Popmusik im Wandel der Zeit

Popmusik im Wandel der Zeit

Lena Papasabbas im Interview

Lena Papasabbas ist Kulturanthropologin und Redakteurin für das Zukunftsinstitut, einem der renommiertesten Thinktanks Europas. 

Im Interview mit egoFM Max hat sie darüber gesprochen, wie sich Popmusik über die letzten Jahrzehnte verändert hat und wie sie sich in Zukunft auch noch verändern wird.
  • Lena Papasabbas im Interview
    Das komplette Gespräch zum Anhören


Wie wir Musik hören hat Einfluss auf die Musik selbst

Statt CDs über große Anlagen im Wohnzimmer zu hören, sind es heute oft stark komprimierte Dateien, die wir über Kopfhörer in der U-Bahn streamen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die technische Qualität der Songs, sondern auch auf unsere Aufmerksamkeitsspanne - beides hat im Laufe der Zeit abgenommen. Und dem wiederum passen sich viele Songs eben an:
"In diesem Kampf um die Aufmerksamkeit müssen Songs funktionieren. Deswegen sind die auch nicht mehr so geduldig aufgebaut, entwickeln sich teilweise nicht mehr so ausgiebig, so langsam. Es gibt also weniger Intros, weniger Zwischenspiele, sondern die meisten Popsongs heutzutage gehen direkt los, starten zum Beispiel ganz oft mit dem Refrain. Das war früher auch ganz anders." - Lena Papasabbas


Darüber, wie sich Songs in den letzten Jahren verändert haben, hat auch Juse Ju in einem Interview gesprochen, das ganze Gespräch findest du hier.


Es gibt aber nicht die eine Richtung, in die sich Musik entwickelt

Stattdessen wird Musik immer fluider. Als Gegenbewegung zu kurzen und einfachen Songs gibt es zum Beispiel auch Künstler*innen, die bewusst längere Songs mit komplexem Aufbau veröffentlichen. Und auch Downtempo-Musik erlebt einen kleinen Hype - gleichzeitig ist aber auch super schnelle Musik gefragt. Außerdem werden immer wieder auch alte Songs und Stile aufgegriffen und neu interpretiert.
"Das ist gerade auch glaube ich so das Aufregende in unserer Zeit, dass es sich in alle Richtungen aufsplittet und ausfragmentiert in ganz, ganz viele verschiedene Stile." - Lena Papasabbas


Das wird Papasabbas Meinung nach auch dazu führen, dass der Mainstream an Relevanz verliert

Die musikalische Auswahl wird (und ist bereits teilweise) einfach so groß, dass der Mainstream gar nicht die Möglichkeit hat, so mächtig zu werden, sagt sie. Das heißt aber gleichzeitig auch, dass es nicht mehr den einen Künstler oder die eine Künstlerin gibt, der*die eine ganze Generation einheitlich prägt. Der Mainstream wird also unwichtiger, die Relevanz von Musik an sich wird ihrer Meinung nach aber größer - einfach, weil wir auch die entsprechenden Möglichkeiten haben.
"Musik ist total wichtig für Menschen und jetzt haben wir die einmalige Gelegenheit, dass wir auf sie zugreifen können, egal wo wir sind und eine unfassbare Vielfalt haben. Und das führt wirklich dazu, dass wir mehr Musik hören, das viel mehr ausdifferenzieren, eine Playlist haben, die wir morgens hören, eine die wir abends hören, eine die wir mit dem Partner hören, eine mit Freunden und so weiter. Also Musik wird glaube ich noch präsenter sein, als sie es sowieso schon ist." - Lena Papasabbas
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Wo ein Popsong früher einen bestimmten Nerv einer Generation treffen musste ist es heute wichtiger, dass er "catchy" ist und die Hörer*innen in wenigen Sekunden überzeugt - am besten so sehr, dass sie ihn (auf Social Media) immer wieder hören, teilen und verwenden wollen. Gleichzeitig beobachtet Papasabbas, dass Live-Musik wieder interessanter und einzigartiger wird und etwas ist, was eben nicht millionenfach identisch reproduziert werden kann. 

Auch die technischen Möglichkeiten an sich verändern natürlich die Musik

Ob analoge Instrumente irgendwann komplett von Computern und Algorithmen verdrängt werden, kann man natürlich nicht final wissen, in den nächsten 100 Jahren rechnet Lena Papasabbas aber auf jeden Fall nicht damit. Denn natürlich haben digitale Instrumente gegenüber analogen zwar Vorteile, immerhin kann fast jede*r, der*die ein Smartphone oder Laptop hat, alle möglichen digitalen Instrumente abrufen - trotzdem sind analoge Instrumente einfach eine "andere Dimension", wie Papasabbas es ausdrückt. Dasselbe gilt für Hologramme und Avatare auf der Bühne: Auch hier bezweifelt sie, dass echte Musiker*innen komplett ersetzt werden können beziehungsweise, dass daran überhaupt ein Interesse besteht.

Live-Konzerte mit echten Musiker*innen und echten Instrumenten haben ihrer Einschätzung nach also auf jeden Fall eine Zukunft - egal wie weit die technischen Möglichkeiten noch fortschreiten werden.

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