Kiwi Jr.: Cooler Returns

Kiwi Jr.: Cooler Returns

Der Lieblingstonträger der Woche

Einmal Realitätsflucht mit einem Schuss Politikverdrossenheit bitte.


Musik funktioniert ja meistens dann besonders gut, wenn sie das Kunststück schafft, perfekt zur Zeit zu passen.

Man muss sich in ihr wiederfinden können und sie soll dem chaotischen Alltag irgendwie mehr Sinn verleihen. Das stellt natürlich alle Künstler*innen momentan vor eine ziemliche Mammutaufgabe: Wie soll man denn Songs schreiben, die die wahrscheinlich merkwürdigste Zeit seit Ewigkeiten zusammenfassen?

Also sie müssten auf jeden Fall politisch sein - schließlich wird momentan absolut alles bis ins Extreme diskutiert. Man muss sich aber auch mit den Musiker*innen identifizieren können, nur so merkt man, dass man mit dem ganzen Kram nicht alleine ist. Und man muss auch dazu tanzen können, um den ganzen Blödsinn zumindest für ein paar Minuten vergessen zu können.

Klingt nach kaum schaffbarer Aufgabe, aber Kiwi Jr. haben genau das hinbekommen.



Zurück ins Chaos

Der Albumtitel deutet das schon an: Cooler Returns ist das zweite Album der Band. Das Debüt Football Money liegt allerdings schon gefühlte Äonen von Jahren zurück – naja, eigentlich kam es erst vorletztes Jahr heraus, aber halt eben vor der Pandemie und damit bevor jegliches Zeitempfinden durcheinandergewirbelt wurde.

Aber schon in diesen scheinbar unendlich weit zurückliegenden Zeiten haben es die Kanadier phänomenal gut verstanden, die existenziellen Horrorvorstellungen von urbanen Mittzwanzigern zusammenzufassen: Wie zur Hölle soll man gleichzeitig die überteuerte Wohnung bezahlen, das Stadtleben genießen und nebenbei noch ausblenden, dass die Welt langsam aber sicher den Bach runterdriftet?

Genau so fängt auch Cooler Returns an: Im Opener "Tyler" muss sich die Band mit vernachlässigten Vermieter*innen, noch unerfüllten Träumen und eskalierten Backstage Partys rumschlagen.

Kiwi Jr. liefern einen herrlich nachvollziehbaren Blick auf das Mittzwanzigerleben, aber sie verlieren auch die großen gesellschaftlichen Probleme nicht aus den Augen.

"Undecided Voters" zeigt zum Beispiel einen dramatischen Wahlkampf - der aber trotzdem scheinbar jeden kalt lässt. "Omaha" bringt dazu noch Generationenkonflikte und immer weiter auseinandergehende Traumvorstellungen ins Spiel.


Entspannte Randale

Bei solchen Themen könnte man fast glauben, man hätte es mit einem düsteren, vor Aggression sprühendem Industrial Metal Album zu tun: Aber Kiwi Jr. gehen in die fast komplett entgegengesetzte Richtung: Cooler Returns klingt locker, gut gelaunt, lässig und gleichzeitig energiegeladen. Jeremy Gaudet singt wie ein Meisterschüler der Pavement Hochschule, die Drums treiben ordentlich an, halten sich aber gleichzeitig fast schon vornehm hinter den schrammeligen Gitarren zurück und wenn man denkt man hätte schon alles gehört, tauchen plötzlich Klaviergeklimper und sogar Mundharmonikaklänge auf.

Cooler Returns bekommt damit das Kunststück hin, für gleich mehrere Situationen ideal zu sein: Wer einfach mal für ein paar Minuten das Chaos der Welt ausblenden will, kann sich entspannt im Lo-Fi Gitarrenmeer treiben lassen. Gibt’s nach der letzten Politikdebatte noch angestaute Frustgefühle, können diese mit "Undecided Voters" abgebaut werden und wer einfach nur die Tanzflächen vermisst, kann zum Titeltrack wie wild durch die eigene Wohnung springen.

Wer laut genug aufdreht, kann vielleicht sogar den ein oder anderen missmutigen Vermieter zum Tanzen bringen.


Tracklist: Kiwi Jr. - Cooler Returns

01 Tyler
02 Undecided Voters
03 Maid Marian's Toast
04 Highlights
05 Only Here for a Haircut
06 Cooler Returns
07 Guilty Party
08 Omaha
09 Domino
10 Nashville Wedding
11 Dodger
12 Norma Jean's Jacket
13 Waiting in Line


Cooler Returns von Kiwi Jr. wird am 22. Januar 2021 via Sub Pop veröffentlicht.

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