Was mit den Musikcharts nicht stimmt

Was mit den Musikcharts nicht stimmt

Wen interessieren die Charts eigentlich noch?

Die Digitalisierung hat einen großen Einfluss auf die Musikszene und vor allem auf die aktuellen Charts. Aber: Wie setzen die sich überhaupt zusammen? Philipp Walulis blickt durch und hing für ein Interview an unserer Strippe.

Philipp Walulis hat eigentlich schon alle im Bereich Moderation erlebt, was man erleben muss. Während seines Studiums moderierte er unter anderem bei M94,5, dem Uni Radiosender der LMU in München. Später arbeitete er dann bei RTL 2, München TV, ARD, EinsPlus und beim NDR. 2007 sorgte er mit seinem Satireprojekt "Eure Armut kotzt uns an" für Aufsehen. Viele verstanden die Parodie vorerst nicht und reagierten kritisch darauf. Mit dem Rap Video sollte allerdings schlichtweg die Schickimicki-Attitüde in den Dreck gezogen und negativ beleuchtet werden.
Vor sieben Jahren gewann Philipp Walulis den wahrscheinlich bedeutendsten Fernsehpreis, nämlich den Grimme Preis in der Kategorie Unterhaltung.

Seit 2016 ist Walulis auf YouTube unterwegs und moderiert dort den selbstbetitelten Kanal. Wenn er sich dort nicht gerade satirisch mit anderen Formaten auseinandersetzt, dann redet er auch mal über die Charts.

Streaming und die neue Ära der Charts

Charts haben sich sehr verändert seit es Streaming in der Musikszene gibt. Es ist nicht mehr so einfach zu messen, wie viele Tonträger, Platten oder Singles verkauft werden. Als 2007 die Downloads auf den Markt kamen, spielte nicht mehr die Anzahl, sondern der Umsatz der verkauften Alben eine Rolle. Wie dieser genau entsteht, ist egal. Eine sehr schnelle Entwicklung in sehr kurzer Zeit, da kommen auch nicht alle hinterher. Groß Zeit zum Aufholen gab es nicht, denn kurz darauf kamen auch schon die Streaming-Dienste ins Spiel.

Spätestens, allerspätestens dann hätten sich einmal ein paar kluge Köpfe zusammenhocken und überlegen müssen, ob die Art und Weise, wie sich die Musikcharts generieren, Sinn macht. Die Lösung: Seit 2014 wurden nicht nur physische Tonträger und Downloads mit in die Charts gerechnet, sondern auch jeder mindestens 30 Sekunden lang gestreamte Track. Allerdings nur in den Single-Charts. Die offiziellen Charts Deutschlands bedienen sich an diesen Zahlen erst seit 2016. Die Köpfe, die sich das überlegt haben, waren allerdings eher weniger klug. 200 Mal muss ein Song mindestens 30 Sekunden lang gestreamt werden, dann steht er für ein verkauftes Album. So ist es natürlich weitaus schwerer, überhaupt in die Charts zu kommen.

Betrug oder schlauer Vertrieb?

Es spielt für die ganze Maschinerie des üblen Musikbusinesses natürlich eine wichtige Rolle, wie viel Geld mit der Musik erzielt wird. Es ist völlig egal, ob das mit Singles oder Boxen gemacht wird. Eine Ariana Grande packt dann ganz gerne mal die ein oder andere Autogrammkarte oder Fotos in ihre Boxen und erlangt damit einen sehr hohen Preis - so eine Fanbox kostet immerhon schon mal 80 Euro und das hat dann wiederum einen sehr hohen Einfluss auf die Charts, da es bei physischen Produkten nur um den erzielten Umsatz und nicht um die Menge geht. Da ist die Wand relativ schnell mit Gold und Platin zugekleistert.

Genau so werden fast nur noch Singles veröffentlicht, um einfach öfter in den Charts zu erscheinen. Das sieht gut aus, klingt gut und vermittelt ein sehr gutes Image, aber eigentlich steckt da einfach nur ein strategisches Denken dahinter. Charts sagen also nicht sonderlich viel über die Musik aus und erst recht nichts über die Qualität.

Wer trägt die Schuld am Schlamassel?

Natürlich hängt das bestehende System auch von der Hörerschaft ab. Anspruchsvolle Hörer*innen (also du und alle anderen egos) hören sich auch gerne mal unbekannte Bands und Musiker*innen an, entdecken damit gerne Neues und lassen sich nichts vormachen von platten Produktionen und stumpfen Lyrics. Im Gegensatz zu Mainstream-Radiosendern, die lediglich das beste aus den Top 10 der 80er, 90er, 00er und von heute der Hörerschaft in einer Rotation, die jedes Hirn irgendwann zermatschen, um die Ohren hauen und damit abstumpfen lassen, dass sich die leider doch sehr durchschnittlichen Radiohörer*innen eher auf Quantität und hohle Zahlen verlassen - ohne Interesse daran zu haben, was es jenseits der kommerziellen Charts zu entdecken gibt.



Das Interview mit Walulis zum Nachhören

Falls die ganzen Buchstaben nichts für dich sind, kannst du dir hier die Charts noch mal direkt von Walulis persönlich erklären lassen und dir das Interview nachhören.
  • Philipp Walulis über Musikcharts
    Das Interview zum Nachhören

Falls auch Töne allein nichts für dich sind, empfehlen wir dir hier das Video von Walulis über die Musikcharts. 

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