Wie es ist, ukrainische Geflüchtete aufzunehmen

Wie es ist, ukrainische Geflüchtete aufzunehmen

Uli Hannemann erzählt von seiner Erfahrung

Unser Kolumnist hat geflüchtete Menschen aus Ukraine bei sich zu Hause aufgenommen und erzählt, wie das ist und was man beachten sollte, bevor man sich dazu bereit erklärt.

Wir haben unserem Kollegen, der auch Schriftsteller und taz-Kolumnist ist, Fragen über seine Erfahrungen mit der Aufnahme geflüchteter Menschen gestellt. Er hat geantwortet.

Uli Hannemann über die Aufnahme Geflüchteter

Du hast in deiner Wohnung grade geflüchtete Menschen aus der Ukraine untergebracht. Wer und wie viele sind das?

"Vorausschicken muss ich, dass wir da in einer superprivilegierten Situation sind, weil meine Frau und ich zwei Wohnungen haben. Meine kleinere Zweizimmerwohnung ist mein Büro, Refugium und quasi Endlager für meinen ganzen Mist. Die konnte ich den Geflüchteten jetzt also komplett überlassen – ich muss natürlich umorganisieren und auch immer wieder dahin, um Zeug zu holen.

Bei mir sind jetzt eine Mutter, eine Großmutter und ein kleiner Junge, so acht bis zehn Jahre alt. Ich habe ein Doppelbett und eine Gästematratze, sie können es sich da mehr oder weniger so einrichten, wie sie wollen. Auf der andern Seite sind sie da aber auch ein Stück weit sich selbst überlassen."

Wie sind die Menschen zu dir gekommen?

"Ich war nicht am Bahnhof, sondern habe eines dieser Online-Vermittlungsportale genutzt. In meinem Fall Host4Ukraine, zu empfehlen ist wohl auch #UnterkunftUkraine, das ist auch deutschsprachig. Du richtest da ein Profil ein mit deinem Angebot – also was, für wie viele und wie lange –  und dann schreiben dich die Bewerber*innen an. Das war komplizierter als gedacht, weil viele wissen nicht, wie, wann und ob sie kommen, bewerben sich mehrfach und so weiter.

In meinem Fall hat der Teenager-Sohn für Mutter, Großmutter und kleinen Bruder was gesucht. Die Kommunikation war schwierig, kein Wort, wer er ist, woher sie kommen, ständig wurde alles verschoben und ich wusste nicht, warum – ich denke, er konnte halt auch nur schlecht Englisch. Aber dann hat es ja geklappt."

Was würdest du denn jemand raten, der so wie du Geflüchtete aufnehmen kann und will?

"Wenn man helfen will, sollte man sich hinterfragen: Was kann ich wirklich selbst leisten? Ich denke, es hat keinen Sinn, sich zu übernehmen. Man hilft ja auch, wenn man spendet oder mal ein paar Stunden in einem Verteilungszentrum Hilfsgüter sortiert. Ohne diese besondere Situation mit den zwei Wohnungen hätte ich höchstens mal für jeweils ein bis zwei Nächte zwei Leute aufgenommen, was bei mir ja schon bedeutet, dass ich mir selbst die Gästematratze ins andere Zimmer legen muss. So was wäre auch ein Kompromiss für andere, die nur sehr vorübergehend Menschen aufnehmen können, aber auch wollen, zum Beispiel Leute, die dann weiterreisen. So was wird ja auch ständig gesucht."

Was hat dich dazu bewegt, in der Situation zu helfen? Und wie wohnst du denn jetzt selbst?

"Ich bin ja eher nicht so der Sozialtyp. Aber wir haben nun mal diese besondere Möglichkeit mit unseren zwei Wohnungen. Klar gibt es auch Platzgründe, warum wir das so machen, aber das ist so ein Luxusproblem, dass wir es echt nicht gebracht hätten, das in dieser Situation nicht zu tun. Also nur wegen ein paar Umständen und Unbequemlichkeiten. Okay, ich zahl erstmal die Miete weiter, aber die zahle ich ja sowieso. Und so hab ich morgens noch nicht mal fremde Leute in der Küche, wo ich frühstücke. Irgendwo ist dann auch mal die Grenze erreicht, hinter der sich Nichtstun deutlich schlechter anfühlt, als etwas zu tun.



Hilfe und Solidarität für Ukraine

Wir haben hier Möglichkeiten zusammengefasst, die Menschen in Ukraine zu unterstützen.

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