Day Wave: Pastlife

Day Wave: Pastlife

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Ein melancholischer Tagtraum in Plattenform.


Vor allem so gegen Ende 20 wird es unerbittlich deutlich: Die Zeit tickt ohne Erbarmen.

Egal was passiert ist - wenn es mal geschehen ist, kann man das nicht mehr so einfach rückgängig machen. Und an je mehr schöne Dinge man sich erinnern kann, desto verlockender wird der Blick in die Vergangenheit. Da kommt das neue Album von Day Wave gerade recht:

Denn zu Pastlife kann man besonders gut in Erinnerungen schwelgen.

 


Zeitmaschine ohne Großvaterparadoxon

Hinter Day Wave steht eigentlich nur ein Mann: Jackson Phillips lebt in Kalifornien und hat schnell seinen ganz eigenen verträumten Sound gefunden: Mit Drummachine, vernebelten Gitarrenriffs und ganz viel DIY-Spirit hat er sich auf die amerikanische Indiebühne gespielt.

Er liefert die perfekte Musik, um mal kurz gedankenverloren aus dem Zugfenster zu starren und sich mal kurz wie die Hauptperson in der eigenen Dramaserie zu fühlen.


Und obwohl es fast jedes Jahr zumindest einen neuen Song von Day Wave zu Hören gibt, sind Alben noch eher eine Seltenheit – und so ist die zweite Platte Pastlife schon ein ziemliches Ereignis. Eines, für das Jackson Phillips einen tiefen Blick durch die Nostalgiebrille wirft. Es geht ums Vermissen, ums Loslassen, ums Bedauern – diese kompliziert ambivalenten Gefühle für Menschen, die aus guten Gründen nicht mehr im eigenen Leben vorkommen, aber die man einfach nicht vergessen kann.

Und zusammen mit dem verträumten Day Wave-Sound wird man von solchen Textzeilen schnell in einen wohlig melancholischen Strudel gezogen.




Frei nach Rezept

Für große Experimentierfreude war Day Wave jetzt eigentlich nie so bekannt. Ziemlich zuverlässig liefert der Kalifornier einen LoFi-Ohrwurm nach dem anderen ab, ohne groß von der Erfolgsformel abzuweichen. Und solche gibt es natürlich auch noch auf Pastlife mehr als genug, "Heart To Rest" und "We Used To Be Young" klingen schon fast nach perfektioniertem Rezept. Aber Jackson Phillips lässt es sich dieses Mal eben doch nicht nehmen ein bisschen über den Tellerrand rauszuschauen: "Great Expectations" entlässt den Bedroompop zum Beispiel aus dem Schlafzimmer in die Wildnis und klingt fast schon lagerfeuertauglich, und "Blue" lässt mit langsamen Groove und geisterhaften Streichersynths den Weltschmerz fast schon erdrückend wirken. Und dann gibt es natürlich auch noch die Gäst*innenauftritte: KennyHoopla darf den Anfangstrack mit seinem Abschiedsschreien unterstützen und Hazel Englisch harmoniert beim Closer fast schon zu perfekt mit Jackson – wenn das überhaupt möglich ist.



Unwiederbringlich

Auch wenn Pastlife sich die meiste Zeit in sanfter Melancholie sonnt und manchmal auch ziemlich direkt der Vergangenheit nachgeweint wird, bleibt dann zum Schluss eben doch eine Gewissheit da: Den Weg zurück gibt es eben einfach nicht. Im letzten Song "Apartment Complex" wird der mittlerweile geschlossene Lieblingsclub zum Symbol für die unaufhaltsame tickende Uhr – und egal wie hart man es auch versuchen will, den Schritt zurück kann man nicht einfach so gehen.

Und so zeigt Pastlife dass es sich zwar manchmal gut anfühlen kann mit dem Kopf in der Vergangenheit zu hängen, man aber trotzdem nicht vergessen sollte in der Gegenwart für neue Erinnerungen zu sorgen.  

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Tracklist: Day Wave - Pastlife

  1. See You When The End's Near (feat. KennyHoopla)
  2. Pastlife
  3. Where Do You Go
  4. Blue
  5. Loner
  6. Before We Knew
  7. Great Expectations
  8. We Used To Be Young
  9. Heart To Rest
  10. Apartment Complex (feat. Hazel English)

Pastlife von Day Wave wurde am 24. Juni 2022 via PIAS veröffentlicht.

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