Bon Iver - 22, A Million

Bon Iver - 22, A Million

Der Lieblingstonträger der Woche

Von  Anna Taylor
34 Minuten in Echtzeit, eine Ewigkeit im Kopf: Für das dritte Album von Bon Iver müsst ihr euch die Zeit nehmen. Und eine ganze Menge Toleranz.


22, A Million
ist kein gewöhnliches Bon Iver Album

Wer sich auf verträumten Folk eingestellt hat, wird mit knarzenden Synths, kaputten Fragmenten und der Sorge um kaputte Lautsprecherboxen konfrontiert. Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei um das mit Abstand Bon-Iverschste ihrer Diskographie und das nicht nur Wegen der Lyrics, die nach wie vor von Einsamkeit, Liebe, Kummer und Wälder handeln. 22, A Million vereint jede Idee, die in Justin Vernons Kopf herumgeistert, und jede Strömung, die ihn leitet. Es ist das Resultat einer gezwungenen Pause, die Justin Vernon für nötig gehalten hat, wie er 2012 gegenüber The Current erklärte:

"There’s so much attention on the band, it can be distracting at times. I really feel the need to walk away from it while I still care about it. And then if I come back to it—if at all—I’ll feel better about it and be renewed or something to do that." - Justin Vernon

In dieser Zeit hat sich Vernon unter anderem wieder seinen Nebenprojekten The Shouting Matches und Volcano Choir zugewandt. Hinzu kamen dann noch diverse Kollaborationen, wie etwa mit James Blake und Kanye West.

Beim neuen Album von Bon Iver kommt alles zusammen

- Das Experimentelle von Volcano Choir, das Bluesige von The Shouting Matches, das fett Produzierte von Kanye West und nicht zuletzt das melancholisch Folkige, das Bon Iver sowieso schon immer ausmachte. Dass Justin Vernon während dieser Pause auch O.C. California schaute und dadurch von Imogen Heaps "
" inspiriert wurde, können wir nur spekulieren. Die Ähnlichkeit zu Tracks wie "715 - CRΣΣKS" ist jedoch höchst interessant.

Unüberhörbar ist jedoch der Einfluss von Yeezy

Songs wie "33 "GOD"" könnte man als Justin Vernons Versuch oder vielmehr Interpretation einer Überproduktion deuten. Statt auf aalglatten Mainstreamsound wird hier allerdings aufs Knarzige, Kaputte gesetzt. Bei rum kommt damit epochaler Klang, der zwar das Zeug, jedoch nicht die wirkliche Muße zur Hymne hat.

Viele Samples

Nicht nur Inspiration holte sich Justin Vernon aus allen Genre-Ecken, gleich ein ganzes Klangrepertoire hat er sich zugelegt, an dem er sich für die Songs bedient hat. Allein schon bei "33 "GOD"" werden Fragmente von Sharon Van Ettens "Dharpg", Jim Ed Browns "Morning", Paolo Nutinis "Iron Sky" und Lonnie Holleys "All Rendered Truth" verbaut.

Am prägnantesten ist allerdings das Sample bei "22 (OVER S∞∞N)": hier hat sich Vernon etwas von Mahalia Jacksons "How I Got Over" geliehen.


Bis zum fünften Titel, "29 #Strafford APTS", dürften Jünger der ersten beiden Alben von Bon Iver noch reichlich mit Stirnrunzeln zu kämpfen haben. Doch nun werden die Songs immer folkiger und Justin Vernon geht gänzlich in seinem Falsettgesang auf.
Nun bricht nur noch "21 M♢♢N WATER" aus, das klangliche Ähnlichkeit mit einem Feuerwehreinsatz im Feenland hat.


"____45_____" wirkt wegen des Saxophons zunächst zwar ziemlich jazzig, wird mit dem zunehmenden Einsatz vom Banjo jedoch ebenfalls wieder ländlicher. Mit "00000 Million" endet das Album schließlich mit einer Ballade. Auch hier wurde nochmal ein Sample verwoben: "Abacus" von Fionn Regan.

Damit steht man nun da, nach einer guten halben Stunde Klangexpedition und weiß irgendwie nicht so recht: "Was zur Hölle hat man da gerade gehört?"

Ohne es wirklich erklären zu können, muss man sich aber eingestehen, dass es doch irgendwie gut war. Und das ist es eben: Manche Dinge im Leben kann man einfach nicht erklären. Dazu gehört Bon Iver. Das muss man eben fühlen. Am besten geht das nachts, wenn sowieso alle Grenzen nichtig sind und feste Formen verschwimmen.

Tracklist - Bon Iver 22, A Million

  1. 22 (OVER S∞∞N)
  2. 10 d E A T h b R E a s T ⚄ ⚄
  3. 715 - CRΣΣKS
  4. 33 “GOD”
  5. 29 #Strafford APTS
  6. 666 ʇ
  7. 21 M♢♢N WATER
  8. 8 (circle)
  9. ____45_____
  10. 00000 Million
22, A Million von Bon Iver wurde am 30. September via Jagjaguwar (Cargo Records) veröffentlicht.

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