20 Jahre Franz Ferdinand

20 Jahre Franz Ferdinand

Das egoFM Spezial zum Jubiläum

Von  Julian Zeh
Es ist eines der wichtigsten Werke für die Entwicklung und den Aufstieg des Britrocks: Franz Ferdinands Debütalbum wurde 20 Jahre alt, und das bedeutet, seit 20 Jahren sind Indie-Discos auf der ganzen Welt um eine Menge Dancefloor-Filler reicher.

Franz Ferdinand: Ein bahnbrechendes Album

Wir feiern den 20. Geburtstag eines Albums, das du sicherlich kennst - und wenn nicht, dann hat es dennoch Einfluss gehabt auf die Musik, die du heute noch gerne hörst: Franz Ferdinands Debütalbum Franz Ferdinand. Das kam am 9. Februar 2004 raus und war somit eins der frühesten der neuen britischen Indieszene in den 2000er Jahren, die ja von vielen unter anderem mir heutzutage so romantisch verklärt wird. Wir widmen dieses egoFM Spezial diesem Album und erzählen ein paar Geschichten dazu, wir haben Interviewtöne von Alex Kapranos selbst und natürlich hören wir nochmal rein. Song für Song.

Wie alles angefangen hat

Franz Ferdinand Frontmann und Sänger Alex Kapranos war schon länger Teil der Glasgower Musikszene, arbeitete als Promoter und spielte in mehreren erfolglosen Gruppierungen, als er 2002 mit knapp 30 Jahren es nochmal wissen wollte und mit ein paar Freunden die Band gründete. Vollständig war diese nach dem Eintritt von Nick McCarthy, der in München am Richard-Strauss-Konservatorium studiert hatte und 2001 nach Glasgow gezogen war. Auf einer Party hat er Alex den Wodka geklaut, und die beiden haben sich ein bisschen geprügelt, sich vertragen und gemerkt, dass sie ganz gut miteinander können. Soweit also zur Origin-Geschichte der Band.

So sollten Franz Ferdinand klingen

Der Sound sollte all das sein, was die Jungs selber waren: nicht so pomadig wie der aussterbende Britpop oder noch angestaubter wie der Alternative der 90er. Ein bisschen war das Vorbild natürlich die Indieszene New Yorks, auch wenn da der Fokus ganz klar auf Punk und Electroclash lag. Franz Ferdinand wollten etwas smoother, groovier und funkier sein. Ein bisschen Post-Punk à la Joy Division, ein bisschen Disco à la Giorgio Moroder. Tanzbar sollte es werden, denn das war das, was der britischen Szene in dieser Zeit fehlte. Und da gab es im eigenen Land ein paar Bands aus den 80ern, die das damals schon ein bisschen vorgemacht hatten.

Deswegen machen wir jetzt eine Zeitreise zurück in die Kindheit von Kapranos und Co. zu einer für die Band einflussreichen Band namens Orange Juice. Von ihnen hörst du aus dem Jahr 1980 "Falling and Laughing":


Die größten Songs von Franz Ferdinand

"This Fire" ist eine der Single-Auskopplungen des Albums und war lange Zeit der letzte Song auf ihren Konzerten. Ich verstehe warum, weil der ist so energiegeladen, danach kann nicht mehr viel kommen. Zurecht wurde der auch ausgewählt, um der Titeltrack der sehr guten, aber auch sehr hyperen und irrwitzigen Anime-Serie Cyberpunk Edgerunners zu werden, woher ihn vielleicht auch einige kennen.

"The Dark of the Matinee" war übrigens sehr lange Zeit, also wirklich Jahre, nicht ganz korrekt benannt in der egoFM Songdatenbank und existierte so nur als "Mantinee". Wurde so also auch in der Playlist angezeigt und bestimmt auch oft so anmoderiert, bis es ein spitzfindiger Musikredakteur (...) gemerkt und diesen peinlichen Fehler ausgemerzt hat. 


"Take Me Out ist der dritte Song auf dem Album und mit Abstand der erfolgreichste Song von der Platte. Er erreichte Platz 3 in den britischen Charts und landete sogar in den Hot 100 in den USA. Er hat mit knapp 800 Millionen Streams auf Spotify mehr als die nächsten zehn erfolgreichsten Songs der Band zusammen. Wenn die Band den Song auf einem Festival spielt, singt das Publikum nicht nur jedes Wort, sondern auch die Gitarrenriffs mit. Kurzum: "Take Me Out" ist der wichtigste und größte Song der Band. Und ich will mir jetzt ein bisschen genauer angucken, warum.

Die Hintergrundgeschichte zur Franz Ferdinands "Take Me Out"

Zum Song wurde Alex Kapranos inspiriert von dem Film Enemy at the Gates mit Jude Law, in dem zwei Scharfschützen in der Schlacht von Stalingrad einander gegenüberstehen. Alex nutzt das Bild als Metapher für zwei Personen, die sich gegenseitig gut finden. Die Anziehung ist da, aber keine wagt den ersten Schritt, auf die Gefahr hin, entblößt und enttäuscht zurückzubleiben. Deswegen soll das Gegenüber die Initiative ergreifen ("I Want You to Take Me Out").

Musikalisch besteht der Song aus zwei Teilen, der Strophe und dem Refrain. Klar, wie so jeder Song. Aber hier ist es so, dass die Strophen beide ganz am Anfang kommen. Die Hook kommt erst danach und dann folgt auch keine weitere Strophe mehr. Das liegt daran, dass Strophe und Refrain in unterschiedlichen Tempi gespielt werden. Außerdem hat sich Kapranos von einem alten Bluesklassiker inspirieren lassen: Howlin' Wolfs "I Asked for Water". Angeblich mochte er es, wie er zu seiner Gitarre singt und seine Gitarre zurücksingt. All das zusammen ergibt also diesen einen Song, einen der bahnbrechendsten Indie-Disco-Stampfer der 00er Jahre, ein Klassiker, einen, den wir alle mitgröhlen können, und genau das jetzt auch wieder tun können.

Die Geschichte hinter "Michael"

Inspiriert wurde Franz Ferdinands "Michael2 von einem wahrhaftigen Michael Kasparis, der eines Nachts mit Alex und Nick in einer Glasgower Disco unterwegs war und da wohl eine so heiße Sohle aufs Parkett gezaubert hat, dass der ganze Laden und vor allem seine beiden Buddies begeistert waren. Alex hat daraufhin den Song geschrieben aus der Perspektive eines jungen Mannes, der sich zu Michael und seinen wackelnden Hüften hingezogen fühlt. Im Video, das in Berlin gedreht wurde, sehen wir dann Michael Kasparis himself mit seinen Dancemoves. Du hörst den Song, und du kannst selber auch ein bisschen tanzen, wenn du gerade zuhause bist.

Ach übrigens, hör mal hin, kurz bevor die zweite Strophe startet, da kommt so eine tiefe brummende Stimme. Bisschen schwer zu verstehen, vor allem weil das rückwärts abgespult der Satz "Call Your Mother, She's Worried About You" ist. Wenn du den Song also rückwärts abspielst, kannst du das hören.


Der erste Song ever

Im Herbst 2003 brachten Franz Ferdinand ihre erste EP raus: die Darts of Pleasure EP mit dem gleichnamigen Song. Die bemerkenswerteste Stelle an dem Song ist vermutlich die, in der die Band diesen Mitgröhlteil hat, wo sie alle auf Deutsch singen:

Ich heiße Superfantastisch / Ich trinke Schampus mit Lachsfisch

Die Idee dazu kam von Nick McCarthy, der ja in Deutschland aufgewachsen war und in München Gitarrenunterricht gab. Eines der Mädchen, das er da unterrichtete, hat wohl mal irgendwas gesagt von wegen, sie sei superfantastisch, und das ist ihm so im Kopf geblieben, dass er sich beim Songwriting wieder daran erinnerte. Ursprünglich sollte es auch mal "Räucherlachs" sein, aber "Lachsfisch" ließ sich einfach besser brüllen und reimt sich zudem mit fantastisch. Der Rest der Band fand es auch cool und witzig, und so wurde daraus einer der unvergesslichsten Indierockrefrains aller Zeiten.

Fun Fact: Einmal, als die Band den Song auf einem Festival gespielt hat, kamen aus dem Publikum tatsächlich Dartpfeile auf die Bühne geflogen. Niemand wurde verletzt; da hatten nur ein paar Fans den Titel zu wörtlich genommen.

11 Tracks, 38 Minuten, 55 Sekunden lang und seit 20 Jahren ein Klassiker

Auf allen relevanten Musikplattformen erhält das Album eine durchschnittliche Review von 4 von 5 Sternen. Für die englische Presse, allen voran den NME, das wichtigste Musikmagazin für neue Musik, ist das Album so etwas wie eine Richtungsänderung, denn nach dem Ende von Britpop wird mit Alternative hauptsächlich 90er Grunge, Pop-Punk und die Chili Peppers gemeint. Insofern liegt der Fokus des Magazins Anfang des Jahrtausends ganz eindeutig auf Künstler*innen aus den USA, abgesehen von der einen oder anderen Skandalschlagzeile eines gewissen Pete Doherty natürlich. Mit dem Album von Franz Ferdinand beginnt sich das zu ändern.

Endlich hat die britische Musikszene wieder Gitarrenpop, der stilbildend und einschneidend und weltumspannend ist.

Nicht nur in die britischen, sondern auch in die amerikanischen Charts und Radioairplays schaffen es Franz Ferdinand mit ihrem Mix aus Jungle-Pop und Post-Punk. Die lässig groovigen Songs sind damit mit fast nichts zu vergleichen, aber dennoch so einprägsam und poppig, dass sich auch die oft so langsamen Dampfer namens Radiostationen an die Musik trauen. Hätte es die Indie-Revolution der 00er Jahre auch ohne Franz Ferdinand gegeben? Vermutlich in irgendeiner Art schon. Denn Bands wie die Strokes, Yeah Yeah Yeahs, The Rapture gab's schon, und die waren schon auch sehr einflussreich. Aber gerade für die britische Szene waren sie der Türöffner, um die Rezeptoren der Jugend und der Journaille darauf vorzubereiten, was da kommen sollte.

Bands wie die Arctic Monkeys, Bloc Party, Maxïmo Park, Klaxons, Kaiser Chiefs, The Kooks, The Maccabees und so weiter wären wohl alle bestimmt ihren Weg gegangen. Aber ohne Franz Ferdinand und ihr Debütalbum wäre der bestimmt nicht so gradlinig und steil nach oben verlaufen. Und wir hätten bestimmt viel weniger durchgetanzte, schwitzige Nächte in dunklen, modrigen Indie-Discos verlebt.

Hoch lebe Franz Ferdinand!

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