Sehnsuchtsort Berlin

Sehnsuchtsort Berlin

Das Interview mit Katja Lucker vom Musicboard Berlin

Berlin gilt schon seit jeher als Anlaufstelle für Kreativschaffende und nimmt damit deutschlandweit nach wie vor eine Vorreiterrolle ein, dessen Ruf der Freiheit viele Kulturinteressierte Menschen folgen.

Doch woher kommt dieses Bild der Kulturstadt mit grenzenlosen Möglichkeiten und ist da was dran oder handelt es sich um ein veraltetes Klischee? Katja Lucker ist Vorsitzende vom Musicboard Berlin und Direktorin des jährlich stattfindenden Pop-Kultur-Festivals, auf dem diverse Künstler*innen eine Bühne finden.

Im Interview mit egoFM Elise hat Katja Lucker unsere Fragen beantwortet und Tipps gegeben, auf wen wir diese Jahr beim Festival besonders achten sollten.
  • Katja Lucker über den Sehnsuchtsort Berlin
    Im Interview mit egoFM Elise


Big in Berlin

"Denn auch wenn andere Städte scheiße sind und ich damit komplett alleine bin, will ich nicht nach Berlin!", sang einst Felix Kummer, Frontman der Chemnitzer Band Kraftklub. Er beschreibt damit ein Phänomen, dass gerade viele kunstschaffende Leute früher oder später den Weg in die Hauptstadt suchen. Ein Trend, der schon seit jeher existiert.

Denn Berlin war schon immer Sehnsuchtsort

Der Traum der Großstadt, große Ziele und grenzenlose Möglichkeiten... Tatsächlich bietet Berlin gerade in diesem Feld eine Menge, was anderswo schwer zu finden ist. Mit seinen über 300 Veranstaltungsstätten ist die Stadt so breit aufgestellt wie kaum eine andere. Auch was den persönlichen Freiraum angeht bietet Berlin eine gute Möglichkeit, sich selbst zu entfalten. 
"Hier musst du nicht schick angezogen sein. Berlin ist eine Stadt, die die Leute erstmal so sein lässt, wie sie sind." - Katja Lucker
Gerade der queeren Szene bietet Berlin dadurch die Chance, sich selbst öffentlich auszuleben, was in vielen anderen Städten immer noch mit einem komischen Blick quittiert wird. Viele Kulturschaffende finden vor allem Anschluss, Akzeptanz und die Möglichkeit, sich mit ähnlichen Menschen zu vernetzen, auszutauschen und sich weiterzuentwickeln. Gerade für Musiker*innen stellt das einen enormen Reiz dar, da neben den spielbaren Auftrittsmöglichkeiten eine breite Szene an Mitmusiker*innen, Produzent*innen, Tonstudios und allem anderen was so benötigt wird, existiert. Auch der lange Zeit bezahlbar gebliebene Wohnraum spielt dabei eine Rolle. 
"Viele Musiker kommen tatsächlich weltweit hierher, auch weil die Mieten immer noch einigermaßen bezahlbar sind. Das ändert sich gerade massivst. Berlin hat wahnsinnige Probleme was steigende Mieten, Gentrifizierung und alle diese Themen anbelangt und es wird immer schwerer." - Katja Lucker


In seiner Entwicklung zum Kulturstandort wurde Berlin vor allem durch seine Geschichte geprägt

Namhafte Leute wie David Bowie oder Iggy Pop ließen sich zeitweise in der Stadt nieder. Auch gab es eine große Punkbewegung, die in Clubs wie dem SO36 einen wichtigen Anlaufpunkt hatten. Wenn es jedoch eine Musikrichtung gibt, mit der sich die Stadt bis heute identifiziert dann ist es der Techno. Diese hielt nach dem Mauerfall in Berlin Einzug und ist seitdem aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Gerade der Aspekt der nicht existenten Sprachbarriere des Genres war ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs, der durch Festivals wie die in Berlin gegründete Loveparade oder nach wie vor bestehende Clubgrößen wie das Berghain oder Tresor weiterlebt.

Auch die Entstehung der Kulturszene spielt dabei eine große Rolle

"Die Leute haben sich einfach Orte genommen, die du einfach besetzen konntest, die also herrenlos waren und du konntest da einfach eine Galerie machen, einen Club und so ist dieses ganze Wilde, Verrückte entstanden. Es wurde nicht reguliert, es gab keine Verwaltung, keine Polizei, keine Politik die gesagt hat: 'So müsst ihr das machen'. Es war eine wilde, coole Zeit, die allerdings ganz klar vorbei ist." - Katja Lucker
Aufgrund der eintretenden Regulierung durch Polizei und Staat wurde damals eine sogenannte "Clubkommission" gegründet, welche zwischen Clubbetreiber*innen, Anwohner*innen und Funktionär*innen vermittelt, um für die Rechte der Kulturszene einzustehen und deren Fortbestand zu ermöglichen. Denn auch politische Themen sind in der Szene prägnant und sichtbar. Die bereits angesprochene Punkbewegung fand in der Stadt seinen Ursprung und auch aktuelle Themen wie die Black Lives Matter-Bewegung und das Ausleben der sexuellen Freiheit finden hier im Rahmen von Aktionen, Festivals und anderen Veranstaltungen öffentlich statt.

Das Pop-Kultur-Festival Berlin

Eine Bühne dafür bietet das Pop-Kultur-Festival, bei dem Katja Lucker als Direktorin mitwirkt. Besonders die öffentliche Einbindung von Menschen, die im durchschnittlichen Kulturkontext nicht mit eingebunden oder benachteiligt sind, ist den Veranstalter*innen dabei wichtig. 
"Wir arbeiten mit Menschen mit Behinderung auf und hinter der Bühne, also auch Bands wie zum Beispiel 21 Downbeat oder Station 17, zusammen. Wir wollen unser Festival barrierefrei haben - das heißt: Alle Menschen haben Zugang." - Katja Lucker 
Um das umzusetzen, werden auf dem Festival Teppiche ausgelegt und Audiodiskreptionen für Gehörlose bereitgestellt. Dass das Line Up aus mehr als 50 Prozent weiblichen und nonbinären Acts zusammengestellt ist, ist für Katja eine Selbstverständlichkeit, da dies auf dem Festival schon seit jeher praktiziert wurde. Trotz dem Mehraufwand der den Organisator*innen durch Corona gemacht wurde, findet das diesjährige Festival in einer Hybridform aus Streams und Live-Veranstaltungen vom 25. bis 28. August statt. Ein besonderes Augenmerk ist dabei laut unserer Interviewpartnerin die Stipendiatin vom Musicboard Berlin, Andreya Casablanca. Auch die Musiker*innen Tara Nome Doyle und Sophia Kennedy sind vertreten, so wie der Künstler Drangsal, der sein Release-Konzert vom neuen Album im Rahmen des Festivals geben wird.

Ein diverses Festival also, das das abbildet, wofür Berlin am Ende vor allem steht - Diversität und Toleranz.





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