Meinung: Lasst uns Sprache abschaffen

Meinung: Lasst uns Sprache abschaffen

…und neu aufbauen

Ob es jetzt ums Gendern geht oder verletzende Wörter: Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert wie Sprache. Unsere Autorin denkt, sie hat die Lösung - wir brauchen einen Neustart... oder? Ein kleines Gedankenexperiment...



STRG+A und Entf

Manche Artikel hier auf unserer Webseite werden ständig geupdatet. Dabei werden neue Elemente einfach in einen bestehenden Text eingewebt, was enorm viel Arbeit ersparen kann. Allerdings geht das nur bis zu einem gewissen Punkt. Nämlich bis der komplette Text wirkt wie ein Flickenteppich und es kaum möglich ist, einen logischen Lesefluss zu ermöglichen. An diesem Punkt macht nur noch eine Sache Sinn: STRG+A und Entf. Der komplette bestehende Text wird einfach gelöscht. Und neu geschrieben. Das folgende Ergebnis ist verständlicher, flüssiger, schöner. Genau das würde ich manchmal gerne mit Sprache machen. Damit meine ich nicht mal ausschließlich Deutsch, sondern alle Sprachen der Welt. Einfach löschen.

Warum? Weil es nervt. 

All diese engstirnige, empathielose Empörung, dass man gewisse Wörter, die andere Menschen verletzen einfach nicht mehr benutzen sollte - ob sie nun ableistisch oder rassistisch sind - oder diese ständigen Diskussionen übers Gendern zum Beispiel, die mit Sorgen wie: „Das macht die Sprache kaputt!“, angeführt werden. Soll sie doch kaputt gehen! 

Durch das Löschen der aktuellen Sprache könnten wir eventuell letztlich auch Probleme wie das Gendern lösen. 

Ja, es ist wahr - obwohl ich die Idee des Genderns sinnvoll finde (unter anderem, weil die positive Wirkung wissenschaftlich bewiesen ist) und die Praxis stets verteidige, finde ich es so, wie es aktuell gehandhabt wird, nicht optimal. Einfach aus dem Grund, dass das Geschlecht der Menschen dadurch in den Mittelpunkt gerückt wird. Ich persönlich fände eine wirklich neutrale Sprache, mit der sich alle identifizieren könnten, besser - nein, das ist beim generischen Maskulin eben nicht der Fall, dazu hat es viel zu starke negative Auswirkungen auf ein gleichberechtigtes Bewusstsein.
Würden wir Sprache abschaffen und neu aufbauen, könnten wir uns dahingehend eine gute Lösung überlegen. Und wir könnten Wörter erschaffen, die nicht vorbelastet sind mit diskriminierenden oder rassistischen Vorurteilen. Wir könnten zudem neue Wörter kreieren, die Dinge viel besser beschreiben oder Gefühle viel besser ausdrücken. Natürlich - neue Wörter werden am laufenden Band in unseren Sprachgebrauch geschmissen. Aber dadurch sind wir an den oben genannten Flickenteppich gekommen, der neben neuen Aufnähern auch sehr viele alte, hässliche Flecken und verblichene Stellen aufweist.

Okay, wir schaffen Sprache ab - was dann?

Würden wir die Sprache abschaffen, wäre es erstmal ruhig. Immerhin müssten wir uns erstmal Gedanken machen. Was wir wirklich sagen wollen, wofür wir wirklich Worte brauchen. Es würde zu einem viel bewussteren Sprachgebrauch kommen. Einer, der erstmal nicht missbraucht werden kann, um andere Menschen absichtlich zu verletzen. Einer, bei dem man nicht darüber grübeln muss, ob der*die Gesprächspartnerin tatsächlich nicht die Bedeutung bestimmter Ausrücke kennt, zum Beispiel jene, deren Bedeutung der Nationalsozialismus überschrieben hat - oder ob sie sie genau deshalb benutzt. Wir könnten wieder viel flüssiger miteinander reden. Und zwar gemeinsam, denn alle wären in der neuen Sprache inkludiert. Alle hätten ihren Raum. Alle ihren Respekt. Wäre das nicht toll?

Naja, ganz durchdacht ist das aber nicht

Was wäre zum Beispiel mit all unseren Kulturprodukten? All den Songs, Filmen, Büchern oder sonstigen Werken? Müssten diese auch gelöscht oder neu geschrieben werden - auch, was den Inhalt angeht? Wie sollte das gehen, wenn wir manche Wörter ersatzlos löschen? So drängen sie weitere Fragen auf: Würden wir anstatt einer Sprache nicht eher sowas wie einen überdimensionalen Euphemismus kreieren? Einer, der die düstersten Zeiten der Menschheitsgeschichte verschluckt?

Wäre das wirklich gut, all die Beweise unserer Schandtaten zu vernichten?

Ich denke nicht. Ich denke es braucht die ewige Mahnung. Wir müssen Sprache nur auch als jene ansehen und daraus lernen. Und wir müssen verstehen, dass nicht nur Sprache an uns, sondern wir auch an Sprache gebunden sind. Und kein Teil sich ohne den anderen weiterentwickeln kann. Wenn wir als Gesellschaft also Fortschritte machen müssen, müssen wir unsere Sprache anpassen. Auch auf die Gefahr hin, einen Flickenteppich zu kreieren. Der passt dann mit seinen schönen und hässlichen Stellen wenigstens zur Menschheitsgeschichte.



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