Eine Diskussion über Freiheit und Sicherheit

Eine Diskussion über Freiheit und Sicherheit

Jurist und Kolumnist Heribert Prantl im Interview

Ist Sicherheit notwendig, um sich frei zu fühlen oder muss der Mensch frei sein, um sich sicher zu fühlen? Wir haben über genau diese Fragen mit Heribert Prantl gesprochen, der schon immer für Grundrechte und -freiheiten eingetreten ist.

Er ist Kolumnist und Autor bei der Süddeutschen Zeitung, hat Recht, Geschichte und Philosophie studiert und ist Honorarprofessor für Rechtswissenschaft an der Uni Bielefeld. Außerdem war Heribert Prantl drei Jahre Richter und drei Jahre Staatsanwalt. Inzwischen ist er seit 34 Jahren politischer Journalist.
  • Heribert Prantl zum Thema Freiheit
    Das Interview zum Nachhören

Für Herr Prantl  ist vor allem die Pressefreiheit wichtig.

"Pressefreiheit heißt deswegen Pressefreiheit, weil die Presse die Freiheit verteidigen soll und heute gilt es [...] die Freiheit gegen das Corona-Virus zu verteidigen." – Heribert Prantl

Um die Freiheit zu verteidigen, müssen die Grundrechte geschützt werden. Dass Ausgangs- und Kontaktsperren in dieser Dauer und Intensität grundrechtsverträglich sind, glaubt der Journalist nicht:
"Demokratie lebt vom mündigen Bürger. Da kann man vielleicht mal kurzfristig einen Mundschutz anordnen, aber wenn die Beschränkungen entmündigend wirken, dann ist das fatal und brutal." – Heribert Prantl

Sicherheit zu garantieren ist Staatsaufgabe

Die Tendenz, die Sicherheit über die Freiheit zu stellen, beobachtet Heribert Prantl in der BRD seit Jahrzehnten. In der Vergangenheit wurden Ausnahmegesetze - zum Beispiel nach dem Terror der RAF oder im Zusammenhang des islamistischen Terrors nach 9/11 – zu Normalgesetzen.
"Ich habe die große Befürchtung, dass die Grundrechtseinschränkungen, die unglaublich massiv sind, [...] sich veralltäglichen." – Heribert Prantl

Der Deckmantel der Gesundheit

Nicht alles, bei dem gesagt wird, dass es der Gesundheit dient, dient auch wirklich der Gesundheit, glaubt Herr Prantl. Eine Mundschutzpflicht hat für ihn vor allem den Hintergrund, etwas sichtbar werden zu lassen – die Mundschutzpflicht sieht er als psychologisches, nicht als medizinisches Vorgehen.

Tracking-Apps und Immunitätsauswiese sind für Herrn Prantl Schritte in den Überwachungsstaat.

Aber wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu verlieren, oder?


Diesen Satz hört Heribert Prantl zwar oft, hält ihn aber für grundsätzlich falsch. Die Geheimdienste bekamen in der Vergangenheit große Kompetenzen, sich Informationen zu beschaffen. Heribert Prantl ist der Meinung, dass es durchaus passieren kann, bei einem Job abgelehnt zu werden, weil der Bundes- oder Landesverfassungsschutz darüber informiert hat, dass man zum Beispiel gerne auf Demonstrationen geht. Das ist ein Nachteil durch die Überwachung, obwohl man eben eigentlich nichts zu verbergen hat.

Die Nutzung einer solchen App basiert laut Prantl außerdem auch nicht auf Freiwilligkeit.

"Freiwilligkeit, in einer Zeit, in der die Angst massiv ist, in der die Menschen Angst haben, in der Hysterie herrscht – in dieser Zeit gibt es keine Freiwilligkeit. Freiwilligkeit ist auch die Freiheit von Angst und nur angstfrei kann ich mich frei entscheiden" – Heribert Prantl

Und auch der soziale Druck, eine solche App zu installieren, wäre enorm hoch, gibt Heribert Prantl zu bedenken. Wenn diese App dann noch mit Erleichterungen im Alltag verbunden ist, hat das für ihn mit Freiheit auf jeden Fall überhaupt nichts mehr zu tun. 

Widerstand und Protest 

Um die Freiheit zu wahren, soll jede*r den Mund aufmachen und sich an Demonstrationen beteiligen, wenn Maßnahmen zu weit gehen, sagt Heribert Prantl.

"Was hier passiert ist in den letzten sieben, acht Wochen, war auf ganz eklatante Weise nicht nur unsensibel, sondern verfassungswidrig. Ein Verstoß gegen die Hauptnorm unseres Grundgesetzes, die Würde des Menschen ist unantastbar." Heribert Prantl

Der Jurist in ihm empfiehlt in diesem Fall zu klagen. Prantl selbst hätte auch schon in den letzten Wochen geklagt, wenn er zum Beispiel seine Mutter im Heim nicht hätte besuchen dürfen - die ist allerdings bereits verstorben.

 "Für die alten Menschen ist es die letzte Phase ihres Lebens und sie in der letzten Phase ihres Lebens allein zu lassen ist menschenunwürdig, ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde." - Heribert Prantl

 Was sollte also zu erst kommen: Freiheit oder Sicherheit?

 "Letztlich ist es tatsächlich so, dass der Mensch frei sein muss, um sich sicher zu fühlen und um sicherheitseinschränkende Maßnahmen in der Massivität abzulehnen, wie es geboten ist." - Heribert Prantl

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