Glücksspielsucht: "Du bist nicht mehr du selbst"

Glücksspielsucht: "Du bist nicht mehr du selbst"

Ein Interview mit einem Spielsüchtigen

Friedhelm war glücksspielsüchtig, heute ist er seit vier Jahren spielfrei. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie die Sucht sein Leben bestimmt hat.

Im Interview mit egoFM Elise erklärt Friedhelm, wie er zum Glücksspiel gekommen ist und wie er es mit viel Mühe wieder aus der Sucht heraus geschafft hat.

  • Glücksspielsucht
    Das Interview zum Nachhören

Deutschland ist der größte Glücksspielmarkt Europas

Eine halbe Millionen Menschen sind in Deutschland spielsüchtig. Ähnlich wie bei Alkoholiker*innen ist es eine Sucht, die man sein Leben lang hat.

Begonnen hat es bei Friedhelm mit dem Spaß am Spielen.


Vor seiner Sucht war er ein disziplinierter Soldat. Als er im Alter seine Pension bekam und nicht mehr regelmäßig arbeiten musste, fing Friedhelm an, mit Freunden ins Casino zu gehen. Er sagt, er habe einfach nicht darüber nachgedacht, was passieren könnte, wenn er immer weiterspielt.

Nach dem Casino kamen Spiele im Internet dazu und gegen Ende ist Friedhelm an den Spielautomaten gelandet, die wir aus Bierhallen und Bars kennen.

Am Anfang sah es natürlich so aus, als könnte man bei Glücksspielen gewinnen. Inzwischen weiß Friedhelm aber, dass das ein Trugschluss ist.


Ab wann er genau in die Sucht reingerutscht ist, kann er heute nicht mehr sagen. Aber die Sucht hat ihn über Jahre in einer Abwärtsspirale gefangen  gehalten: Friedhelm hat sich verschuldet, bei der Bank Kredite aufgenommen und bei Freunden Geld geliehen.

"Ich habe meine EC-Karten an sie [seine Lebensgefährtin] abgegeben, um mich zu schützen, aber man findet immer andere Wege, um an Geld ranzukommen. Spieler sind sehr einfallsreich." – Friedhelm

Friedhelm hat dadurch viele Verluste im Bekannten- und Familienkreis erlebt. Auch heute lebt er noch sehr isoliert. Seine Tochter hat den Kontakt zu ihm vor längerer Zeit abgebrochen. Dass seine Lebensgefährtin nach wie vor an seiner Seite ist und zu ihm hält, kann er immer noch nicht ganz glauben.
"Sowas passiert jemandem, der da reinrutscht. Du bist nicht mehr du selbst, du bist ferngesteuert." -  Friedhelm

13 Jahre hat Friedhelm gespielt

Ungefähr nach der Hälfte dieser Zeit hat er sich eingestanden, dass er ein Problem hat. Gemerkt hat er es zwar schon früher - an den Punkt zu kommen, zuzugeben, dass er Hilfe braucht, hat aber gedauert.

Friedhelm hat mehrere Maßnahmen in Anspruch genommen, um seine Sucht zu bekämpfen. Als ersten Schritt hat er sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Erst ambulant, später stationär.

"Es ist ein Kampf gegen dein eigenes Hirn." - Friedhelm

Die Therapie hat er abgebrochen und stattdessen alleine gegen die Sucht weitergekämpft. Aus den Therapiesitzungen hat er aber vor allem einen Gedanken mitgenommen: Bei Süchtigen bestehen Verknüpfungen zwischen Synapsen, die wieder gelöst werden müssen.

Das Hirn braucht drei Monate, um alte Verknüpfungen aufzulösen

So lange hat Friedhelm kaum das Haus verlassen - aus Angst, rückfällig zu werden. Zum Einkaufen hat er sich Läden ausgesucht, die weit weg von Spielhallen waren. Den ganzen Tag hatte er nur die Automaten im Kopf und nachts Alpträume mit Schweißausbrüchen.

"Das ist ein Drang, den kannst du nicht nachvollziehen. Wie ein starker Magnet." – Friedhelm

 Aber diese Zeit hat ihm geholfen: Inzwischen geht er an Spielautomaten vorbei, ohne dass sie ihn belasten.

Aber ganz vergisst das Hirn natürlich nicht...


Immer wieder hat er noch Alpträume und Gedanken ans Glücksspiel. Inzwischen ist Friedhelm 70 und wieder in therapeutischer Behandlung, um seine Psyche zu stabilisieren und die Vergangenheit zu verarbeiten. 



Petition: Keine Macht der Spielsucht

Als Betroffener macht Friedhelm auf die Petition gegen den neuen Glücksspielstaatsvertrag aufmerksam. In Deutschland wären danach ab Juli 2021 Online-Poker, digitale Roulette-Spiele und virtuelle Spielautomaten legal. Der maximale Spieleinsatz soll bei 1000 € pro Monat pro Spieler liegen und eine Sperre für Glücksspielsüchtige soll drei Monate andauern. Das würde Spielsucht stark begünstigen, fürchtet Friedhelm.

Sein abschließender Rat an alle ist es, gar nicht erst mit dem Glücksspiel anzufangen:

"Gewinnen tut man nix, das hab ich erlebt. […] Finde mal jemanden, der was gewonnen hat und damit reich geworden ist. Es gibt niemanden, jedenfalls nicht auf Dauer." – Friedhelm

Mehr Informationen und Hilfe bei Glücksspielsucht bekommst du im Internet zum Beispiel bei der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern.

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