Ein Safe Space für weibliche Geflüchtete

Ein Safe Space für weibliche Geflüchtete

Flüchtlingscamp-Helferin Judith über ihre Arbeit in der Casa Base

Judith war als freiwillige Helferin in einem Flüchtlingscamp in Griechenland. Sie hat dort vor allem mit Frauen und Mädchen gearbeitet, für die es in der Casa Base spezielle Rückzugsorte und Freizeit- und Bildungsaktivitäten gibt.


Das Camp Diavata

Judith war diesen Winter zwei Mal über die Organisation Quick Response Team als freiwillige Helferin im Flüchtlingscamp Diavata. Das Camp ist 20 Kilometer von Griechenlands zweitgrößter Stadt Thessaloniki entfernt und aktuell leben dort knapp 2.000 Menschen in verschiedenen Bereichen.

Es gibt einen sehr improvisierten Bereich mit kleinen Zelten und Planen und einen Bereich mit deutlich größeren Zelten, vor allem abgelaufenen Militärzelten der UN. Die meisten Menschen leben allerdings in Containern - meist zwei Familien pro Container. 

Neben dem Camp Diavata gibt es die Casa Base, ein Safe Space mit Freizeit- und Bildungsangeboten speziell für Mädchen und Frauen.

  • Flüchtlingscamp-Helferin Judith über die Casa Base
    Im Gespräch mit egoFM Max

Ein Rückzugsort für weibliche Geflüchete

Die meisten Geflüchteten im Camp Diavata kommen aus Afghanistan und dem Irak, aber auch aus Pakistan, dem Iran oder aus Marokko. In diesen Kulturkreisen herrscht oft ein grundsätzliches Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern, weswegen die Casa Base so wichtig ist, sagt Judith.

Sie betont, dass es natürlich wie überall auf der Welt liberale und weniger liberale Familien gibt, dass die Jungen im Allgemeinen aber meist mehr Bildung, Aufmerksamkeit und Freiheiten erfahren.

In der Casa Base geht es deswegen mal nur um die Mädchen und Frauen.

An einem solchen Rückzugsort können die Frauen zum Beispiel auch mal das Kopftuch etwas lockerer tragen und die Mädchen unbeobachtet TikTok-Videos drehen und Selfies machen. 
"Die Idee ist es, dass sie [die Frauen und Mädchen] sich wohl und sicher und auch frei und unbeobachtet fühlen und einfach mal unbedarft das machen können, worauf sie Lust haben." - Judith

Die Angebote in der Casa Base verändern sich mit den Helfer*innen 

Immer mit dabei sind aber Sprachkurse, vor allem in Englisch und Deutsch. Ansonsten wechseln die Angebote und reichen von Yoga, über Basketball bis hin zu Zauberei. Je nach dem, was die freiwilligen Helfer*innen eben anbieten können.  So entsteht in der Casa Base ein sicherer Raum für weibliche Geflüchtete, in dem für ein paar wenige Augenblicke die Last vom Leben in den Flüchtlingslagern als Mädchen und Frauen vielleicht etwas in den Hintergrund rücken kann und ein wenig Abwechslung geboten wird.

Mit eines der wichtigsten Angebote ist ein Fotografie-Workshop:

Diese Kurse werden von Mattia Diboli angeboten. Er ist Kriegs- und Krisenfotograf und schafft in der Casa Base mithilfe der Fotografie wichtige Aufarbeitungsarbeit.

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Fluchtunterschiede zwischen Männern und Frauen

Wenn Familien gemeinsam flüchten, unterscheiden sich die Geschichten zwischen Mann und Frau kaum. Allerdings gibt es auch einige Mütter, die mit ihren Kindern allein im Camp sind, weil die Männer vorausgegangen sind.
"Viele Männer fliehen auch alleine und sind nur für kurze Zeit im Camp, um dann weiter die Balkanroute zu machen. Das ist auf jeden Fall etwas, das [kaum eine] Frau macht, weil diese Route über Land einfach zu heftig ist." - Judith


Corona hat natürlich auch Auswirkungen auf die Lage in den Flüchtlingscamps

Als Judith vor Ort war, gab es positive Corona-Fälle im Camp Diavata, weswegen alle Geflüchteten unter Quarantäne standen und das Camp nicht verlassen durften. Dementsprechend durften sie auch nicht selbst einkaufen oder zur Apotheke gehen, was dann Judith und andere Helfer*innen dann übernommen haben. Das ist selbstverständlich keine einfache Situation für die Camp-Bewohner*innen.
"Man kann sich ja vorstellen: In so einem Camp ist die Situation manchmal ja eh schon relativ angespannt und wenn man dann nicht mal das Camp verlassen darf, dann kann das sehr gefährlich werden - auch das Aggressionspotential steigt dann natürlich, weil sich die Leute noch mehr eingesperrt fühlen." - Judith

Wie in den Camps mit Corona umgegangen wird, hängt aber natürlich immer von der Anzahl der positiven Fälle und dem Umgang der Camp-Leiter*innen ab.



Helfen können wir von überall 

Vor allem Geldspenden helfen den Organisator*innen von Flüchtlingscamps für ihre Arbeit vor Ort. Weniger hilfreich hingegen sind Sachspenden wie Kleidung. Die ist meist zu Genüge vorhanden und die überflüssigen Spenden stellen die Organisationen vor große Probleme, da auch diese sortiert und weitervermittelt werden müssen.

Am Ende ist Judith vor allem eins wichtig: Es gibt auch in Deutschland viel zu tun

"Natürlich kann nicht jeder nach Griechenland fliegen und Freiwilligenarbeit leisten, aber viele viele Flüchtlinge haben es ja "geschafft" - in Anführungsstrichen - und sind jetzt in Deutschland und hier kann man sich genauso engagieren. Also Flüchtlingsheime anschreiben, dort Nachhilfe geben, den Leuten bei Behördengängen helfen, Kinder betreuen. Es gibt wahnsinnig viel zu tun - in jeder Stadt." - Judith 

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