Streaming-Plattformen und lineares Fernsehen

Streaming-Plattformen und lineares Fernsehen

Ein Blick in die Zukunft

Wir beschäftigen uns diese Woche mit dem Thema Fernsehen und werfen dafür mit Medienwissenschaftler Dr. Schwaab mal einen Blick in die Zukunft.

Wie wird sich Fernsehen und Streaming entwickeln? Noch interaktiver, realer, mehr-dimensionaler? 


Dr. Schwaab ist Dozent für Medienwissenschaften an der Uni Regensburg und zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Fernsehgeschichte und Television Studies.

  • Dr. Schwaab über die Zukunft des Fernsehens
    Das Interview zum Nachhören

Vom Familienereignis zum Einzel-Event

Früher hat das Fernsehen Familien zusammengebracht. Heute werden Serien zunehmend spezieller und Programme, die ganze Familien, Generationen oder auch Nationen ansprechen, wurden und werden immer seltener.

Natürlich gibt es noch Paare und Freund*innen, die bewusst zusammen Serien anschauen und auch Sport, Politik und Shows ziehen die Menschen nach wie vor (kollektiv) vor den Fernseher. Auch in Zeiten der Coronakrise fällt das auf:

"Wenn was passiert, was die Menschen betrifft, was ihnen Angst macht und ähnliche Dinge, dann ist das immer noch etwas, das mit dem Fernsehen eng verknüpft ist. Dann schauen die Menschen auch Fernsehen, das ist mein Eindruck." - Dr. Herbert Schwaab 

Trotzdem beobachtet Dr. Schwaab in den letzten 20 bis 30 Jahren einen Vereinzelungsprozess beim Fernsehen.

Was (immer noch) gut funktioniert: Reality TV-Formate und Klassiker wie der Tatort

Zum einen ist Reality TV (gerade in Zeiten der Not) von Seiten der Sender sehr gefragt, da es sehr günstig zu produzieren ist, erzählt Dr. Schwaab. Zum anderen können diese Sendungen die Sehnsüchte der Zuschauer*innen erfüllen. Gerade in Zeiten von Corona bieten Reality TV-Formate vieles, das sonst vielleicht zu kurz kommt: Gespräche, Aufregung, Menschen bewerten und einordnen, mit anderen diskutieren.

"Das [Reality TV] ist eine sehr ursprüngliche Form von Unterhaltung, eine sehr ansprechende Form von Unterhaltung, die vielleicht auch tatsächlich in Corona-Zeiten, im Lockdown, etwas stärker nachgefragt zu sein scheint." - Dr. Herber Schwaab 

Ein Interview mit der Journalistin und Reality TV-Expertin Nana Siebert zum Thema Reality TV findest du hier.

Eigentlich ist es paradox, dass es heutzutage noch eine Sendung schafft, so viele Menschen gleichzeitig vor die Geräte zu ziehen. Das Phänomen Tatort wird aber sogar noch paradoxer, erklärt Dr. Schwaab:

Denn der Tatort ist eigentlich erst zum Klassiker geworden, als die linearen Formen des Fernsehens aufgebrochen wurden. Seitdem es durch Online-Angebote weniger verbindliche Strukturen gibt, hat sich die Gesellschaft darauf geeinigt, ihrem Wunsch nach Struktur nach zu gehen, indem sonntags um 20:15 eben Tatort geschaut wird, so Dr. Schwaab.

Ist grenzenlose Auswahl also doch nicht alles, was wir wollen?

Das würde zumindest unsere Choice Fatigue erklären - die Unlust, Entscheidungen zu treffen. Dieses Problem kann aber nicht nur durch Rituale wie Tatort-schauen gelöst werden, auch Anbieter wie Netflix haben das auf dem Schirm und deswegen Algorithmen entwickelt, die Ordnung für uns schaffen und das Angebot sehr subtil und komplex steuern. 

Streamingdienste müssen also einen Mittelweg zwischen grenzenloser Freiheit und grenzenloser Überforderung schaffen.

Die Zukunft von Fernsehen und Streaming

Technisch gesehen ist sich Dr. Schwaab nicht sicher, wie sich das Fernsehen entwickeln wird.

Zwar haben die meisten seiner Student*innen keinen eigenen Fernseher mehr in der Wohnung, aber irgendwie sehen sie dann doch noch alle fern: 

"Wer und ob die Menschen noch einen fest installierten Fernseher haben werden, das bleibt offen. Aber dass sie auf den Screens, die sie haben, so etwas wie Fernsehen schauen werden, das ist sicher." - Dr. Herbert Schwaab

Aktuell werden es immer mehr Streaming-Dienste 

Ob sich das in Zukunft so weiter entwickeln wird, oder ob es vielleicht doch irgendwann einen großen Anbieter geben wird, kann Dr. Schwaab natürlich nicht vorhersagen. Aber er gibt zu bedenken, dass Netflix natürlich unter der Konkurrenz von Disney+ und Amazon Prime leidet.

"Es kann von heute auf morgen passieren, dass Netflix einfach pleite ist. Im Grunde genommen haben sie noch nicht viel Geld eingenommen [...]. Sie wollen der einzige Anbieter sein, aber es kann jederzeit passieren, dass ihnen die Luft ausgeht und dann kann man nichts mehr von dem, was man eigentlich auf Netflix schauen wollte, weiter schauen [...]." - Dr. Herbert Schwaab

Allerdings scheint es im Moment, als würden Fernsehen und Streaming immer mehr verschmelzen, da die großen Sender inzwischen auch eine gute Internetpräsenz und umfassende Mediatheken vorweisen können.


Die Gretchenfrage bei diesem Thema ist seit Jahren die selbe: Stirbt das lineare Fernsehen aus? Dr. Schwaab sagt nein und erklärt, dass das Fernsehen sich lediglich in einem Transformationsprozess befindet und sich immer wieder verändert, aber auch in der Vergangenheit schon Veränderungen durchlaufen hat.


Und was ist mit dir? Siehst du noch "oldschool" linear fern? Oder greifst du lieber auf Streamingdienste zurück? Hast du noch einen Fernseher zuhause oder nur andere Geräte? Erzähl's uns an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per WhatsApp an die 089 / 360 550 460.

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