Inklusion läuft prima - oder nicht?

Inklusion läuft prima - oder nicht?

Einblick in die Möglichkeiten und Schwierigkeiten

Das Thema Inklusion in der Schule polarisiert. Nicht, weil man sie für eine schlechte Idee halten würde, sondern vielmehr weil es an vielen Stellen noch an der Umsetzung hapert. Besonders in der Schule ist Inklusion ein heikles Thema. Kinder werden schließlich noch bevormundet und sind auf die richtigen Entscheidungen ihrer Erziehungsberechtigten angewiesen. Doch was ist schon richtig und falsch?


Inklusion - funktioniert das?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dem Kind Inklusion zu ermöglichen, sei es durch staatliche Programme an Regelschulen oder durch den Besuch einer privaten, reformpädagogischen Schule.
Ein Beispiel für letzteres sind die Montessori-Schulen. Dort gehört Inklusion schon längst selbstverständlich zum Alltag. Uwe Dillenz, Direktor der Würzburger Montessori-Schule, sagt:

"Die bayerischen Montessori-Schulen haben sich auf die Fahne geschrieben: 'Wir sind Schule für alle'. Egal, ob mit oder ohne Handicap und das heißt, wir sind bemüht, wirklich jedes Kind individuell zu begleiten, wie immer das dann auch aussehen mag."


Jede*r darf, niemand muss.

Laut Dillenz ist die Montessori-Schule für alle geeignet, solange sie sich wohl fühlen.

"Da mach ich aber auch keinen Unterschied zwischen Kindern mit oder ohne Handicap."



Eines der auffälligsten Merkmale, das Montessori-Schulen von Regelschulen unterscheidet, ist die Absenz von Noten.

Zumindest in Form von Ziffern. So wird der direkten Vergleichbarkeit und damit übermäßigem Konkurrenzdenken entgegengewirkt. Stattdessen gibt es eine Art Gutachten über die Mitarbeit in den verschiedenen Fächern. Trotzdem ist es ohne Weiteres möglich, verschiedene Schulabschlüsse zu erlangen.

"In der neunten Klasse füllen wir ein Übersichtsblatt aus über die Fähigkeiten des Kindes in den verschiedenen Fächern und das Schulamt quittiert dann den erfolgreichen Mittelschulabschluss."

Für alle höheren Abschlüsse kooperiert die Montessori-Schule dann mit Regelschulen, an denen Abschlussprüfungen absolviert werden. Dillenz ist der Überzeugung, dass es Regelschulen schwerer haben, besonders geistig behinderten Kindern einen Abschluss zu ermöglichen. Zu starr sind die Strukturen, zu reglementiert die Vermittlung des Stoffes.

"Wir sind jahrgangsstufengemischt, da sind zum Beispiel die Viert-, Fünft- und Sechstklässler zusammen. Das schafft schon mal eine ganz andere Situation, weil da jeder an seinen Sachen individuell arbeitet. Die Freiarbeit ist das wichtigste Unterrichtsmoment an unserer Schule."

Auf diese Weise können Schüler*innen unterschiedlicher Jahrgangsstufen voneinander profitieren und lernen über den Unterricht hinaus.

Diesem positiven Beispiel zum Trotz ist Inklusion noch immer ein viel diskutiertes Thema, dem es hinten und vorne noch an einigem mangelt. 

"Überall hört man 'Wir haben zu wenig Grundschullehrer, zu wenig Mittelschullehrer, zu wenig Förderlehrer...' Da muss man reininvestieren", sagt Dillenz. 



Inklusion - die Idee ist gut, aber wir noch nicht bereit

Im Grunde ist auch Natalie [Name von der Redaktion geändert] dieser Meinung. Die Grundschullehrerin hat in ihrer vierten Klasse zwei Kinder mit Förderbedarf. 

"Anfangs war ich begeistert, wie viel man theoretisch machen kann. […] Aber es ist oft schwierig, weil Eltern nicht mit mir an einem Strang ziehen oder nicht den Weitblick für die Zukunft haben."

Das ist auch in ihrem Fall so. Die Eltern wollen, dass ihre Kinder so normal wie möglich aufwachsen. Dass sie ihnen damit nicht unbedingt einen Gefallen tun, erkennen sie nicht.

"Für die Eltern ist es oft sehr schwierig, zu sagen 'Mein Kind braucht besondere Unterstützung'. Zu akzeptieren, dass das Kind auf einer Förderschule besser aufgehoben wäre."

Zudem sind sie sich des ungeheuren zusätzlichen Arbeitsaufwandes nicht bewusst, den Natalie mit der besonderen Betreuung der beiden Kinder hat.

Jede Unterrichtsstunde muss sie dreimal vorbereiten

Einmal für die starken Schüler*innen, einmal für die schwächeren und einmal für die mit Förderbedarf.
 
"Es reicht nicht, es auf das schwächste Niveau zu reduzieren, das muss ich sowieso bei einigen machen, sondern ich muss auf Mittel aus unteren Jahrgangsstufen zurückgreifen."

Auf die Situationen wird man im Studium nur bedingt vorbereitet. 

"Wir hatten da immer tolle, theoretische Ansätze. […] Wenn es aber Probleme von Seiten der Eltern gibt, sei es, dass sie bestimmte Dinge nicht akzeptieren wollen, dann ist man schon eher auf sich allein gestellt." 



Eltern müssen Lehrer*innen mehr vertrauen

Die Vermutung liegt nahe, dass vieles nicht nur an mangelhaften Konzepten oder Maßnahmen liegt. Man müsste den Beruf der Förder- oder Mittelschullehrkraft attraktiver machen, und sei es nur durch ein angemesseneres Gehalt. Es müssten Anreize geschaffen werden, Schüler*innen unterschiedlichster Niveaus unterrichten zu wollen, anstatt diese Aufgabe noch zusätzlich auf nicht ausreichend qualifizierte Lehrkräfte abzuwälzen.

Und vor allem sollten Eltern mehr Vertrauen in die Lehrkräfte haben. Natürlich wollen die meisten Eltern nur das Beste für ihre Kinder - doch auch sie wissen nicht immer, was dieses Beste nun eigentlich ist. Das fängt bei förderbedürftigen Kindern an, die sich wegen ihrer Eltern an einer Mittelschule abmühen und hört auf bei Kindern, die liebend gern Schreiner*in werden wollen, von ihren Eltern aber durch das Gymnasium gepeitscht werden. 

So oder so, richtige Inklusion ist kein Ziel, das sich in greifbarer Nähe befindet.

Aber immerhin ist das Thema im Bewusstsein der Menschen verankert. Und das ist zumindest ein Anfang.

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