Lehrerin macht Social Credit-Experiment im Unterricht

Lehrerin macht Social Credit-Experiment im Unterricht

Black Mirror im Klassenzimmer

In einer Schule in Brandenburg mussten die Schüler*innen am eigenen Leib erfahren wie es ist, ständig durch andere in einem Punktesystem bewertet zu werden.

Das Experiment in der 11. Klasse lief im Januar 2019 über mehrere Schulstunden zum Thema Gesellschaft- und Medienkritik.

Die Lehrerin mit dem Twitter-Pseudonym Frau Schiller hat die einzelnen (Fort)Schritte und Ergebnisse daraus auf ihrem Twitter-Feed geteilt und hat für die Aktion viel Aufmerksamkeit im Netz bekommen.

Moment, da war doch was!

Viele fühlen sich vielleicht gerade an Die Welle erinnert. In dem Roman aus den 80ern geht es um ein Experiment, das einer Schulklasse beibringen soll, wie erschreckend einfach die Durchsetzung eines totalitären Systems sein kann. Die Story wurde 2008 ein weiteres Mal mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle verfilmt und war lange Teil des Lehrplans an deutschen Schulen. Im November 2019 erschien die Geschichte auch als neu verfilmte Serie weltweit auf auf Netflix.

Die Inspiration für das Experiment zog die Lehrerin aus der Netflix-Serie Black Mirror

In der Episode "Nosedive" lebt die Hauptfigur Lacey in einer Gesellschaft mit Social Credit System: Menschen bewerten sich untereinander und erhalten durch Bewertungen und Follower*innen einen Score, der ihren sozialen Aufstieg bestimmt. Eine unglückliche Verkettung von Ereignissen führt dazu, dass es für Lacey gar nicht mehr gut läuft.




Ähnlich der Bewertungspunkte in der Serie, führte Frau Schiller ein Punktesystem für ihre Schüler*innen ein und ordnete sie am Anfang der Stunde nach ihren Leistungen:


Wer während des Unterrichts mitmachte, stieg konstant in der Punkteskala auf und durfte sich nach vorne setzen, wer nicht mitmachte, wurde nach hinten gesetzt. Dann sahen die Schüler*innen einen Ausschnitt aus der besagten Black Mirror Folge. Und bekamen als Hausaufgabe die Möglichkeit, weiter Punkte zu sammeln.

Die erste Reaktion der Schüler*innen?

Pfff, wir lassen uns doch nicht manipulieren. Aber dann war offenbar doch der Ehrgeiz geweckt, in dem neuen System zu glänzen:


In der nächsten Unterrichtsstunde wurde ein Schüler, der die Hausaufgaben nicht gemacht hatte, von der Lehrerin vom Unterricht ausgeschlossen und musste vor dem Klassenraum auf dem Flur sitzen. Spätestens jetzt würde jeder von uns denken - "ähm, hallo, geht's noch?" Aber die Klasse war total im Experiment versunken und machte bereitwillig weiter mit. Die Moral von der Geschicht? Die gab's dann am Ende des Unterrichts wieder am Beispiel Black Mirror:


Was die Schüler*innen nämlich aus dem Unterricht mitnehmen sollten: Die manipulative Gefahr, die von Medien ausgehen kann, liegt nicht in ferner Zukunft, sondern ist schon längst da. 



In China ist das schon teilweise Realität. 

Das eigentlich Erschreckende daran? In China ist ein ähnliches Social Credit System wie in Black Mirror tatsächlich in der Testphase. Daten aus Polizeiakten oder von Bildungseinrichtungen sollen da genauso einfließen wie das Suchverhalten im Internet und die Daten der Krankenkassen.



Welches Fazit ziehen die Lehrerin und ihre Schüler*innen aus dem Experiment? 



Auch wenn das Verhalten der Schüler*innen in diesem Experiment natürlich relativiert werden muss und sie nur zu grundlegend positivem Verhalten animiert wurden, zeigt es doch, wie bereitwillig wir uns Bewertungen unterwerfen (wollen).


Die Botschaft, ein System immer kritisch zu hinterfragen, ist wohl angekommen. Unterricht mal anders. Finden wir ziemlich clever.

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