"Der Sommer in die Stadt wird fahren" von Die Sterne im Spur-Check

"Der Sommer in die Stadt wird fahren" von Die Sterne im Spur-Check

Frank Spilker analysiert seinen Song "Der Sommer in die Stadt wird fahren"

Frank Spilker ist das letzte und mittlerweile einzige "echte" Mitglied der Hamburger Band Die Sterne.
 
Im Musik-Podcast Tracks & Traces erklärt er, warum "Der Sommer in die Stadt wird fahren" ein Dark-Disco-Song sein soll.
  • "Der Sommer in die Stadt wird fahren" von Die Sterne
    Podcast "Tracks and Traces" von detektor.fm

"Sammelbecken statt Band"

Nach 30 Jahren Bandgeschichte hätte es Die Sterne fast erwischt. Langjährige Bandmitglieder stiegen aus. Und ob da nach dem Album Flucht in die Flucht 2014 nochmal was kommt, war nicht sicher. Aber da ist ja zum Glück noch eine Konstante: Sänger Frank Spilker und dessen ungebrochene Motivation Diskurs und Groove musikalisch zu vereinen.

Und so kommt es doch 2020, das zwölfte Album von Die Sterne.


Spilker scheint sich als letztes verbliebenes Gründungsmitglied sogar dermaßen selbstsicher, dass er das Album gleich Die Sterne nennt. Obwohl der Sänger und Gitarrist der Band streng genommen nicht nur das letzte Mitglied der Originalbesetzung ist, sondern mittlerweile auch das einzige. Die Lücken, die scheidende Bandmitglieder hinterlassen haben, füllt er aus einem Pool von Wegbegleiter*innen. Gerade in "Der Sommer in die Stadt wird fahren" ist das besonders sicht- und hörbar, denn dort ist die Gästeliste besonders lang. Zum Beispiel Carsten "Erobique" Meyer, der mühelos Keyboard-Hooks aus dem Handgelenk schüttelt, die dem Song Rhythmus und Größe verleihen.

Neben diesen subtilen Italopop-Referenzen wird "Der Sommer in die Stadt wird fahren" getragen von einer Sterne-üblichen 70er-Discoästhetik. Das klingt dann fast wie bei alten Krachern vom Schlage "Trrrmmer" oder "Universal Tellerwäscher".

Vorsicht vor Klischees

Der Disco-Ausflug könnte natürlich auch schief gehen. Gerade weil das Genre in den letzten Jahrzehnten nicht durchgängig cool geblieben ist. Sondern eben auch künstlich, klebrig und verblendet wirken kann. Für Spilker hat das Genre aber seine Berechtigung, auch weil die Strömung ihr Eigenleben entwickelt hat:
"Das ist mittlerweile ein zeitloses Design. Es hat ja schon mehrere Reinkarnationen des Genres gegeben, deswegen ist das gar nicht mehr so mit den Endsiebzigern konnotiert. Nile Rodgers lebt ja auch immer noch und spielt auf diversen Produktionen."

Und generell passt Spilker zwar immer auf, dass es nicht zu klischeehaft wird, sagt er, "aber Streicher gehören auf alle Fälle dazu". Die findet er beim Kaiser Quartett – eins der wenigen klassischen Streichquartette, die ein Gefühl für Popmusik und -rhythmus haben. Und damit des Klischees unverdächtig sind.

Eine so vielseitiger Mix aus Mitmusikern verlangt natürlich auch bei der Abmischung einiges an Arbeit.


Das Gespür für die richtigen Einstellungen am Pult brachten Mitglieder der Kölner Band Von Spar ein – noch so ein paar langjähirge Kollaborations-Kollegen von Die Sterne bzw. Frank Spilker. Und "unglaubliche Soundspezialisten", sagt er.

Dark Disco statt Selbstbetrug

Nicht nur klanglich, sondern auch im Text spielt der Song mit dem Gedanken von "Dark Disco". So singt Spilker in der ersten Strophe:

"Komm, lass uns feiern / Komm, lass uns tanzen […] Ich hasse dich / Und du hasst mich".

Denn für Spilker kann kein noch so selbstvergessener Tanz darüber hinwegtäuschen, dass nicht alles in der Welt glitzert wie Pailletten-Top und Discokugel, so Spilker: 
"Obwohl ich hier stehe und feiere, ist das Schlimme nicht weg. Das ist die Idee von Dark Disco, dass man das Leben draußen nicht verleugnet und dieses Eskapistische des klassischen Discosongs immer wieder gebrochen wird."


Alles wird gut

Im Refrain dagegen wird der Song textlich sonniger. Der Sommer wird zur Sehnsuchtsfantasie, die wie eine Prophezeiung über die Stadt hereinbricht:
"Es geht um Hoffnung und darum, in Zeiten der Finsternis nicht den Glauben daran zu verlieren, dass sich das wieder ändern kann. So ein Gedanke springt einen an, weil die Zeiten in gewisser Weise finster sind, wenn man täglich die Zeitung aufmacht oder die News im Internet liest und denkt: Was ist da schon wieder passiert? Und die eine Möglichkeit zu reagieren, ist eben zu sagen, es wird schon wieder besser werden."

Wie ist Frank Spilker von der ersten Idee bei einer E-Roller-Fahrt im kalten Berlin zum fertigen Song gekommen?
Das erklärt er Spur für Spur im Musikpodcast Tracks & Traces von detektor.fm. Dort nehmen Künstler*innen die Produktion ihrer eigenen Songs auseinander.

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