Glass Animals: Dreamland

Glass Animals: Dreamland

Der Lieblingstonträger der Woche

Die Indie-Darlings legen ihr drittes Album vor. Wir träumen uns hinein.
"You float in the pool where the soundtrack is Can
You go ask your questions like what makes a man
Oh, it's 2020 so it's time to change that
So you go make an album and call it Dreamland"

singt Dave Bayley am Ende des Albumopeners und Titeltracks des neuen, dritten Albums seiner Glass Animals und stellt damit auch gleich mal die Exposition vor. 
Diese ersten knapp dreieinhalb Minuten verraten uns schon, was uns inhaltlich und musikalisch erwartet. Der Vorhang lüftet sich und eine unsichtbare Hand schubst uns mitten rein, ins Dreamland

Alles wie immer – und doch nicht 

Dort ist erstmal alles wie immer: Die Farben hier sind technicolor, die Luft ist neblig-süß und alles klingt erstmal dumpf. Bis plötzlich alles aufklart und deutlich erstrahlt. Typisch Glass Animals.  

Hochmoderner Indie-Elektro-Pop. Synthielastig, kunstvoll und wavey. Irgendwo zwischen James Blake, Radiohead und Trap-Musik. 

Dass die Platte dennoch eine grundlegend andere ist, als noch das 2016 vorangegangene und sehr erfolgreiche Album How To Be A Human Being, merkt man schon beim dritten Stück. Ein kurzes Interlude. Runtergezogen von einer Videokassette aus dem Jahr 1994.

Identität, Freundschaft, Liebe, Erinnerung


Dave Bayley war damals 5 Jahre alt und aus seinem Haus stammt auch die Aufnahme. Er ist die zentrale Position auf dem Album. Beim Vorgängeralbum erschuf die Band noch Geschichten und Szenarien um fiktive Charaktere herum. Nun hören wir die innersten Gedanken und Memoiren eines 31-jährigen Mannes an, der sich fundamentale Fragen über Männlichkeit und Menschlichkeit stellt.

Identität, Freundschaft, Liebe, Erinnerung. Bayley eröffnet uns ultraintime Eindrücke in seine Gedanken- und Lebenswelt.

Musikalisch ist es eine Hommage an seine Idole, am ehesten wahrscheinlich Timbaland, der ums Jahr 2006 jeden einzelnen Hit der Welt produzierte und seinen Stil zur Marke machte. Aber auch Klangflächen á la Pet Sounds (Beach Boys) sind zu hören.



Es ist diese Vielfältigkeit, die Dreamland zu einer der besten Platten des Sommers macht. Die vorab veröffentlichte Single "Heat Waves" zum Beispiel klingt wie ein massiver Sommerhit. Cocktail am Pool und alles. Im Text geht es um Trennung, Schmerz und Angst vor Einsamkeit.

Diese Mischung aus Kopfnicken und Nachdenken ist wahrscheinlich so typisch Glass Animals wie ihr Sound selbst.


Das Album taugt Indieheads wahrscheinlich genauso wie Hip Hop- oder Elektrofans. Es lässt sich leicht nebenher konsumieren, aber auch Note für Note, Wort für Wort zerpflücken. Ein besonderes Schmankerl haben sie sich dann noch bis ganz zum Schluss aufgehoben. Nicht nur der letzte Song, "Helium" ist an sich einer der stärksten des Albums. Im Outro greift er wiederum den Anfang des Albums auf, endet quasi mit dem inoffiziellen Dreamland-Theme, einer sanften, eingängigen Keyboard-Melodie. Dann: noch mal Daves Mama vom Band einer Videokassette, eine Kinderstimme ruft "Goodbye". Der Vorhang schließt. Wer nicht nochmal von vorne hört, ist selbst schuld.



Tracklist: Glass Animals - Dreamland 

01 Dreamland 
02 Tangerine 
03 ((home movie: 1994)) 
04 Hot Sugar 
05 ((home movie: btx)) 
06 Space Ghost Coast To Coast 
07 Tokyo Drifting (feat. Denzel Curry) 
08 Melon and the Coconut 
09 Your Love (Déjà Vu) 
10 Waterfalls Coming Out Your Mouth 
11 It’s All So Incredibly Loud 
12 ((home movie: rockets)) 
13 Domestic Bliss 
14 Heat Waves  
15 ((home movie: shoes on)) 
16 Helium

Dreamland ist am 7. August bei Polydor erschienen.

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