So gehen Entschuldigungen

So gehen Entschuldigungen

Dr. Annegret Wolf im Interview mit egoFM Sebastian

Warum uns Entschuldigungen oft ziemlich schwerfallen und was zu einer guten Entschuldigung dazu gehört, weiß Psychologin Dr. Annegret Wolf.


Wie oft entschuldigen wir uns?

Viermal die Woche entschuldigen wir uns laut kanadischen Forscher*innen durchschnittlich bei einer fremden Person, Kolleg*innen oder Freund*innen. Manche entschuldigen sich vielleicht überhaupt nicht, andere dagegen zu oft. Woran das liegt und wie man sich richtig entschuldigt, weiß Dr. Annegret Wolf, Psychologin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
  • Psychologin Dr. Annegret Wolf über Entschuldigungen
    Das komplette Gespräch zum Anhören
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Bild: Dr. Annegret Wolf | Christine Reißing


Sagen wir zu oft "sorry"?

"Sorry, meine Bahn kam zu spät." "Sorry, hab ich nicht so gemeint." "Sorry für meine späte Antwort." Das Entschuldigen hat sich irgendwie in unseren Sprachgebrauch eingegliedert. Klar ist es in Alltagssituationen eher eine Form von Höflichkeit. Trotzdem: Wenn wir uns zu oft entschuldigen, wirkt eine echte und ernstgemeinte Entschuldigung dann auch eher unglaubwürdig. Wenn wir uns zu oft entschuldigen, kann es sich auch negativ auf unseren Selbstwert auswirken. Es sei deshalb immer wichtig, zu reflektieren und zu differenzieren, wofür eine Entschuldigung angebracht ist, erklärt Dr. Annegret Wolf.  

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Warum entschuldigen wir uns überhaupt?

Der Grund, dass wir uns bei anderen überhaupt entschuldigen, liegt schon im Begriff. Nämlich, dass wir ein Gefühl von Schuld empfinden. Indem wir einen Fehler gemacht, eine Grenze überschritten oder eine soziale Norm oder Person verletzt haben. Man versuche, den Fehler akzeptabel zu machen, ihn aber nicht zu rechtfertigen, sondern auf die andere Person zuzugehen. Das hat laut Dr. Annegret Wolf einen wichtigen Lerneffekt.
"Sich zu entschuldigen und zu sagen, ich hab Scheiße gebaut, das ist richtig unangenehm. Da muss man schon echt Eier dafür haben, um sich so zu öffnen und so nackig zu machen. […] Dieses unangenehme Gefühl schützt uns am Ende auch davor, diesen Fehler vielleicht wieder zu begehen." – Dr. Annegret Wolf


Wandel der Fehlerkultur in der Politik

Ob Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Robert Habeck oder der britische Premierminister Boris Johnson. Alle haben sich öffentlich für ihre Fehler entschuldigt. Lange galt – vor allem in der Politik – das Prinzip, die Fehler totzuschweigen. Denn Fehler bedeuteten Misstrauen und Schwäche. Dr. Annegret Wolf denkt aber, dass es viel glaubhafter und authentischer wirkt, Fehler offen zuzugeben, sie öffentlich zu machen und sich ehrlich und authentisch zu entschuldigen.

Allerdings entstehen manche Entschuldigungen auch aus öffentlichem Druck und werden manchmal besonders dazu benutzt, um den eigenen Ruf wiederherzustellen. Deshalb dürfen Entschuldigen nicht nur leere Worthülsen sein, sagt die Psychologin. Zu einer Entschuldigung gehören nämlich immer Konsequenzen. Auch im Alltag passiert es uns häufiger, dass wir sogenannte "Nonpologies" benutzen, uns zwar entschuldigen, aber versuchen, die Verantwortung abzugeben. "Es tut mir leid, aber…" oder "Sorry, falls ich damit eventuell jemanden verletzt haben könnte." Dass gerade darauf nicht immer Verzeihung folgt, ist verständlich.



How to say sorry: Die Entschuldigungsanleitung

Sechs Schritte braucht es für eine richtig gute Entschuldigung. Das haben Forscher*innen der Ohio State University empirisch untersucht und in einer Studie zusammengefasst. Aber brauchen wir wirklich eine Anleitung, um uns zu entschuldigen? Dr. Annegret Wolf findet das definitiv hilfreich. Viele wüssten nicht, wie eine gute Entschuldigung funktioniert und vergessen oft die Erleichterung, die nach einer Entschuldigung eintritt. Auch sie erklärt nochmal, was zu einer Entschuldigung dazugehört. Wir haben es für dich zusammengefasst:

Glaubhaftigkeit

Erstmal muss deine Entschuldigung glaubhaft sein. Es muss wirklich rüberkommen, dass es dir leid tut.

Reue zeigen

Dir muss dein Fehler bewusst sein und du solltest dafür Reue zeigen.

Reflexion

Sei dir deiner Verantwortung bewusst und mach dir auch klar, was der*die andere empfunden hat und was falsch gelaufen ist. Versuche, dich in die andere Person hineinzufühlen.

Konsequenzen ziehen

Zeige, dass du es wirklich ernst meinst mit deiner Entschuldigung. Zum Beispiel, indem zu Konsequenzen ziehst.

Zukunftsgerichtet denken

Versprich, dein Verhalten zu ändern und es wieder gut zu machen.

Um Verzeihung bitten

Ganz wichtig: Bezieh die andere Person in die Entschuldigung mit ein. Bitte sie um Verzeihung und gib ihr die Möglichkeit, ihre Gefühle zu schildern, anstatt einen 30-minütigen Entschuldigungsmonolog zu halten.

WANN entschuldigt man sich am besten?

Direkt entschuldigen oder erst einmal ein bisschen Gras über die Sache wachsen lassen? Dr. Annegret Wolf meint zwar, dass es keine genaue Zeitangabe gibt, die man für eine Entschuldigung beachten sollte. Das Timing sei aber trotzdem essenziell:
"Es geht eher darum, was so für Schritte dazwischen ablaufen müssen. Die Schritte, die wichtig sind, damit es eine glaubwürdige Entschuldigung wird, [sind] eigentlich, dass der oder diejenige, die verletzt wurde […], auch die Chance hat, angehört zu werden. […] Dass man auch einen Reflexionsprozess zeigt. […] Bisschen Zeit ins Land gehen lassen, damit beide Parteien darüber nachdenken können und dann die ernsthafte, authentische, von Herzen kommende Entschuldigung rausgeben." – Dr. Annegret Wolf

Dazu gehört neben Zeit aber auch ein gemeinsames Verständnis für das, was schiefgelaufen ist. Die Psychologin vergleicht Entschuldigung und Vergebung deshalb auch gerne mit einer Avocado.
"Vergeben oder entschuldigen sind Sachen, dass macht man dann, wenn man reif ist. Wie so eine Avocado. […] Es braucht halt Zeit und es braucht ein gemeinsames Verständnis dafür, was ein Fehler war und was letztendlich aber auch vergeben werden sollte." – Dr. Annegret Wolf

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Und wofür müssen wir uns nicht entschuldigen?

Ja, das "Sorry" hat sich in unseren Alltagsgebrauch eingeschlichen. Und oft es nicht weiter schlimm. Dennoch gibt es einige Dinge, für die wir uns nicht entschuldigen müssen. Das findet auch Dr. Annegret Wolf.
"Bitte nicht dafür entschuldigen, wenn man Unterstützung haben möchte, wenn man Rat braucht, wenn man eine Frage hat. […] Ich finde, man sollte sich auch nicht für seine Gefühle entschuldigen, weil Gefühle sind auch was Automatisches. […] Ich finde auch heutzutage für unsere ständige Erreichbarkeit und wenn wir die mal nicht einhalten, sollten wir uns nicht entschuldigen." – Dr. Annegret Wolf

Auch mal "Nein" zu sagen und sich Zeit für sich zu nehmen ist etwas, für das man sich nicht entschuldigen sollte, findet die Psychologin.

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