnisse verfügt und nicht wegen einer vorsätzlichen Tat zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Außerdem sollten Schöff*innen Interesse an Menschen haben, fügt der Berufsrichter hinzu.

"Es ist ja hier kein Voyeurismus, der da betrieben wird, aber eine gesunde Neugier und eben Lust, mitzuentscheiden, das sollte schon dabei sein." - Norbert Winkelmann

Die ehrenamtlichen Richter*innen übernehmen das Amt für fünf Jahre und haben das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichter*innen. Deswegen ist es auch so wichtig sicherzustellen, dass das Ehrenamt beispielsweise nicht von rechtsextremen Gruppen unterwandert wird. Um das zu verhindern, gibt es aktuell einen Gesetzesentwurf, der die Verfassungstreue für ehrenamtliche Richter*innen voraussetzt - für die aktuelle Wahl wird dieser Entwurf aber höchstwahrscheinlich noch nicht gelten.

Allerdings sitzen im Schöff*innenwahlausschuss unter anderem auch Personen aus dem Gemeinderat, denen lokale Extremist*innen teilweise bekannt sind, erklärt Norbert Winkelmann.

"Eine Sensibilität bei der Wahl ist halt erforderlich, weil ansonsten haben wir natürlich diese Problematik, dass Rechtsextreme natürlich im Kleid eines Verfassungstreuen kommen können. Auf der anderen Seite darf man natürlich eins auch nicht [...] verkennen, das ist schlicht und ergreifend: Ein Schöffe hat auch nur eine Stimme und einen Rechtsradikalen können vier andere, sag ich jetzt mal, in der Beratung natürlich überstimmen." - Norbert Winkelmann


Mehr Transparenz im Justizsystem

Durch das Ehrenamt haben Nicht-Jurist*innen die Möglichkeit, an der Rechtsprechung mitzuwirken und sorgen so auch für mehr Transparenz in unserem Rechtsystem. Außerdem können Schöff*innen andere Perspektiven einnehmen und zum Beispiel auch Wissen und Erfahrungen aus ihrem Beruf mit einfließen lassen. Dass die Schöff*innen den oder die Berufsrichter*in überstimmen, kommt allerdings sehr selten vor:

"Es ist ja nicht so, dass wir uns in die Beratungszimmer reinsetzen und sagen: 'So, jetzt stimmen wir ab!', sondern es ist ja vorher eine Diskussion, eine Erklärung, ein Austausch der Meinungen." -  Norbert Winkelmann

Deswegen findet er es auch richtig und wichtig, dass es das gleiche Stimmrecht gibt. 


Seit wann es das Amt der Schöffinnen und Schöffen in Deutschland schon gibt, haben wir im egoFM Reflexikon zusammengefasst.


Wie zeitintensiv das Amt ist, kann pauschal nicht gesagt werden.

Es kann sein, dass ein*e Schöff*in in einem Jahr überhaupt nicht eingesetzt wird, ein anderer hingegen bei einem Prozess beteiligt ist, der 20 Tage am Stück andauert. Gut zu wissen ist aber, dass Arbeitgeber*innen dazu verpflichtet sind, ihre Angestellten für diese Zeit freizustellen. Zusammenfassend kann Norbert Winkelmann sagen:

"Wer das mal mit gemacht hat und sich einen Eindruck verschafft hat, der findet das in der Regel sehr, sehr spannend, weil sie natürlich Eindrücke bekommen, die sie normalerweise eigentlich nicht mitbekommen." - Norbert Winkelmann



Die nächste Schöff*innenperiode beginnt am 1. Januar 2024, aktuell laufen bundesweit die Bewerbungen. Infos dazu findest du hier.

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