Wie die Alten die Zukunft der Jugend verkacken

Wie die Alten die Zukunft der Jugend verkacken

Meinung: Die älteren Generationen entscheiden über die Zukunft der Jungen

Von  Kaja Lübeck
Was sich politisch verändert, liegt vor allem in den Händen der Alten - dass es eine Wende braucht, haben aber in erster Linie die jungen Menschen verstanden... Haben die alten Generationen zu viel Macht?


Überschuss an älteren Menschen

Deutschland befindet sich im demografischen Wandel. Die geburtenstarken Jahrgänge werden immer älter und es kommt immer weniger Nachwuchs nach – unsere Gesellschaft überaltert und so auch die Wählerschaft. Die 18- bis 29-Jährigen machen nur gut 14 Prozent der Wahlberechtigten aus, die über 60-Jährigen bringen es dagegen auf rund 37 Prozent. Das hat sich in der Bundestagswahl 2021 gezeigt. Und dieser Zustand wird in Zukunft noch extremer.

Unterschiede zwischen Erstwähler*innen und Erfahrenen

Viele Menschen in meinem Umfeld durften letztes Jahr zum ersten Mal wählen. Die allermeisten haben dieses Privileg genutzt und waren sich ihrer damit einhergehenden Verantwortung bewusst. Deshalb haben sich viele aber auch überfordert gefühlt, weil sie bei diesem besonderen Moment - das erste Mal politisch Einfluss nehmen zu können - unbedingt alles richtig machen wollten.

Bei den erfahrenen Alten hat man dagegen eher den Eindruck bekommen, sie haben einfach dasselbe wie bei den letzten zehn Wahlen auch gemacht. Bloß nicht am Status quo rütteln, dann könnte ja alles viel schlimmer werden – oder eben vielleicht besser, aber mit dieser alles-bleibt-so-wie-es-ist-Mentalität werden wir das nicht herausfinden... Alte Menschen wählen andere alte Menschen, die so weiter machen wie bisher. Diese Angst vor Veränderung hält das Land auf, vor allem im Bereich Klimaschutz.
 

Wahl fürs Klima

Die aktuelle Legislaturperiode entscheidet darüber, ob wir das Pariser Klimaabkommen noch einhalten können - das war von Anfang an klar. In diesen vier Jahren müssten also eigentlich die Weichen dafür gestellt werden, die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern... Zu spüren bekommen werden diese Folgen vor allem die jungen Leute, also die Wähler*innen, die in der Unterzahl sind und die, die noch gar nicht wählen durften.

Ich werde voraussichtlich noch einen Temperaturanstieg von über 2,5 Grad erleben, war aber bei der letzten Bundestagswahl noch nicht wahlberechtigt. Die Menschen, die unsere Zukunft in der Hand haben, sind die Alten. Dabei geht es beim Klimaschutz längst nicht mehr nur um die Zukunft, sondern um die Auswirkungen, die wir auf der ganzen Welt - vor allem aber im globalen Süden - schon jetzt massiv spüren. Davon sind aber auch die alten Menschen bei uns nicht ausgenommen. Die Tagesschau berichtete bereits 2020, dass es hierzulande immer mehr Hitzetote gibt. 2018 sind 20.200 Menschen über 65 Jahre im Zusammenhang mit Hitze gestorben.

Das Argument, Klimaschutz könne den älteren Generationen also egal sein, weil sie ja nicht betroffen sind, zieht also eigentlich nicht mehr wirklich – außer bei wohlhabenden Menschen, die nicht in Altersarmut in einer kleinen hitzigen Wohnung leben, sondern schnell in ihren Pool hüpfen können, wenn sie eine Abkühlung brauchen.


Angst vor Veränderung und Kosten

Ein Grund dafür, dass ältere Menschen eher an der bisherigen Situation festhalten, ist vermutlich der wirtschaftliche Wohlstand. Dabei muss klar sein: Wenn man keinen Klimaschutz betreibt, weil es angeblich zu teuer ist, werden wir in Zukunft die Kosten für die Schäden durch die Klimakatastrophen tragen müssen – und nebenbei noch die Rente für die Alten. Die Kosten der Klimakrise werden also nur auf die jungen Leute verlagert, wenn man sie jetzt ignoriert. Ein Interview und ganz viele Hintergrundinfos zum Thema generationengerechte Finanzpolitik findest du übrigens hier.
 

Politisierte Jugend

Bei der Debatte um Artikel 13 stand 2019 das gesamte Internet in Flammen, Gamer*innen sind gemeinsam auf die Straße gegangen, YouTuber*innen saßen auf einmal in Talkshows und haben ihre Zuschauer*innen dazu bewegt, sich mit Politik auseinander zu setzen. Gleichzeitig wurden die Fridays for Future-Proteste immer größer, was bis heute anhält. Am Freitag fordern die Jugendlichen immer wieder bei ihren Streiks dazu auf, für ihre Zukunft zu wählen. Der Einfluss der Bewegung wurde am deutlichsten bei der Europawahl im Mai 2019, wovon die Grünen maßgeblich profitierten. Auch Rezo, der schon gegen Artikel 13 aktiv war, ist kurz vor der Europawahl mit seinem CDU-Zerstörungsvideo auf fruchtbaren Boden gestoßen. Er ist, genau wie Fridays for Future, geblieben. Im letzten Jahr hat er eine ganze Trilogie über die - zwar meist bereits bekannten, aber für junge Leute verständlicher aufbereiteten - Skandale veröffentlicht.
 
Doch genau da liegt das Problem. Von solchen und ähnlichen Aktionen wird hauptsächlich eine junge Zielgruppe angesprochen. Die meisten von ihnen haben - im Gegensatz zu vielen Alten - aber längst begriffen, dass politischer Wandel notwendig ist. Die Jugend will verändern, kann es aber nur mit der Hilfe von Älteren, da diese in der Mehrheit sind. Doch Verständnis und Unterstützung fehlt viel zu oft.
 

Solidarität von einigen Älteren

Zum Glück gibt es ein paar, die auf unserer Seite sind. Herbert Grönemeyer hat letztes Jahr zum Beispiel seine Follower*innenschaft aufgefordert, mit Rücksicht auf die Zukunft von uns jungen Menschen zu wählen. Enkelkinderbriefe.de ist eine Initiative, bei der Enkel ihren Großeltern einen Brief schicken konnten, um sie zu bitten, ihr Kreuz für den Klimaschutz zu setzen. Oder aber man hat einfach privat mit den Verwandten darüber gesprochen, was man sich bei der Wahl wünscht.
 

Mögliche Lösung

Eine Herabsetzung des Wahlalters ist meiner Meinung nach nicht die Lösung für das Problem, weil die älteren Generationen trotzdem noch einen größeren Teil der Wählerschaft bildet. Unabhängig davon bin ich trotzdem dafür, weil ich gerne schon früher an politischen Entscheidungen teilgehabt hätte. Ich bin ja schließlich auch von den Entscheidungen betroffen, deshalb möchte ich auch Einfluss darauf haben, wer diese Entscheidungen trifft. Ein paar Menschen aus meiner Familie haben mich letztes Jahr bei der Bundestagswahl dann stattdessen einfach gefragt, welche Parteien ich gerne im Bundestag sehen würde. Wer Kindern etwas Gutes tun will, macht am besten dasselbe in Zukunft und hört der jungen Generation endlich ernsthaft zu.

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