Das britische Duo versucht mit neuer Ausrichtung die goldenen Zwanziger wiederzubeleben.
Geschichte wiederholt sich angeblich immer wieder. Und wenn das stimmt, stehen uns ausnahmsweise mal ein paar tolle Jahre bevor.
Denn nach der letzten großen Pandemie gingen vor über hundert Jahren bekanntermaßen die goldenen Zwanziger los: Eine Dekade voller ausgelassener Feierei und atemberaubender Kunst. Das klingt doch nach dem gefühlt ewig langen Stillstand der letzten Monate nach einer verlockenden Perspektive. Und genau solch ein Zeitalter wollen Jungle mit ihrem dritten Album einleiten. Ambitioniertes Ziel, aber vom britischen Duo ist man ja sonst auch nur Erfolge gewohnt.
Tränen wegtanzen
Jungle sind ja eigentlich für soulig- tanzbaren Wohlfühlsound bekannt, der gleichzeitig modern, aber dann irgendwie auch total nach Clubnacht in den 70ern klingt. Da kann einen der Opener von Loving in Stereo schon mal auf dem falschen Fuß erwischen: Düstere Streicher, die so auch einen dramatischen Schwarzweißfilm eröffnen könnten, und zurückhaltender Gesang passen eigentlich so gar nicht zum Erfolgsrezept des britischen Duos.Haben Jungle also eine 180 Grad Wende hingelegt?
Natürlich nicht: Nach dem 80 Sekunden langen Intro "Dry Your Tears" darf wieder getanzt werden. "Keep Moving" vereint einfach alles, was Jungle so besonders macht, und pumpt pure gute Laune in die Venen. Damit ist auch schon das Grundthema von Loving in Stereo festgezurrt: Vergangene Krisenzeiten werden überwunden, Tränen getrocknet, Lektionen gelernt und der Blick geht kompromisslos nach vorne.Damit haben Jungle wohl auch ihre eigenen dunklen Kapitel abgeschlossen.
Man erinnert sich: Die zweite Platte der Band, For Ever, klang ebenfalls furios euphorisch, aber die Lyrics waren vollgepackt mit gebrochenen Herzen uns Selbstzweifeln. Damit ist jetzt Schluss: Auf Loving in Stereo zelebrieren Jungle die Lebensfreude. Die Beziehungen sind noch in der Honeymoonphase, die Möglichkeiten endlos und Probleme nur zum Überwinden da. Jungle tanzen frohen Mutes in die Utopie.Und in der Utopie ist erstmal komplette künstlerische Freiheit angesagt.
Songtitel wie "No Rules" deuten es schon an: Tom McFarland und Josh Loyd haben sich keine Grenzen gesetzt und neue Ideen zu Ende gedacht. So kommen zum Beispiel zum ersten Mal auch andere Stimmen auf einer Jungle Platte zum Zuge. Rapper Bas, eine Bekanntschaft aus einem Festivalbackstageraum, veredelt mit seinem entspannten Rap den Song "Romeo" und der Song "Goodbye My Love" transportiert dank Priya Ragus Stimme verlässlich gediegene Retronachtklubatmosphäre.Aber auch ohne externen Einfluss weichen Jungle teilweise erstaunlich weit von ihrer erprobten Erfolgsformel ab: Bei "Truth" klingt das Duo fast schon nach Indiepunk und "Can't Stop the Stars" lädt statt zum Tanzen eher zum verträumten Starren in den Himmel ein. Solche Songs hat man von Jungle vielleicht nicht erwartet, aber nach dem ersten Hören will man sie nicht mehr missen.
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