Linus Volkmann bei egoFM

Linus Volkmann bei egoFM

Von Identitätsfindung durch Musik und "Penis Line Ups"

Welche Musik Musikjournalist und Autor Linus Volkmann am meisten geprägt hat und was er von einer Frauenquote bei Festivals hält, erzählt er im Interview.


Musik als täglich Brot

Jede*r hat sie: die Songs, die einem viel bedeuten, weil man sie in den schönsten oder auch in den traurigsten Zeiten gehört hat, die einen beim Studium begleitet oder bei einer Trennung über Wasser gehalten haben. Wie viel Musik kann, weiß auch Linus Volkmann. Er ist Autor, hat mehrere Podcasts und schreibt als Musikjournalist unter anderem für den Musikexpress – beschäftigt sich also quasi jeden Tag mit Musik.
  • Linus Volkmann im Interview
    Von Identitätsfindung durch Musik und "Penis Line Ups"
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von Linus Volkmann (@linusvolkmann)


Neue Kicks

Auch wenn er für seinen Job ganz viel Musik konsumiert, versucht Linus, es nicht nur als seine Arbeit zu sehen. Vielmehr will er Neues mitkriegen und sieht es als Angebot für neue Kicks abseits der eigenen Klassiker, an denen man oft so hängt.

"Musik ist für mich immer ein Verstärker von Emotionen" – Linus Volkmann

Für Linus hat Musik aber nicht nur deshalb viel Macht. Auch die Tatsache, dass sie die eigenen Emotionen verstärkt und er darüber einen besseren Zugang zu sich selbst bekommt, ist für ihn faszinierend. Man habe die Möglichkeit, an eigene Empfindungen und Antriebe zu kommen, die einem sonst verschlossen sind. Man könne im eigenen Gehirn etwas aufmachen.

Musik ist immer identitätsstiftend

Durch Musik konnte Linus nicht nur zu seinen eigenen Emotionen finden, sondern auch zu sich und seiner Identität. Er wuchs in einem Dorf auf, in dem es nur wenig Subkultur gab. Trotzdem wollte er natürlich seine eigene Identität finden. Musik half ihm zu sehen, was möglich ist und wie man sich gestalten kann.

"Duran Duran, das war halt so eine andere Form von Männlichkeit, da hab ich über die Musik dann gesehen, was möglich ist. […] Auf dem Dorf denkt man, man muss tough sein, um da mitzumachen und dann siehst du halt solche Welten in der Musik und das hat mich natürlich unheimlich gepusht." – Linus Volkmann

Abgrenzung aber mit Sympathie

Die Abgrenzung von was anderem findet Linus völlig legitim. Immerhin gehört das ja auch zur Identitätsfindung dazu. Mit seiner Musik dürfe man sich als etwas Besseres fühlen. Aaaber:

"Wenn man das natürlich so weit ausagiert, dass es unsympathisch wird, also der Superchecker, der alles nicht gelten lässt und nur irgendwie diesen männlichen Genie-Kanon von Kraftwerk [oder] Bob Dylan einem an den Kopf schmeißt, dann ist es natürlich auch wieder doof." – Linus Volkmann



Musik verstärkt gesellschaftliche Entwicklungen

Ob Enyas "Only Time", bei dem einen direkt Bilder von 9/11 in den Kopf schießen oder "Looking for Freedom", bei dem wir uns nicht nur David Hasselhoff auf der Bühne, sondern auch die zahlreichen Menschen auf der Berliner Mauer nach dem Mauerfall vorstellen: Es gibt Songs, die verbindet man direkt mit einem bestimmten Ereignis.

Linus erinnert sich vor allem an die Zeit, zu der Helmut Kohl abgewählt wurde und woraufhin dann gleichgesellschaftliche Lebensgemeinschaften als Vorläufer der Ehe für alle möglich waren. Gerade Acts wie Freddie Mercury spielten dabei eine große Rolle, dass Homosexualität ihren Platz fand. Oft verstärkt Musik positive gesellschaftliche Entwicklungen. Vor allem queeren Personen verschaffte sie so Sichtbarkeit.



Penis Line Ups, nein danke!

Aber auch für Sichtbarkeit, beziehungsweise von Gleichberechtigung für Frauen in der Musik setzt sich Linus ein. Ob das Southside, Rock am Ring oder Rock im Park: Gerade die großen Festivals strotzen oft nur so vor männlichen Künstlern im Lineup. "Liebevoll" bezeichnet Linus sie als Penis Line Ups. Deshalb ist er auch für für eine Frauenquote auf der Bühne – natürlich unter Miteinberechnung einiger Faktoren:

"Ich denke, man muss sehen, dass es eine Entwicklung gibt, auch einen Bedarf. Und diese großen Festivals, das sind jetzt Dinosaurier, das Publikum wird da alt mit den Foo Fighters und die wird man nicht mehr begeistern können für Dua Lipa. […] Und dementsprechend hab ich mich verabschiedet von dem Gedanken, da könnte man noch ganz viel umwälzen bei diesen großen Festivals. Die sollen einfach ihr Ding in den Hafen fahren und irgendwann ist es vorbei und dann [gibt es] schon eben sowas, wie's beim Primavera ist, also Festivals, die den Zeitgeist repräsentieren wollen. Und die, die das nicht wollen, müssen halt dann weiter mit ihren Jungs das machen." – Linus Volkmann


Vor allem gehe es Linus um Repräsentation. Wenn man also einmal ein weniger männerlastiges Line Up hätte, könnte man schon sehr viel anstoßen. Denn unabhängig vom Geschlecht könne jede*r etwas Faszinierendes auf die Bühne bringen. Linus schaut gerne dahin, wo etwas passiert. Denn Musik öffnet Zugänge. Zu sich selbst, zu Gefühlen oder zu positiven gesellschaftlichen Entwicklungen.

Design ❤ Agentur zwetschke