Wie ein Insta-Account zur Stimme der Stadt wurde

Wie ein Insta-Account zur Stimme der Stadt wurde

Phil vom Münchner Gesindel über virale Videos & die Zukunft Münchens

Erst ein Meme, dann ein Movement: Wer in München lebt, kommt am Münchner Gesindel nicht vorbei. Hinter dem Account steckt Phil. Im Interview spricht er mit uns über seine Mission und großen Pläne.

Das Interview mit Phil vom Münchner Gesindel

Wer München kennt, kennt's Münchner Gesindel. Wer es nicht kennt, hat entweder keinen Internetanschluss oder lebt vorm Giesinger Berg ohne Empfang. Phil, der Kopf hinter dem erfolgreichsten Insta-Account der Stadt, hat sich Zeit genommen für ein Gespräch über Meme-Macht, Medienpolitik, Münchenliebe.
  • Phil vom Münchner Gesindel
    Über Viralität und Visionen

Vom Gag zur Institution

Seit 2019 ballert er fast täglich Videos raus, die irgendwo zwischen Kneipenstammtisch, Jugendkultur und Alltagswahnsinn liegen. Viral geht es dabei regelmäßig, zum Beispiel mit einem Clip von der Wiesn: Zwei Kellner und eine Industriespülmaschine. Der eine packt den anderen an den Beinen, schiebt ihn kopfüber durch das brummende Ungetüm - der dann am anderen Ende wieder auftaucht. Klatschnass, aber grinsend. Die Lederhose trieft, das Hemd klebt, doch die Stimmung ist auf Maximum. So absurd, so lokal, so sehr München, dass es fast schon wieder Kunst war. Die Wirtin des Zeltes war natürlich gar nicht amused darüber, dass dieses Video hochgeladen wurde und beteuerte, dass dies überhaupt nicht Gang und Gäbe sei. Das war jedoch nicht das, was Müncher Gesindel im direkten Austausch mit anderen Wiesnmitarbeiter*innen herausfand - der Schub durch die Spülmaschine sei durchaus was regelmäßig, weil es sich dabei um ein Aufnahmeritual für neue Kellner*innen handelt. Und eben genau das macht den Instagram-Account besonders: Es wird nicht nur gepostet, sondern auch beobachtet und kommentiert und aufgedeckt. 

Eine beeindruckende One Man Show

Was viele nicht wissen: Der Account wird hauptsächlich von Phil alleine betrieben, auf einem einzigen Handy. Videos bekommt er zuhauf, mal 30 im Monat, mal 50 am Tag. Dass trotzdem nur ausgewählte Clips online gehen, liegt an seinem Gespür für Viralität und einer klaren Linie: Kein Fremdscham, kein Bloßstellen, kein unnötiges Drauftreten.

Weil an diesem Account mittlerweile mehr hängt als Likes und Shares und Münchner Gesindel auch Netzwerk, Community-Plattform und nicht zuletzt Einnahmequelle für Phil ist, war der Schock ganz schön groß, als er plötzlich mal gesperrt war. Ohne Vorwarnung. "Existenzbedrohend", sagt Phil heute, dem dadurch auch ein bisschen die Vergänglichkeit des Internets bewusst wurde. Auf dem Erfolg des Accounts ausruhen will er sich deshalb nicht.



Zwischen Politik und Popkultur

Münchner Gesindel soll mehr sein als virale Ablenkung. Phil positioniert sich. Nicht parteipolitisch, aber deutlich. Wenn in München mal wieder Jugendkultur stirbt, weil irgendwo ein Grundstück verkauft oder eine Bar dichtgemacht wird, dann gibt's ein Meme. Eins, das sitzt. Phils Macht mit mehreren Hunderttausend Follower*innen kann auch das Münchner Rathaus nicht verleugnen. 

Phil hat deswegen Visionen

Keine größenwahnsinnigen, sondern konkrete: In zehn Jahren sieht er sich in der Politik. Im Stadtrat. Vielleicht sogar irgendwann mal als Bürgermeister. Er spricht regelmäßig mit Stadträt*innen, trifft sich mit dem zweiten Bürgermeister, hat eine klare Haltung zur Stadtentwicklung. Weniger Bürokratie, mehr Kultur, mehr Lebensqualität - vor allem auch für Leute, die nicht mit 4.000 Euro Monatsgehalt durchs Glockenbach flanieren können.



Aus der Stadt, für die Stadt

Münchner Gesindel ist längst kein einfacher Meme-Account mehr, sondern ein Spiegel der Stadt. Phil gibt dem digitalen München damit ein Gesicht. Und vor allem eine Haltung. Eine, die sich nicht anbiedert, sondern einmischt. Die sich nicht über die Leute stellt, sondern mit ihnen lacht, fühlt, kämpft. Für Räume, in denen Kultur lebt. Für Menschen, die sonst keine Lobby haben. Für ein München, das mehr ist als Immobilienpreise und Imagepflege. Der Account ist sein Werkzeug, die Community sein Rückgrat. Und genau diese Gemeinde hat und wird er auch nie vergessen, wenn er mal im Stadtrat sitzt.

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