Meilensteine der Medizingeschichte

Meilensteine der Medizingeschichte

Weltverändernde Durchbrüche in der Medizin

Von  Phia Rauchhaus
Wer heute 80 Jahre alt ist, ist weit älter, als bei dessen Geburt erwartet.In nur einer Lebenszeit ist die Lebenserwartung der Deutschen um rund 20 Jahre dank des medizinischen Fortschritts gestiegen. Wir stellen dir hier einige weltverändernde Durchbrüche in der Medizin mal etwas genauer vor.


Von Penizillin bis Viagra: Wie medizinische Entdeckungen unser Leben verändert haben

Der medizinische Fortschritt hat unser Leben in vielerlei Hinsicht revolutioniert. Von der Entdeckung des ersten Antibiotikums bis hin zu bahnbrechenden Innovationen in der Bildgebung und der Behandlung von Krankheiten – jede dieser Entdeckungen hat uns neue Möglichkeiten eröffnet, Krankheiten zu bekämpfen und die Lebensqualität zu verbessern. In diesem Artikel erfährst du mehr über die faszinierenden Geschichten hinter einigen der wichtigsten medizinischen Durchbrüche und die Menschen, die sie möglich gemacht haben:
  • Meilensteine der Medizingeschichte: Penizillin
  • Meilensteine der Medizin: Pockenschutzimpfung
  • Meilensteine der Medizin: Röntgenstrahlung
  • Meilensteine der Medizin: Viagra
  • Meilensteine der Medizin: Desinfektion


Die bahnbrechende Entdeckung von Penizillin: Ein Glücklicher Zufall

Nicht jede medizinische Entdeckung ist die Frucht von Jahren der gründlichen Forschung – manche Entdeckungen sind ganz einfach glückliche Zufälle.

Der bekannteste Glückspilz der Medizingeschichte ist wahrscheinlich Alexander Fleming. In den 20er-Jahren forscht der Schotte an Staphylokokken. Während der Sommerferien ließ Alexander Fleming eine infizierte Petrischale auf seinem Schreibtisch liegen. Als er dann aus dem Urlaub zurückkehrte, sah er, dass auf dem Nährboden ein Schimmelpilz gewachsen ist – und er staunte: Rings um den Pilz hatten sich die Staphylokokken-Bakterien nicht vermehrt!

Alexander Fleming hatte damit lebensrettende Penizillin entdeckt, das erste Antibiotikum. Damit war er aber eigentlich nicht der Erste. Der Wiener Theodor Billroth hatte die bakterienhemmende Kraft des Penicillium-Pilzes schon mehr als 50 Jahre früher beschrieben. Alexander Flemings Wiederentdeckung aber kam damals zum perfekten Zeitpunkt: "Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs suchten die Amerikaner*innen nach einem wirksamen Medikament gegen Wundinfektionen, und Penizillin wurde die Lösung. Hinter der Front kam Penizillin so zum ersten Mal in großen Mengen zum Einsatz. Es waren dann der Pathologe Howard Florey und der Biochemiker Ernst Chain, die Penizillin zum ersten Mal als Medikament testeten. Zusammen mit Fleming erhielten sie nach Kriegsende den Nobelpreis der Medizin.

Gemeinsam bewiesen die drei: Manchmal ist es nicht systematische Forschung, sondern der glückliche Zufall, der in den richtigen Händen die größten wissenschaftlichen Erfolge hervorbringt.

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Die Geschichte der Pockenimpfung: Wie Edward Jenner die Medizin revolutionierte

Es ist eine bekannte Tatsache: Wer die Pocken überlebt, infiziert sich nie mehr. Der Engländer Edward Jenner beobachtete aber noch etwas: Schon wer die ungefährlichen Kuhpocken übersteht, scheint auch gegen die gefährlichen Menschenpocken immun zu sein.

Jenner machte, was heute verboten ist und startete einen Erstversuch am Menschen. Ende des 18. Jahrhunderts infizierte er den achtjährigen Sohn seines Gärtners über einen Schnitt am Oberarm mit den Kuhpocken. Der Junge erkrankt wie geplant und als er wieder gesund war, folgte dann der riskantere Teil des Experiments. Wieder ritzte Jenner den Arm des Jungen an, dieses Mal injizierte er aber das Sekret von Menschenpocken. Der Junge blieb dabei verschont – er war nun gegen beide Pockenarten immunisiert.

Edward Jenner führte die Pockenimpfung an vielen weiteren Kindern durch, auch seinen eigenen 11 Monate alten Sohn. In den Folgejahrzehnten fand Jenners Impfmethode enormen Anklang – auch weil er auf ein Patent verzichtete. So ließen sich Hunderttausende in Europa und den USA mit den Kuhpocken impfen.

Auch der amerikanische Gründervater Thomas Jefferson war einer von Jenners vielen prominenten Bewunderer*innen. Er schrieb: "Die Medizin hat noch nie zuvor eine einzige Errungenschaft von so großem Nutzen hervorgebracht […]. Künftige Nationen werden nur aus der Geschichte wissen, dass es die abscheulichen Pocken je gegeben hat."

Und genauso kommt es: Dank Massenimpfung gingen Infektionszahl und Sterblichkeit drastisch zurück, bis die Pocken schließlich im Jahr 1980 von der WHO offiziell für ausgerottet erklärt wurden.


Die Entdeckung der Röntgenstrahlung: Wilhelm Conrad Röntgens Meilenstein

Die Uni Würzburg am Abend des 23. Januar 1896: Der Hörsaal, der heute Röntgen-Hörsaal heißt, war prallvoll und eine aufgeregte Anspannung lag in der Luft. Wilhelm Conrad Röntgen würde seine Sensationsentdeckung, die geheimnisvollen X-Strahlen, zum ersten Mal vor Publikum präsentieren und die medizinische Bildgebung revolutionieren...

Aber ganz von vorn: Er selbst hatte sie zwei Monate früher zum ersten Mal gesehen, als er in seinem Labor mit einer Hittorfröhre, die hochenergetische elektromagnetische Strahlung aussendet, experimentierte. Röntgen deckte die Hittorfröhre dabei mit dicker schwarzer Pappe ab, aber die Strahlen drangen einfach hindurch. Er war wie elektrisiert, verließ sein Labor wochenlang kaum, lebte und schlief auf Arbeit und experimentierte unermüdlich weiter mit den Röntgenstrahlen. Papier, Holz und Stoff konnten die Strahlen nicht abschirmen, Platin und Blei aber schon. Schließlich hielt Röntgen seine eigene Hand in die Strahlung – und staunte: Auf Film entwickelte sich ein perfektes Bild vom Inneren seiner Hand – das erste medizinisch bahnbrechende Röntgenbild.

Die Nachricht von Röntgens Entdeckung verbreitete sich in nie gekanntem Tempo über die Welt und bald gab es Röntgengeräte in Massen, auch für den Privatgebrauch. Röntgen selbst blieb bei allem Rummel eher zurückhaltend und sagte einmal:
"Wo viel Röntgenlicht ist, muss auch Röntgenschatten sein."

Er behielt recht: Erst Jahrzehnte nach seiner Entdeckung erkannten Forschende die Risiken der Röntgenstrahlung – sie ist hoch krebserregend. Wilhelm Conrad Röntgen selbst starb mit 77 Jahren an Darmkrebs, seine Entdeckung aber überdauert ihn. Dank Röntgen sieht sich der Mensch zum ersten Mal von innen – ein absoluter Meilenstein.

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Die Erfindung von Viagra: Ein Durchbruch in der Behandlung erektiler Dysfunktion

"Obwohl ich es wirklich wollte und das Mädchen auch - ich konnte aus meinen erschöpften Teilen nichts mehr herausholen"

...schrieb schon der römische Dichter Ovid. Impotenz ist vielleicht die am längsten erforschte medizinische Beschwerde und bis vor wenigen Jahrzehnten gab es trotzdem kein wirksames Mittel dagegen.

Dann testete Anfang der 90er-Jahre der amerikanische Pharmakonzern Pfizer einen neuen Wirkstoff gegen Herzbeschwerden, die Ergebnisse waren allerdings mäßig. Deshalb waren die Forschenden vollkommen überrascht, als sich einige Probanden nach Studienende weigerten, das Präparat wieder rauszugeben. Sie berichteten von einer ungeahnten Nebenwirkung: Dank der neuen Pille waren ihre Penisse häufiger und länger steif.

Pfizer brachte das Medikament als Potenzmittel auf den Markt und gab ihm einen neuen, klangvollen Namen: Viagra. Die kleine blaue Pille machte Pfizer im Alleingang zu einem der umsatzstärksten Pharmaunternehmen der Welt und brachte dem Konzern Milliarden ein. Für viele Männer ist das Medikament lebensverändernd: Es löst nicht nur in der Hose und im Ehebett eine Revolution aus, sondern auch in der Gesellschaft. Der Diskurs über erektile Dysfunktion – diesen neuen, wertfreien Namen erfand Pfizer extra – ist heute deutlich schambefreiter als noch vor 30 Jahren – gesellschaftlich ist deshalb die Erfindung von Viagra ein Meilenstein.

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Die Entdeckung der Desinfektion: Ignaz Semmelweis und die Rettung der Mütter

Denken wir an Pionier*innen der Medizin, dann kommen uns vielleicht die Namen Alexander Fleming – Entdecker des Antibiotikums, Conrad Röntgen – Erfinder des Röntgengeräts – oder Robert Koch – Begründer der Bakteriologie in den Sinn. Weit weniger bekannt ist der vielleicht wichtigste Mediziner der Geschichte: Ignaz Philipp Semmelweis.

Ende des 19. Jahrhunderts arbeitete er als Assistenzarzt an einer Geburtsklinik in Wien. Die Klinik hatte zwei Abteilungen: In einer arbeiteten Ärzte und Medizinstudierende, hier starb etwa eine von fünf Frauen am sogenannten Kindbettfieber. In der anderen Abteilung, wo Hebammen arbeiteten, lag die Sterblichkeitsrate viel niedriger.

Semmelweis wollte herausfinden, woran das lag und nach Monaten der Beobachtung und des Grübelns erkannte er endlich die Ursache: Die Mediziner und Studierenden sezieren am Vormittag noch Leichen und gingen dann oft ohne Händewaschen nebenan in den Kreißsaal, wo sie am Nachmittag Gebärende untersuchten. Das Resultat: Die Keime der Toten nahmen sie dabei einfach mit.

Semmelweis handelte umgehend und wies seine Studierenden an, Hände und Instrumente vor jeder Untersuchung mit Chlorkalk zu reinigen – mit durchschlagendem Erfolg: Die Sterblichkeitsrate fiel auf unter zwei Prozent.
Seine Mediziner-Kollegen aber erkannten Semmelweis' Erkenntnisse nicht an. Sie waren tief gekränkt vom Vorwurf, sie wären am Tod der Frauen schuld und machten Semmelweis deshalb lächerlich und lieferten ihn schließlich sogar in eine psychiatrische Klinik ein. Hier starb er dann unter ungeklärten Umständen.

Erst als Jahrzehnte später eine neue Ärzte-Generation heranwächst, setzen sich Semmelweis' Hygiene-Standards durch. Er trägt inzwischen den Beinamen "Retter der Mütter", seinetwegen ist Händewaschen heute auch im Alltag eine Selbstverständlichkeit.

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