5 Zeitschriften, die es noch geben sollte

5 Zeitschriften, die es noch geben sollte

Ein Nachruf auf Spex, Intro, DE:BUG, Juice und die Neon

Von  Viktoria Molnar
Ist die glorreiche Zeit der Zeitschrift eigentlich endgültig vorbei? Wir erzählen dir von fünf abgesetzten Magazinen, die wir wirklich vermissen.
  • NEON
    5 Zeitschriften, die es noch geben sollte
  • DE:BUG
    5 Zeitschriften, die es noch geben sollte
  • Juice
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  • INTRO
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  • Spex
    5 Zeitschriften, die es noch geben sollte

NEON

Farbiger Rahmen. In Schwarzer Blockschrift vier Buchstaben, die das Lebensgefühl einer ganzen deutschen Generation prägten - einer Generation auf der Suche nach dem Erwachsenwerden. Die NEON versuchte 15 Jahre lang den immer gleichen Fragen auf den Grund zu gehen. Die Fragen der irgendwie-20 Jährigen. Die Chefredaktion der Neon schrieb im Juni 2003:

"Rede ich bereits wie meine Eltern? Ist mein Partner der Mensch, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will? Und wie bleibe ich trotz all der Alltags-Scherereien locker?"
- Also Fragen nach dem richtigen Erwachsenwerden. Auf die fand die NEON auch nach 15 Jahren gekonnt genau keine Antworten.

Das Ich und das eigene Leben war in der NEON-Version immer ein bisschen besser als das echte selbst. Weil: strukturierter, zielstrebiger, aber auch gefühlvoller. Und trotzdem war die Optimierung nie mit einem Zwang verbunden: Mach es so oder so ooooder vielleicht ganz anders. Typisch Millennials eben. 

Von 2003 bis 2018 fand der Mitt-zwanziger das DinA-4 Heft am Kiosk: Und dann war Schluss mit Reportagen und ehrlichen Kontaktanzeigen à la "Ich hasse Telefonate". Das Printmagazin wurde eingestellt und das nützlichste Unnütze Wissen gibt es jetzt nur noch Online - Hummer urinieren sich übrigens während eines Kampfes gegenseitig ins Gesicht, um ihren Kontrahenten zu beeindrucken. Auch mit diesem Wissen sind wir wahrscheinlich trotzdem nicht erwachsener geworden.

DE:BUG

Zuerst nannte sie sich Buzz, dann Re:Buzz und schließlich DE:BUG. Die ersten Ausgaben der Berliner Techno- und Technik-Zeitung kamen von der Optik und vom Papier daher wie eine zu bunt geratene Tageszeitung. Titelseite gerastert, mit Bildern und kleinen Artikeln. Einige davon farblich hinterlegt. Mit diesem seriös wirkenden und ungewöhnlichen Look -  für eine Techno-Zeitschrift zumindest - wollte sich die DE:BUG von den vorangegangen Konsorten abheben. 

Den Macher*innen der DE:BUG war damals schon klar: mit dem Millenium stand ein neues Zeitalter vor der Tür und das sollte geprägt sein: vom Internet. Deswegen ging es in der Zeitschrift nicht nur um Techno, sondern auch um Technik und Netzkultur. Einer der Herausgeber, Anton Waldt, erklärt:

"Man hat im Techno damals sozusagen gehört, was die Technik gerade macht."

Die Texte der DE:BUG waren gewollt subjektiv und überließen den unwissenden Leser*innen meist sich selbst. Vielleicht war das einer der Gründe, dass es nach 16 Jahren und 181 Ausgaben dann vorbei war mit der Techno-Zeitung. Oder vielleicht, weil sich Leser*innen mittlerweile im Internet selbst über Techno informieren können? Anton Waldt nennt neben diesen Mutmaßungen einen anderen Grund: eine Zeitung, wie die DE:BUG sei von Anfang an nicht tragfähig gewesen. Der echte ökonomische Wille habe gefehlt.

JUICE

Sie war wie kein anderes Magazin stilprägend für die deutsche HipHop-Szene - jeder Mensch, der gerappt hat, wollte in die JUICE. Und jeder, der informiert sein wollte über die Szene, hat die JUICE gelesen. Wer einfach nur ein bisschen cooler sein wollte - der hat zumindest über sie gesprochen. Die JUICE erschien zeitweise zwischen sechs- und elfmal im Jahr. Die Interviews waren ehrlich und wirkten unzensiert: Sido sprach beispielsweise in einem Interview über den Hintergrund des ArSFXFiSFX Songs. Genug davon. In der Rubrik Battle of the ear wurden Alben von zwei geschmacklich-unterschiedlichen Seiten der Redaktion bewertet: mit eins bis sechs Kronen. Nur 27 Alben erhielten die sagenumwobene Höchstwertung von 6 Kronen. Unter anderem zweimal Casper, Kendrick Lamar und zuletzt Trettmann.

"Things done changed on this side" rapt Notorious B.I.G, womit die JUICE ihr Ende verkündet. Nach 22 Jahren und 195 Ausgaben gibt es sie jetzt nur noch in digitaler Form. Die Rapper*innen, denen sich die HipHop-Fans damals mit der JUICE näher fühlen wollten, sind heute auf Instagram vertreten. Vermeintlich unverfälschter, als es eine Zeitschrift je hätte zeigen können. Nun stellt sich die Frage, was ist authentischer - die Selbst- oder Fremddarstellung?

INTRO

27 Jahre lang ließ uns dieses Magazin in musikalische und popkulturelle Welten eintauchen. Mit Interviews, Gesellschaftskritiken und Modestrecken. Die erste Ausgabe der INTRO erschien 1991, zuerst in Osnabrück; dann deutschlandweit. Das Ganze for free. Beim Torkeln aus dem Club konnten sich die investierten Nachtschwärmer*innen an einer frischen Ausgabe der INTRO festhalten. Die ließen sie nicht mehr los, bis sie in der Regionalbahn nach Hause eingeschlafen waren.

In langen Interviews zeigte die INTRO Künstler*innen unverfälscht und echt. Und manchmal war die Gesprächssituation besser als der eigentliche Inhalt: Der Künstler Rummelsnuff sollte auf dem Melt! Festival interviewt werden. Er stieg aus dem See, komplett nackt, zog sich eine Mini-Unterhose über und begrüßte die Interviewerin mit den Worten: "Der Käptn ist bereit!"

Auch Online hatte die Intro einiges zu bieten: "In Platten vor Gericht" erklärte Heinz Strunk zum Beispiel, dass er nicht verstehe, was manche Musiker*innen zu ihrer Musik bewege:

"Gibt es so der Art Hunderte, Tausende, dass ich das nicht so richtig checke, ob die das extra auch machen wollen. Ich sehe die künstlerische Notwendigkeit nicht, solche Songs zu machen."

SPEX

Ob Punk, New Wave, HipHop, Techno oder Rave: Wer ab den 1980er Jahren mit Pop-Musik sozialisiert wurde und wissen wollte, was es damit auf sich hatte, der kam an der Spex nicht vorbei. Benannt wurde sie nach der englischen Punk-Band X-Ray Spex. Von den goldenen 80ern an sah die Zeitschrift es als ihre dringlichste Aufgabe, den besseren Geschmack, das coolere Wissen und die politisch korrekteste Weltanschauung zu vermitteln. Wobei sie meist weniger vermittelte, als dozierte: Mit Schreibweisen, die nicht gerade leicht zugänglich waren - manchmal sogar unverständlich, schloss sie diejenigen aus, die nicht Bescheid wussten. Die Spex habe laut Mitgründerin Clara Drechsler aber auch nie als Außenstehende über Popkultur schreiben wollen. Vielmehr habe sie sich als Teil der Popkultur gesehen. Mit einer Auflage von 25.000 Exemplaren blieb die Spex zwar immer Nischenprodukt, trotzdem war ihr Einfluss enorm. Mit dem Ende der Printausgabe 2018 und der Online-Ausgabe 2020, ging auch eine Ära des pointierten Nachdenkens über Pop zu Ende. Nach 38 Jahren und 384 Ausgaben. Und vielleicht starb mit ihr auch ein Stückchen Coolness.

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