Wie geht man mit Verschwörungserzählungen um?

Wie geht man mit Verschwörungserzählungen um?

Pia Lamberty im Interview mit egoFM Elise

Warum Menschen, die an Verschwörungserzählungen glauben weder ungebildet noch bescheuert sind und wie man am besten mit ihnen spricht, erzählt Pia Lamberty.


Von Nischen in den Mainstream

Reptilienmenschen oder Chemtrails. Das waren vor ein paar Jahren noch die nischigen Verschwörungstheorien. Mittlerweile sind Verschwörungserzählungen durch Corona mehr in den Vordergrund beziehungsweise sogar in den Mainstream gerutscht. Wie sich solche Theorien über die Jahre entwickelt haben und was gegen Verschwörungen hilft, weiß Sozialpsychologin Pia Lamberty.
  • Über die Entwicklung und den Umgang mit Verschwörungserzählungen
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Reflexion und Selfcare statt Wut

Pia Lamberty ist Wissenschaftlerin und Sozialpsychologin und forscht seit Jahren zu Verschwörungsideologien und -erzählungen. Sie hat mit Katharina Nocun die Bücher Fake Facts: Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen und True Facts: Was gegen Verschwörungserzählungen wirklich hilft geschrieben und die Organisation CEMAS gegründet, die sich mit der Verbreitung von Verschwörungen im digitalen Raum beschäftigt. Was macht das mit einem, wenn man sich so viel mit solchen Erzählungen beschäftigt? Natürlich reflektiere sie viel darüber, aber habe über die Jahre auch Strategien entwickelt, wie sie am besten damit umgeht. Pia schaut dann abends nicht etwa noch Dokumentationen über Verschwörungstheoretiker*innen, sondern seichte Unterhaltung oder mal eine Folge Friends. Gerade für einen Teil ihres Jobs, nämlich unter anderem die Analyse von Verschwörungstheorien, sei es wichtig, eben nicht sofort wütend zu werden oder besonders emotional zu reagieren, sondern ein bewusster Umgang und auch Selfcare.



Die Entwicklung von Verschwörungserzählungen

Mit Reptilienmenschen, Chemtrails oder Querdenker*innen fängt die Geschichte der Verschwörungserzählungen übrigens nicht an. Bereits seit Jahrhunderten gebe es Verschwörungserzählungen, meint Pia. In Krisenzeiten erleben sie immer wieder eine Hochkonjunktur, sei es die Pest im Mittelalter, für die oft Jüd*innen verantwortlich gemacht wurden oder der Nationalsozialismus, der stark von antisemitischen Verschwörungstheorien geprägt war. Ob eine Marionettenregierung in den 80er-Jahren oder der angebliche Bevölkerungsaustausch bei Pegida, immer finden sich irgendwie irgendwo irgendwelche Verschwörungen. Ob es heutzutage mit Social Media mehr geworden sind, kann Pia nicht sagen. Allerdings sei ihr etwas anderes aufgefallen:
"Ich glaube, was schon passiert ist, ist, dass es internationaler noch mal geworden ist […]. Und dass eben auch sehr nischige Dinge sichtbarer werden. Vor dem Internet wusste man dann vielleicht nicht, dass es Leute gibt, die an Reptiloide glauben, jetzt kann man Facebookgruppen finden und dabei live zusehen quasi." – Pia Lamberty

Nicht verrückt oder dumm, sondern feindselig

Oft besteht die Annahme, dass Menschen, die an solche Theorien glauben, dumm oder verrückt sind. Das sei aber nicht das Ergebnis der Forschung, berichtet Pia. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen Intelligenz und dem Glauben an Verschwörungen. Stattdessen sei es oft kollektiver Narzissmus, dass man denkt, die eigene Meinung und die eigene Gruppe seien besser.
"Was es ja eher ist, ist eine Art Vorurteil gegenüber denen, die man als mächtig wahrnimmt. Denen traut man alles zu, die werden zu Feindbildern, da geht’s nicht mehr um legitime Kritik […], sondern alles wird personalisierter und auf die da oben projiziert." – Pia Lamberty



Zum Umdenken bringen

Wenn man als Einzelperson jemanden zum Umdenken bewegen will, solle man sich bewusst machen, dass das keinesfalls eine leichte Aufgabe ist. Ansonsten, so Pia, sei die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass man sich verausgabt und frustriert und/oder wütend wird. Wenn jemand ideologisch auch schon relativ gefestigt ist und viel Zeit auf Telegram oder Protesten verbringt und seinen Freund*innenkreis in diese Richtung geht, gebe es dafür auch relativ wenige Möglichkeiten. Es brauche vor allem einen Moment des Zweifelns oder einen ideologischen Bruch. Wenn jemand noch nicht "so tief drin" und noch ansprechbar ist, schlägt Pia vor allem eine Faktendiskussion, aber vor allem auch Fragestellungen vor:
"Was würdest du denn zum Beispiel brauchen, um einer Impfung zu vertrauen? Dass man quasi nicht glaubt, man muss jetzt selber Überzeugungsarbeit leisten und die besten Argumente bringen, sondern die Person in die Bringschuld bringen und zu sagen, was fehlt dir denn gerade?" – Pia Lamberty
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Digitale Zivilcourage

Das kann man auch online. In einem ihrer Bücher spricht Pia über digitale Zivilcourage. In digitalen Räumen seien Menschen genauso Teil einer Gesellschaft, wie offline. Wenn man hier also sieht, dass Desinformationen oder gar antisemitische Dinge verbreitet werden, sei es wichtig, auch hier zu reagieren und das Gesagte beziehungsweise Geschriebene nicht unwidersprochen zu lassen. Allerdings komme es auch immer auf das strategische Verständnis von Gegenrede an. Wenn jemand mit wenig Reichweite solche Inhalte verbreitet, pushe eine Gegenrede diese nur noch mehr. In dem Fall schlägt Pia vor, dass dann entweder den einzelnen Websites mitzuteilen oder zum Beispiel Hassmelden zu benachrichtigen, damit der Algorithmus nicht noch mehr Menschen diese Postings anzeigt. Vor allem aber wenn eine Person persönlich angegriffen wird, sei es wichtig, immer zu reagieren. Egal ob online oder offline.



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