Für eine Revolution der Care-Arbeit

Für eine Revolution der Care-Arbeit

Kristin im Interview mit egoFM Sebastian

Kristin vom Netzwerk Care Revolution hat mit egoFM Sebastian darüber gesprochen, wie ein neues Modell der Care-Arbeit in Zukunft aussehen könnte.


Die Krise der sozialen Reproduktion

Unter Care-Arbeit fallen alle unbezahlten und bezahlten Tätigkeiten des Sorgens und Pflegens; das können zum Beispiel Arbeiten in den Bereichen Kinderbetreuung, Haushalt, Erziehung, Bildung oder Kranken- und Altenpflege sein. Aktuell befinden sich diese Tätigkeitsfelder, die auch unter dem Begriff der sozialen Reproduktion zusammengefasst werden, in einer fundamentalen Krise. 

"Der Druck in diesem Bereich ist immer weiter angestiegen und eigentlich können wir derzeit an vielen Stellen weder für uns, noch für andere, gut sorgen und das ist für uns [das Netzwerk] eben eine fundamentale Krise, der wir an dieser Stelle begegnen wollen." - Kristin vom Netzwerk Care Revolution
  • Kristin über Care Arbeit
    Das komplette Interview zum Anhören

In unserer Gesellschaft fehlt es an Zeit und Anerkennung für unbezahlte Care-Arbeit.

Außerdem wurden viele Leistungen, die Menschen bei der Care-Arbeit unterstützt haben, in der Vergangenheit gestrichen beziehungsweise in den unbezahlten Bereich verlagert, sagt Kristin. Öffentliche Dienstleistungen wie KiTa, Schule, medizinische Versorgung, Assistenz und Pflege aber auch Wohnen müssen immer mehr privat finanziert werden - Als Folge wird Sorge-Arbeit zurück in die Haushalte verschoben, wo sie zum größten Teil von Frauen übernommen wird.

Aber auch die bezahlte Care-Arbeit steckt in einer tiefen Krise. 

Es fehlen faire Löhne, gesellschaftliche Anerkennung und gute Arbeitsbedingungen, wodurch sich soziale Ungleichheiten in Pflege- und Sorge-Jobs verfestigen. Sowohl in der bezahlten, als auch in der unbezahlten Care-Arbeit sind beispielswiese überproportional viele Frauen tätig.

Gender Care Gap

Pro Tag wenden Frauen im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer - Dieser Unterschied wird auch als "Gender Care Gap" bezeichnet. Um diese Kluft zwischen den Geschlechtern zu schließen, braucht es bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Außerdem muss die soziale Anerkennung und die staatliche Unterstützung in vielen Bereich enorm wachsen. 

Auch Arbeitszeiten spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle:


"Wir sehen tatsächlich, den Teil, den Frauen in der unbezahlten Arbeit verbringen, verbringen sie dann tendenziell nicht in der bezahlten, was auch zu schlechten Renten führt. Und bei Männern ist das eben umgekehrt. Wenn wir tatsächlich eine kurze Vollzeit hätten, dann würde sich da auch etwas umverteilen." - Kristin vom Netzwerk Care Revolution

Das Netzwerk Care Revolution will die Probleme der Care-Arbeit in den öffentlichen Fokus rücken und kämpft für eine grundlegende gesellschaftliche und politische Veränderung - Nicht umsonst tragen sie das Wort "Revolution" im Namen.


Aber: Höhere Löhne dürfen nicht dazu führen, dass Pflege teurer wird

Das Netzwerk Care Revolution sagt deutlich, dass mehr staatliche Gelder fließen müssen, um die Löhne und die Arbeitsbedingungen im Bereich der Pflege- und Sorgearbeit zu verbessern. In diesem Zusammenhang muss auf jeden Fall auch die steigende Privatisierung von Pflegeheimen und Co. rückgängig gemacht werden, sagt Kristin.

"Es gibt Pflegeheime, die sind börsendotiert - Damit wird Gewinn gemacht, damit wird Profit gemacht und dem stellen wir uns im Netzwerk eindeutig entgegen. Diesen Profit sollten wir für die Gehälter der Menschen, für die guten Pflegeleistungen und für die Patient*innen und Klient*innen verwenden. Damit wäre schon viel gewonnen." - Kristin vom Netzwerk Care Revolution



Um Care-Arbeit grundlegend zu verändern, kann jede*r seinen*ihren Beitrag leisten:

Kristin sagt, es fängt schon damit an, dass wir uns im Alltag im Umgang mit anderen Menschen solidarisch verhalten sollten. Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Älteren Nachbar*innen beim Einkaufen helfen, sich dafür einsetzen, dass es am eigenen Arbeitsplatz Kinderbetreuung gibt oder mit Politiker*innen vor Ort in Kontakt treten und beispielweise mehr Frauenhausplätze oder Kitas fordern. 

"Natürlich sind oft die Menschen, die am negativsten betroffen sind von Care-Arbeit, auch die, die am wenigsten Zeit für Aktivismus haben. Insofern rufe ich die Menschen, die ein bisschen mehr Zeit dafür haben, auf, solidarisch für andere mit aktiv zu werden, aber auch, sich immer [...] unter einander auszutauschen, was die Bedürfnisse sind und im Alltag nicht nur über Leute zu sprechen, sondern auch ganz viel mit ihnen. Ich glaube wir können nur miteinander aushandeln, wie wir Care-Arbeit besser gestalten wollen und das eben mit einer möglichst breiten Beteiligung." - Kristin vom Netzwerk Care-Revolution

Design ❤ Agentur zwetschke