Martin Kohlstedt zu Gast bei Max

Martin Kohlstedt zu Gast bei Max

Das Interview zum Nachhören

Martin Kohlstedt macht klassische Musik modern. Mit Max hat er unter anderem über sein Album 'Ströme' gequatscht.

Der gebürtige Weimarer ist ein Pianist der anderen Sorte. Anzug oder überhaupt Schuhe auf der Bühne und durchgedrückter Rücken sind nicht so sein Ding. Stattdessen kommt er lieber barfuß und lässt sich beim Spielen gänzlich los - deswegen klingen die Songs live auch nie so, wie sie auf der Platte klingen. Jedes Live-Stück ist ein Unikat, das aus dem Moment heraus entsteht und ebenso schnell erlischt.
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Jedes seiner Stücke bekommt bei seinen Auftritten immer wieder eine neue Premiere. Er improvisiert viele Elemente dazu und kommt dann wieder zum Grundkonstrukt zurück. Martin rollt dem Perfektionsdrang entgegen, was jede Karriere klassischer Pianist*innen beenden würde.

Mehr Intuition, als Notenblätter

Mit 12 fing Martin Kohlstedt mit dem Komponieren am Klavier an und erst einige Jahre später kam der Unterricht dazu. Die Kreativität dürfe seiner Meinung nach nicht eingeschränkt werden, wenn man Vorgaben für etwas bekommt, was aus der Seele entstehen soll.
"Der Musik tut es nicht gut, wenn das Korsett zugezogen ist"
Mit dem Rücken zum Publikum sitzen wirkt vielleicht erstmal komisch, drückt aber etwas Bestimmtes aus. Der Gedanke: "Ich gehe auf ein Konzert, zahle für das Ticket und lass mich beduddeln", ist für ihn eine Haltung der Konsumgesellschaft, deswegen sollen alle in die gleiche Richtung schauen, womit die Hierarchie auf eine Ebene gebracht wird.

Besondere Konzerte

Aufgrund der politischen Umstände in Russland kann es schon mal vorkommen, dass die Polizei das Gelände betritt und alles, was da tanzt, wegprügelt – so auch beim Gamma Festival in St. Petersburg. In einer Telegram Gruppe brachten sich aber einige wieder zusammen und trudelten nach und nach auf einem Dach mitten in St. Petersburg ein - das Klavier schaffte es auch in den achten Stock. Der wahrscheinlich strikteste Gastgeber war aber nicht Russland, sondern die Tagesschau. "Die Kampfroboter ähnlichen Schwenkkameras folgen einem dort auf Schritt und Tritt. Auf dem Fußboden ist ein kleiner Faden, der dir genau den Weg angibt" – Martin wollte lieber nicht herausfinden was passiert, wenn man davon abkommt.

Das neue Album

Als Fortsetzung des 2017 erschienen Albums Strom folgte am 3. Mai 2019 die Platte Ströme. Die ausgefallenen Namen der Songtitel, wie "JINGOL", "TARLEH" oder "AUHEJA" sind auf eine Kompositionssprache zurückzuführen. Es klingt hochtrabend, folgt aber dem Prinzip von Legobausteinen, wie uns Martin im Interview erklärt.

Der Release seines Werks fand übrigens ziemlich unkonventionell in der Philippus Kirche in Leipzig statt. Die starke Arbeit und Vorbereitung hat sich mit einem ausverkauften Konzert ausgezahlt – nach so einem Erfolgskonzert kippt man auch mal selig ins Bett. So eine Location bekommt vor allem dann seinen Charme, wenn man auch schon in Clubs oder schäbigen Jazz-Bars gespielt hat.

Gewandhaus Chor Leipzig

Die erste Probe hat viele Fragezeichen aufgebracht und begann auf dünnem Eis: Wie improvisiert man mit so einer großen Gruppe? Martin Kohlstedt hatte Unterstützung vom Komponist und Chorleiter Gregor Meyer. Eine besonders große Herausforderung: Der Gewandhaus Chor muss Martins Spiel stets folgen können - auch wenn der Künstler neue Live-Stücke kreiert. Dafür erfanden Martin und Gregor extra Handzeichen, die dem Chor Signale geben, sobald improvisiert wird.

Einen guten Einblick in die Arbeitsweise, beziehungsweise den Probenprozess, bekommst du mit dieser Kurzdoku:

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