Roosevelt: Embrace

Roosevelt: Embrace

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Der deutsche Produzent macht die Ein-Mann-Band endgültig zum Soloprojekt.

Rasende Euphorie und gewöhnlicher Alltag – gegensätzlicher können Gefühle eigentlich gar nicht sein.

Wer springt schon jauchzend durch den Raum, wenn mal wieder der Müll nach draußen gebracht werden muss? Das ist natürlich ganz schön ungünstig, wenn man es sich quasi zur Lebensaufgabe gemacht hat, immer und immer wieder für Glücksgefühle auf der Tanzfläche zu sorgen. Trotz allem hat es Roosevelt recht zuverlässig geschafft, ohne große Überraschungen in Ekstase zu versetzen.

Da hört auch Embrace nicht auf – eine sanfte Evolution gibt es trotzdem, damit ja keine Alltagsgefühle aufkommen.



Ohne Band ins Airbnb

Eigentlich macht Marius Lauber ja schon seit seinem Anfang als Roosevelt einen gewissen Wandel durch. Begonnen hat für ihn ja eigentlich alles als Schlagzeuger von Beat! Beat! Beat!, damals noch stark verwurzelt im elektronisch angehauchten Indie Rock. Als er sich dann unter amerikanischem Politikerdynastienamen selbständig machte, traf er dann ziemlich perfekt den Sweet Spot zwischen Bandsound und Tanzmusik – ein Erfolgsrezept, dass gar nicht mal so viele Kniffe brauchte, um immer wieder gut zu schmecken.

Trotzdem: Spätestens bei Polydans schwang das Pendel dann schon mehr in Richtung Elektronik aus. Und Embrace nimmt diesen Sound jetzt besonders fest…… in den Arm.


Das liegt auch an der Art und Weise wie die Platte entstanden ist: Anstatt sich wie sonst in seinem präzise eingerichteten Komfortzonenstudio einzusperren, nahm Roosevelt dieses Mal einen anderen Weg. Grade mal mit einem Laptop und zwei Keyboards ausgerüstet, ging er auf große Weltreise. In Hotelzimmern und Mietapartments zwischen Los Angeles und Barcelona ließ er einfach der Inspiration freien Lauf – ins Studio ging’s dieses Mal erst ganz zum Schluss.



Experimente ohne Katastrophen

Embrace ist jetzt keine komplette Abkehr vom gewohnten Sound. Aber je länger man der Platte zuhört, desto mehr Veränderungen zu früher werden klar. Im Vergleich zu früher, setzt Roosevelt jetzt weniger auf den epischen Chorus, oder diese eine Ohrwurmmelodie: Die Songs liefern dafür mehr tranceartige Soundflächen, die zwar schön einlullen, aber natürlich auch wunderbar zum Mittanzen anregen. Vielleicht liegt es auch an den unterschiedlichen Orten, an denen die Songs geschrieben wurden, aber Roosevelt schafft es dieses Mal auch in seinem Soundkosmos immer mehr Varianz einzustreuen.

Da wäre zum Beispiel "Ordinary Love", dass ein eingängiges Synthieriff mit leicht beunruhigenden Sirenen gegenlaufen lässt. "Yucca Mesa" lässt dann wieder die Funkgitarren aufheulen. Und auf "Lake Shore" geht Roosevelt mal einen völlig anderen Weg: Keine Drums, keine Tanzfläche, einfach nur meditativer Sound und sanfte Stimme. Das, was "Sign" vor ein paar Jahren mal angedeutet hat, wird auf Embrace vollendet.

Wahrscheinlich bekommt man es nur mit genug neuen Impulsen hin, verlässlich Euphorie abzuliefern – und im Falle von Roosevelt waren das dieses Mal eben viele verschiedene neue Tapeten und mehr Fokus auf sich selbst.



Tracklist: Roosevelt - Embrace

  1. Ordinary Love
  2. Rising
  3. Luna
  4. Yucca Mesa
  5. Paralyzed
  6. Lake Shore
  7. Realize
  8. Fall Right In
  9. Forevermore
  10. Alive

Embrace von Roosevelt erscheint am 22. September 2023 via Counter Records

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