The Last Dinner Party: Prelude To Ecstasy

The Last Dinner Party: Prelude To Ecstasy

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Hier ist jeder Mensch eingeladen und es ist trotzdem die exklusivste Party des Jahres.

Hypes sind ein zweischneidiges Schwert:

Es gibt unzählbar viele Geschichten von jungen Künstler*innen, die plötzlich unerträglichem Erwartungsdruck ausgesetzt waren und keine andere Wahl mehr hatten, als darunter zusammenzubrechen. Aber auf der anderen Seite: Wer den entsprechenden Hypewind im Rücken hat, steht mit ein bisschen Glück gerne mal schon viel früher als üblich auf riesengroßen Bühnen und bekommt die Aufmerksamkeit, um die so viele andere so sehr kämpfen müssen. The Last Dinner Party durften bislang auf jeden Fall die süßen Früchte des Hypes genießen – wer sonst darf schon mit den Rolling Stones auf der Bühne stehen, bevor überhaupt die erste Single draußen ist? Ihre Konzerte hatten immer einen Hauch von Theatervorstellung und die Bühnenoutfits passten so perfekt zur Soundästhetik, dass sich die britische Szene Hals über Kopf in die fünf Musikerinnen verliebte. Spätestens seit "Nothing Matters" gab es dann sowieso kein Halten mehr.  

Das ist jetzt natürlich normalerweise die Phase, in der die Schattenseiten des Hypes dann endgültig zum Vorschein kommen – wie soll man denn nach so vielen Vorschusslorbeeren überhaupt noch abliefern? The Last Dinner Party sind aber eben diese eine Anomalie, die dieses Kunststück irgendwie hinbekommen:

Ja, Prelude To Ecstasy ist wirklich so gut.
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Perfekt inszenierte Euphorie

Wo andere Bands – vollkommen verständlicherweise – auf ihrem Debütalbum noch ausprobieren, was am besten passt, wirken The Last Dinner Party so, als wären sie schon auf dem künstlerischen Höhepunkt angekommen. Prelude To Ecstasy beginnt mit klassischen Streichern, Flöten und klirrenden Becken – man wird beim Hören quasi ins Viktorianische Zeitalter zwangsversetzt. Dann rollt mit "Burn Alive" aber gleich im Anschluss der erste Synthiekracher heran, der dem britischen Adel wahrscheinlich vor Schock die Teetassen aus den Händen geschleudert hätte. Für "Caesar on a TV Screen" pumpt Sängerin Abigail Morris dann genug Drama in die Stimme, um dem größenwahnsinnigen Titel gerecht zu werden.

Und mit "Beautiful Boy" und "On Your Side" folgen dann so geisterhaft magische Songs – man bekommt regelrecht das Gefühl, die Platte wäre verflucht. Aber wegschalten ist halt auch keine Option.

Klar, man kann beim Hören kaum nicht an Florence + The Machine zurückdenken, und es tönen auch überdeutlich Einflüsse von Kate Bush, Amanda Palmer und Queen durch. Aber es gibt trotzdem diese Songs, die schon ganz eigen nach The Last Dinner Party klingen. "My Lady of Mercy" fängt zum Beispiel mit zögerlichem Händeklatschen an und eskaliert dann in eine wuchtige Wall of Sound voller elektrischer Gitarren. Und wenn man gegen Ende der Platte wieder bei "Nothing Matters" angekommen ist, darf man erleichtert feststellen, dass der Überhit noch genauso zündet wie am Releasetag.


Viktorianisch verfluchte Moderne

Auch wenn The Last Dinner Party immer in ihrer viktorianisch angehauchten Ästhetik bleiben, bekommen die Songs kein enges Korsett übergestülpt. Und auch wenn die Songtexte gerne mal vergangene Großreiche und verstorbene Persönlichkeiten aufgreifen, sind die Themen modern, wie es nur geht. Immer wieder thematisiert Abigail Morris Alkoholmissbrauch, sie hinterfragt Geschlechterstereotype und schreibt die wahrscheinlich kompromisslosesten Songtexte über zwischenmenschliches Verlangen.

Besonders beeindruckend wird es, wenn die Band im letzten Song "Mirror" scheinbar die vierte Wand durchbricht und quasi schon den eigenen Abgesang andeutet: Falls die Band zerbricht, wird alles Geschaffene im Streamingozean versinken oder wird der Hype womöglich sogar in noch größere Höhen aufsteigen? Es ist eine unangenehme Frage, mit der uns die Band beim Hören zurücklässt, aber genau das zeigt so deutlich, wie gut The Last Dinner Party schon ihre Rolle und ihren Sound gefunden haben – und plötzlich macht es Sinn, dass dieses Album so gut gelungen ist.

Prelude To Ecstasy ist ein größenwahnsinniges, überdramatisches Album, das trotzdem an keiner Stelle verkopft oder nervig wirkt: Es ist das Debüt einer Band, die den Schattenseiten des Hypes erfolgreich getrotzt hat.



Tracklist: The Last Dinner Party - Prelude To Ecstasy

  1. Prelude To Ecstasy
  2. Burn Alive
  3. Caesar on a TV Screen
  4. The Feminine Urge
  5. On Your Side
  6. Beautiful Boy
  7. Gjuha
  8. Sinner
  9. My Lady of Mercy
  10. Portrait of a Dead Girl
  11. Nothing Matters
  12. Mirror
Prelude To Ecstasy wurde am 02. Februar 2024 via Universal veröffentlicht.



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