Keine Held*innen: Mythos der Piraterie

Keine Held*innen: Mythos der Piraterie

Woher kommen Rum, Holzbein und der Totenkopf?

Pirat*innen sind in unserer Popkultur hauptsächlich eine Fantasie, ein Mythos, eine Verkleidung und auf jeden Fall ziemlich romantisiert.

Die Pirat*innen in der Karibik

Die Vorstellungen, die wir heute haben gehen auf historische Pirat*innen zurück: Zum Beispiel die Pirat*innen in der Karibik, über die unsere Gästin Prof. Dr. Alexandra Ganser geforscht hat. Neben Vorträgen und Essays hat sie dazu auch das Buch Crisis and Discourses of (Il)Legitimacy in American Narratives of Piracy, 1678-1865 veröffentlicht. Im Interview mit egoFM Max erklärt sie Hintergründe der Piraterie-Symbole und räumt mit den Mythen auf.


Hinweis zum Inhalt:
In diesem Interview werden unter anderem Sklaverei und sexualisierte Gewalt angesprochen.
  • Die Piraten der Karibik
    Im Gespräch mit Prof. Dr. Alexandra Ganser

Und ne Buddel voll Rum...

Der*die klassische Pirat*in trinkt Rum, hat ein Holzbein und einen Papagei. Das ist tatsächlich historisch gar nicht falsch und hat ganz praktische Gründe: Es war sichererer Rum als Wasser zu trinken, da Wasser auf hoher See sehr schnell verderben konnte. Das Holzbein ist Relikt der gewaltvollen Auseinandersetzungen der Pirat*innen.

"Fast alle Piratenschiffe hatten so eine Vorform von einem Schiffsarzt. Oft ein ausgebildeter Tischler, der halt gut mit der Säge und mit Holz umgehen konnte und so entstanden dann auch viele Holzbeine." - Prof. Dr. Alexandra Ganser

Über den Papagei gibt es verschiedene Theorien. Eine besonders interessante ist der Einsatz des Papageien als Übersetzer beziehungsweise als Wörterbuch.

"Piraten waren ja viel unterwegs und hatten Kontakte auch mit indigenen Communities und verschieden sprachigen Bevölkerungen. Und angeblich wurde der Papagei da auch verwendet für sich ein paar Wörter auch zu merken. Ist aber vielleicht auch eine sehr kreative Theorie... . " - Prof. Dr. Alexandra Ganser

Berufswunsch Pirat*in?


Ob man nun Pirat*in wurde oder nicht, das hatte zu tun mit der Abwechslung von Kriegs- und Friedenszeiten. Während dem Krieg waren Pirat*innen oft "ganz normale" Seeleute, die in Vorformen von Navys oder für die englischen König*innen kämpften. 

"Waren dann aber zum Beispiel Friedenszeiten angebrochen, gab's dann ein rießiges Heer an arbeitslosen Seemännern, die eigentlich nur dieses eine Handwerk konnten und die sich dann der Piraterie oft zugewandt haben. Oft nicht einmal wissend, dass sie jetzt plötzlich Piraten sind denn bis die Nachricht vom Frieden in Europa durchgedrungen ist, da konnten schon einmal ein paar Monate vergehen." - Pro. Dr. Alexandra Ganser


Pirat*innen und Gewalt


Wir kennen ja vor allem den Totenkopf als Symbol der Flagge. Es gab aber auch andere Zeichen wie Speere, ganze Skelette oder Sanduhren, die auf die Vergänglichkeit des Lebens hindeuteten. Die Flaggen hatten vor allem die Funktion abschreckend zu wirken, denn der Ruf der Pirat*innen eilte ihnen voraus. 

"Denn sobald dieses Zeichen einer Piratenflagge zu sehen war, haben die meisten Schiffe also gerade Schiffe, die nicht militärische Schiffe waren, sondern Handelsschiffe Reißaus genommen und haben auf jeden Fall nicht begonnen sich zu wehren oder - und das war eigentlich oft die Strategie der Piraten - sie haben sich ergeben." - Prof Dr. Alexandra Ganser

Diese Taktik war im Endeffekt auch dazu da, Gewalt zu verhindern. Man kann sich das Piraterieleben aber trotzdem nicht besonders utopisch vorstellen. Auf den Schiffen gab es zwar durchaus nicht nur weiße Männer, wie hierarchisch geordnet wurde ist aber nicht immer eindeutig. Klar ist, dass es auf Piraterieschiffen teilweise Schwarze Sklav*innen gab. Es gibt auch Berichte über Belohnungssysteme für besonderen Einsatz im Kampf. So haben Pirat*innen, die einen Arm verloren haben, eine*n Sklavin "für ihre Tapferkeit" verliehen bekommen. Bei zwei Armen zwei und so weiter. Auch Zeugnisse von sexualisierter Gewalt gegenüber Schwarzen Sklavinnen bei Plünderungen sind bekannt.

Frauen gab es im Pirateriekosmos hauptsächlich in zwei Positionen, nämlich zum einen verkleidet als Männer...

"Entweder haben sie sich als Männer verkleidet, um sich auch zu schützen auf dem Piratenschiff. Als Frau wäre man ja doch sexueller Gewalt und anderen Formen von Gewalt mehr ausgesetzt gewesen. So ein klassisches Cross-Dressing sozusagen. Das hat auch die berühmten Anne Bonny und Mary Read gemacht. Die sind dann übrigens aus dem Kerker entkommen, weil sie schwanger waren, also manchmal hat das dann auch geholfen um nicht sofort am Galgen zu enden." - Prof. Dr. Alexandra Ganser


... und als Fadenzieherinnen an Land. Die Irin Grace O’Malley ist ein bekanntes Beispiel

"Die mehr oder weniger eine Art Managerin der Piraten war, also Plünderungen organisiert hat, Informationen gesammelt hat. An der Home Base das alles organisiert hat und natürlich auch als Unternehmerin sehr erfolgreich war." - Prof. Dr. Alexandra Ganser


Changieren zwischen Outlaw und Held*in


Letztlich geht es bei den Pirat*innen um Ökonomie. Das spielt auch bei der abschließenden Einordnung Alexandra Gansers auf die Frage, ob der*die Pirat*in ein*e Held*in, ein Outlaw oder ein*e Verbrecher*in sei, eine Rolle:

"Ein Held ist es auf jeden Fall keiner. Also Menschen, die Sklaven halten finde ich sind per se vom Heldentum ausgeschlossen. Es ist auf jeden Fall eine Outlaw Figur, die aber gerade so interessant ist, da sie eben nicht permanent eine Outlaw Figur ist, sondern auch immer wieder essenziell war für die Königshäuser. Sie auch dann wieder zu legitimieren und sie dann auch zu benutzen in den Kriegen. Also es ist so eine Figur, die immer changiert, die immer wechselt zwischen Outlaw und damals im historischen Kontext durchaus auch Heldentum." - Prof. Dr. Alexandra Ganser

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