Wie gefährlich ist Desinformation für die Europawahlen?

Wie gefährlich ist Desinformation für die Europawahlen?

Desinformation und Künstliche Intelligenz: Eine Bedrohung für die Demokratie?

Von  Gloria Grünwald (Interview)
Europawahlen und Fake News – wie groß ist die Gefahr wirklich? Wir haben mit Charlotte Freihse von der Bertelsmann Stiftung über Desinformation und den Einfluss von künstlicher Intelligenz gesprochen.

Diese Woche sind Europawahlen

Bei egoFM dreht sich deswegen alles um Europa und die EU. Ein brisantes Thema, das im Vorfeld großer Wahlen immer wieder auftaucht, ist die Verbreitung von Desinformation. Doch wie gefährlich ist diese wirklich für unsere Demokratie? Und welche Rolle spielt künstliche Intelligenz dabei? Wir haben Charlotte Freihse von der Bertelsmann Stiftung befragt, die sich intensiv mit Desinformation, Digitalisierung und Demokratie auseinandersetzt.
  • Wie gefährlich ist Desinformation für die Europawahlen?
    Charlotte Freihse von der Bertelsmann Stiftung über Desinformation und KI

Was ist politische Desinformation?

Politische Desinformation zielt darauf ab, das Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse zu untergraben. Insbesondere bei Wahlen wird versucht, Misstrauen zu säen und den demokratischen Prozess zu diskreditieren. Beispiele aus den USA zeigen, wie gezielt Kandidat*innen und Wahlprozesse attackiert werden.

"Also es geht darum, könnte man sagen, eine gemeinsame, faktenbasierte Realität zu untergraben. Und in Bezug auf Wahlen ist das besonders gefährlich, weil dort unterschiedliche Dinge angegangen werden, also politische Kandidat*innen selber, die diskreditiert werden, aber, und das zeigen uns vergangene Wahlen zum Beispiel in den USA und Brasilien, eben auch die Wahlprozesse an sich." -  Charlotte Freihse

Die Rolle der künstlichen Intelligenz 

Generative künstliche Intelligenz (wie zum Beispiel ChatGPT und Midjourney) hat die Verbreitung von Desinformation erheblich erleichtert. Diese Tools können mit geringem Aufwand täuschend echte Texte, Bilder und Videos erstellen, was einen faktenbasierten Diskurs immer schwieriger macht. Eine aktuelle YouGov-Umfrage zeigt, dass die Sorge vor gefälschten oder verzerrten Inhalten wächst.

"Und das macht einen faktenbasierten Diskurs rund um Wahlen, aber auch grundsätzlich in Demokratien immer schwieriger. Und was dazu kommt, ist, es gab jetzt gerade eine YouGov-Befragung und die Befragten haben dort auch gesagt, dass sie immer mehr Sorge haben, was das Thema gefälschte oder verzerrte Inhalte angeht. Also allein das Wissen, dass es solche Tools gibt, kann dazu führen, dass eben auch bei echten Inhalten Zweifel entstehen und das der Eindruck entsteht, man kann Wahrheit überhaupt nicht mehr objektiv feststellen. Wenn ich grundsätzlich bei allen Inhalten, die ich konsumiere, nicht mehr sagen kann oder unsicher bin, sind jetzt künstlich generiert und erzeugt oder nicht." - Charlotte Freihse

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Desinformationskampagnen bei den Europawahlen

Charlotte Freihse geht davon aus, dass auch bei den Europawahlen Desinformationskampagnen eine Rolle spielen werden. Themen wie die Klimakrise, Migration und Genderfragen sind besonders anfällig für solche Kampagnen, da sie bereits stark polarisieren. Es gibt jedoch Unterschiede von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, welche Themen als besonders kontrovers wahrgenommen werden. Inwieweit die Wahlergebnisse letztlich von Desinformationen beeinflusst werden, lässt sich schwer messen, sagt sie:

"Also es lässt sich nicht klar beantworten, weil für Wahlergebnisse gibt es immer ganz viele Ursachen. Und den Einfluss einzelner Faktoren zum messen ist nicht so einfach. Aber ich gehe davon aus, dass es Versuche geben wird, bestimmte Erzählungen, bestimmte Narrative zu streuen." - Charlotte Freihse

Verantwortung von Plattformen und Politik

Social-Media-Plattformen wie Meta und X (ehemals Twitter) tragen eine große Verantwortung im Umgang mit Desinformation. Der Digital Services Act der EU verlangt von den Plattformen, systemische Risiken aktiv zu überwachen und einzudämmen. Technische Tools zur Erkennung von Desinformation sind jedoch noch nicht ausgereift. Es braucht daher auch menschliche Moderation, um Inhalte effektiv zu überprüfen. Meta setzt aktuell aus eine KI um zu Beispiel KI-Inhalte auf seinen Plattformen zu erkennen. Aktuelle funktioniert das leider nicht wirklich gut, außerdem schlagen Datenschützer*innen Alarm, weil Meta seine KI mit Nutzer*innendaten trainiert - ohne, dass diese dem zuvor zugestimmt haben. Wie du dich dagegen wehren kannst und alles, was du darüber wissen solltest, erfährst du hier.


KI-Expert*innen warnen aus diesem Grund auch immer vor den Folgen künstlicher Intelligenz und dass die Folgen verheerend sein können – viele sprechen sogar hier auch von dem drohendem Ende der Menschheit, ausgelöst beispielsweise durch KI-generierte Desinformtion. Erst kürzlich forderten ehemalige und aktuelle Mitarbeitende bekannter KI-Unternehmen daher das Recht darauf, die Gesellschaft vor den wachsenden Gefahren künstlicher Intelligenz warnen zu dürfen. Aktuell unterliegen sie extremen Schweigeverpflichtungen. Hier kannst du den offenen Brief nachlesen.


Wie kannst du dich schützen?

Als Nutzer*in kannst du einiges tun, um dich vor Desinformation zu schützen:
  • Sei dir bewusst, dass niemand immun gegen Desinformation ist
  • Hinterfrage emotional aufgeladene Inhalte und nutze Faktencheck-Angebote von vertrauenswürdigen Quellen
  • Prüfe den Absender der Nachricht und verwende die Rückwärtssuche für Bilder, um deren Ursprung zu überprüfen
  • Nutze technische Tools wie die Bilder-Rückwärtssuche und prüfe den Kontext von Bildern

Das Forum gegen Fakes

Das "Forum gegen Fakes" ist ein Projekt der Bertelsmann Stiftung, das Bürger*innen die Möglichkeit bietet, Vorschläge zum Umgang mit Desinformation zu diskutieren und Empfehlungen an die Politik zu formulieren. Über diese Empfehlung, die dort zusammen erarbeitet worden, kann jetzt noch abgestimmt werden, mehr Infos findest du hier.

Fazit

Politische Desinformation stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie dar. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz verschärft diese Problematik noch weiter. Es liegt an Plattformen, der Politik und den Nutzer*innen, gemeinsam gegen Desinformation vorzugehen.

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