Zehn Kunstdokus für umme

Zehn Kunstdokus für umme

Kunst genießen ohne vor die Tür zu müssen

Wer bei Kunst nur an verstaubte Gemälde wie die Mona Lisa oder durchgedrehte Ohrenabschneider wie Van Gogh denkt, kann sich mit den folgenden zehn Dokus mal eines Besseren belehren lassen.


Jean-Michel Basquiat - Popstar der Kunstwelt

Die Dokumentation Basquiat – Popstar der Kunstwelt aus dem Jahr 2017 von David Shulman geht den Mythen um den Street-Art-Künstler Jean-Michel Basquiat auf den Grund und verhandelt nicht nur das hippe idealisierte Leben in der Subkultur in New York der 80er Jahre um Andy Warhol, Madonna oder auch Blondie, sondern geht tieferen Fragen auf den Grund, rund um das selbstzerstörerische Selbst eines schwarzen Künstlers, der sich in einer weißen Welt bewegt – gerade der elitäre Kunstmarkt kann diese Ungleichheiten nicht verbergen. Er verhandelt Themen, die wieder aktueller sind als je davor.

Heute sind seine Bilder mehrere Millionen Dollar wert und hängen in den renommiertesten Museen weltweit. Ein intensives Leben, jetzt in Film gebannt und auf ARTE bis zum 19. November 2018 gratis streambar.


Die Doku kannst du dir in der arte-Mediathek anschauen.



Francis Bacon – A Brush of Violence

Der wichtigste britische Maler des 20. Jahrhunderts Francis Bacon ist nicht nur bekannt für seine dunklen, existentiellen und sehr brutalen Malereien, sondern auch für sein Künstlerdasein zwischen Exzentrizität und Exzess – ein Bild, das er selber auch kultiviert und festigen wollte.


Die Doku schafft's trotzdem, ein bisschen unter die Maske blicken und die Fassade ein wenig bröckeln zu lassen und mehr von diesem einzigartigen brillanten Werk und Menschen freizulegen, in dessen Bilder der Schmerz und die Angst einer ganzen Nachkriegsgeneration steckt und die sich trotzdem problemlos auf unsere gesamte menschliche Verfassung übertragen lassen können – zeitlos in der Emotion, universell spürbar, auch für uns heute.

 Von BBC jetzt auch für uns im freien Netz auf YouTube:





Beltracchi – Die Kunst der Fälschung

Jetzt wird es philosophisch, aber keine Sorge, nichts zum Gähnen – auch Verbrechen, die Polizei und viiiiiel Geld ist mit dabei – um die 20 bis 50 Millionen Dollar circa, um genau zu sein. Um wen geht es wohl? Um den größten Kunstfälscher der deutschen Nachkriegsgeschichte, Wolfgang Betracchi. Uns eröffnet es aber auch Fragen wie: Was bedeutet Kunst denn eigentlich? Nur die Idee, also das Urheberrecht oder reicht auch schon die künstlerische Praxis?

Betracchi hat es auf jeden Fall geschafft, die ganze Kunstmaschinerie mal gehörig auf den Arm zu nehmen und sich selbst um einiges reicher zu machen:
„Es ist einfacher ein Bild für eine halbe Millionen zu verkaufen, als für 10.000. Da glaubt einfach keiner mehr, dass es nicht echt ist.“

►Das gibt's jetzt als Film von Arne Birkenstock auf deutschem Netflix zu gucken, wem das ganze elitäre Kunstgehabe sowieso schon auf den Wecker geht.



Andy Warhols Chelsea Girl auf 4:3 Boilerroom TV 

4:3 Boilerroom TV ist das Netflix von Boileroom, der uns schon lange mit den besten DJ-Sets versorgt. Eine kostenlose Anmeldung reicht und man bewegt sich im Underground zwischen illegalen Raves und Sun Ra – na ja, zumindest werden sie in spannenden Dokumentationen aufgedröselt. Klar, dass auch Andy Warhol in diesen Bereich eingeordnet werden kann, trotz Weltruhm und millionenschweren Preisen seiner Bilder.

Viele Werke des Künstlers sind eben doch noch nicht völlig ausgepresst, wie zum Beispiel auch das legendäre Serie über die sogenannten Chelsea Girls – Bewohner des berühmten Chelsea Hotels im Jahr 1966 in New York City, die der Factory-Gründer vor der Kamera bloßstellt.

►Die Doku jetzt auf Fourthree Boilerroom.tv



Marina Abramovic in Brazil: The Space in Between

Die sogenannte Großmutter der Performancekunst Marina Abramovic auf einem Selbstfindungstrip nach Brasilien, um die eigene Kreativität herauszufordern und geistliche Erweckung zu finden.

Marco Aurélio Del Fiol dokumentiert die Künstlerin auf ihrem Weg, auf dem sie sich absichtlich immer wieder aus ihrer Komfortzone bewegt, um eigene Grenzen zu überwinden und hinter sich zu lassen – ein Heilprozess, um ihren derzeitigen Lebensabschnitt besser zu verstehen.

Der Popstar Abramovic kann sehr glamourös sein, macht Projekte mit Jay-Z oder geht auf Parties mit Naomi Campell. Hier aber zeigt sie sich aber von einer ganz anderen Seite, sie öffnet sich komplett, liefert sich aus und versteckt nicht die intimsten Emotionen und Erlebnisse vor dem Zuschauer.

►Miterleben kannst du das Ganze auf Amazon Prime.



Egon Schiele auf ARTE

"Ich habe zweifellos furchtbare Bilder gemalt, aber glauben die wirklich, dass ich es mit Absicht getan habe? Nur um das spießige Bürgertum zu erschrecken? Das war nie der Fall. Aber es gibt Gespenster, die aus einem Verlangen heraus entstehen und ich habe diese Gespenster gemalt. Nicht weil es mir Freude machte, sondern weil ich es musste."

Es geht ans Eingemachte: Anlässlich zum 100. Todestags des Wiener Malers Egon Schiele untersucht die Doku das Leben dieses Mannes, der innerste Verlangen brutal auf Leinwand freigelegt hat und trotzdem als Mensch sehr undurchsichtig war. Ein Versuch, die Verknüpfungen, die Schieles Werk ermöglichten, festzuhalten – Herbert Eisenschenks Film geht unter die Haut.

►Bis zum 19. November in der arte-Mediathek.



 LE CINEMA CLUB mit The Eye was in the Tomb and Stared at Daney

Erstmals keine direkte Dokumentation, sondern eine weitere Streaming-Seite für Kunstinteressierte: Da Kurzfilme im kommerziellen Hollywood so gut wie keinen Nährboden haben, gibt es jetzt eine neue Plattform mit einem Pool mit wechselnden unterschätzten Kurzfilmen und Dokumentationen, die jeweils eine Woche online gestellt werden.
Diese Woche (vom 26. Oktober bis zum ersten November) präsentiert der Club der Cineasten den Film The Eye was in the Tomb and Stared at Daney von Chloé Galibert-Lainé, ein Essay über die Macht von Geräuschen, um Stimmungen hervorzurufen – passend zu Halloween natürlich.

► Zum Cinema Club hier lang.



Ai Wei Wei auf The Art Assignment

Ein weiterer Kunst-Channel auf YouTube, produziert von PBS Digital Studios, der uns von Established-Artists wie Frida Kahlo und Andy Warhol zu den neusten Aufsteigern wie Kanye West alle wichtigen Köpfe in der Kunstwelt vorstellt.

Die Idee sind Bildungsvideos, die uns verschiedenste Alternativen zur Herangehensweise an die Kunst bereiten und den Blick auf den kreativen Prozess und das Machen lenken – kein verstaubtes Wiederaufbereiten von alten Meistern, alles aus einem modernen Blickwinkel.


Dieses kurze Video verhandelt den chinesischen Konzept-Künstler und Bildhauer Ai Wei Wei, der immer wieder durch regierungskritische Aktionen ins Rampenlicht kommt und seit 2015 in Berlin gelebt hat.

Was macht ihn denn so besonders, die Stimme der ungerecht Behandelten und angstfreie Menschenrechtsaktivist, dass er sogar ein Einreiseverbot für China bekommen hat?






Saving Banksy

Bei Kunstdokus darf Banksy natürlich auch nicht fehlen, das Mysterium um seine Person wirft auch wirklich zu viele spannende Fragen auf. Illegal besprüht der Künstler Wände, was aber in diesem Fall niemanden wirklich stört – im Gegenteil, illegal werden seine Werke dann auch wieder von den Wänden entwendet.
Der Preis der Anonymität und des Mythos ist hoch:

Colin M. Day beleuchtet in 70 Minuten das Millionengeschäft der Kunstdiebe und Auktionshäuser, von deren Einnahmen der echte Banksy natürlich keinen Cent bekommt. Was ist denn jetzt nun die Straftat?


►Auf Netflix.




Frida Kahlo – Wilde Tage in Coyoacán

In ihren Lebzeiten eher die Begleitung ihres berühmten Mannes, ist Frida Kahlo jetzt eine der heute wohl meist gefeiertesten Frauen der surrealistischen Kunst:

Ob auf T-Shirts oder Postkarten, ihr Gesicht in typisch blumiger Ummalung schmückt mittlerweile alle möglichen Fanartikel. 


Ihre Kunst selbst verschwindet deswegen leicht hinter der idealisierten Figur der charismatischen Mexikanerin, die in ihrer Heimat schon als Heilige verehrt wird, von den Amis als Symbol der Frauenbewegung instrumentalisiert wurde und in Frankreich mit ihrem einzigartigen Kleidungsstil Eindruck machte.
Aber wie immer verfehlt das öffentliche Bild die Realität.

In der LIDO BR-Doku Wilde Tage in Coyoacán versucht Angelika Lizius hinter die Fassade Frida Kahlos zu blicken, die teils selbst kultiviert, teils auch von der Öffentlichkeit aufgesetzt wurde – wir lernen ihre schmerzbeladenen Malereien besser zu verstehen und zu entschlüsseln, was in ihnen steckt.


►Anschauen kannst du die Doku in der ARD-Mediathek. 



Auf jeden Fall einiges zum nachholen für die kalten Monate. 

Design ❤ Agentur zwetschke