Tristan Brusch bei egoFM

Tristan Brusch bei egoFM

Interview: Tristan Brusch zu Gast bei Max

Der Wahlberliner Tristan Brusch hat sein neues Album veröffentlicht. Welche Rolle Tauben, Matthias Schweighöfer und das Leben in einer Schimmelbude darin spielen, hat er egoFM Max im Interview erzählt.


Leben in einer schimmligen Wohnung

Als Tristan von frisch von zuhause ausgezogen ist, konnte er mit seinem besten Freund in eine 100 Quadratmeter Wohnung in Berlin ziehen - damals für einen Fuffi Nebenkosten, also quasi umsonst. Die Vermieter*innen waren froh, jemanden für die gammlige Wohnung gefunden zu haben. Einziges Problem: sie war schimmlig. Deshalb sind sie nach ein paar Monaten wieder ausgezogen; irgendwann hatten die beiden keine Lust mehr darauf. Alles was mit Wasser zu tun hatte, war ein zusätzlicher Aufwand, weil man es vor Gebrauch immer abkochen musste.
  • Tristan Brusch zu Gast bei Max
    Das komplette Interview zum Anhören


Die Schutzpatronen von Am Rest

Auf Tristans neuem Album Am Rest sind Tauben zu seinen Begleiterinnen geworden. Dort, wo er immer sitzt, während er Lieder schreibt, ist ein riesiges Fenster, auf dessen Sims immer Tauben sitzen. So hat es sich für Tristan angefühlt, als ob er für die Tiere singt. Außerdem passen sie zum Inhalt der Musik. Thematisch fasst das Album das Ende von Dingen wie Liebe oder auch unserer kapitalistische Gesellschaft zusammen.
 
"Tauben ernähren sich von Resten, wie das Album sich aus Erinnerungen nährt. In dem Sinne sind Tauben sowas wie die Schutzpatronen von Am Rest." – Tristan Brusch
 

Hat sich Matthias Schweighöfer gemeldet?

Auf Tristans EP Operationen am faulen Zahn der Zeit von 2019 befindet sich ein Song mit dem Titel "Die Moritat vom Schweighöfer". Gemeldet hat Matthias Schweighöfer sich bei ihm nie, Tristan vermutet, dass er damit etwas überfordert sei, aber er hat mitbekommen, dass der Schauspieler den Song oft gehört haben soll. Tristan wollte eigentlich, dass er im zugehörigen Musikvideo mitspielt, in dem alle nackt in der Sauna sitzen. Er hat aber nie versucht, ihn über das Management zu kontaktieren, sondern nur über gemeinsame Bekannte.


Kamera im Kopf

Was Tristans Musik auszeichnet, sind die ungenialen alltäglichen Situationen, die er in ungeschönte Worte verpackt. Man könnte sagen, er hat wie eine Kamera im Kopf, mit der er bestimmte Dinge akzentuierter wahrnimmt. Tristan wurde im Ruhrpott geboren, ist mit seinen Eltern, die ebenfalls Musiker*innen sind, viel getourt, bis sie dann in die kleine Stadt Tübingen gezogen sind. Er beschreibt die Stadt wie einen Elfenbeinturm, der mit dem echten Leben fast nichts zu tun hat. Im Kontrast dazu steht Berlin - der Dreck und Müll, die Obdachlosen und Menschen, die auf Drogen oder Psychosen hängen geblieben sind. Auch 13 Jahre nachdem er dort hingezogen ist, hat sich der Musiker nicht daran gewöhnt. Er konnte dem gegenüber keinen Schutzpanzer aufbauen und nimmt deshalb wahrscheinlich mehr wahr, als Leute, die dort geboren sind. Ihn interessieren die Menschen, die hinter dieser Schmutzfassade stecken.
 
"Jeder Obdachlose, der irgendwie am Kotti rumhängt und so geschwollene Füße hat, dass er keine Schuhe mehr anziehen kann, und dann mit Socken und halboffenem Fuß da rum humpelt, der kommt von ganz woanders her und hat schon ganz andere Sachen in seinem Leben erlebt und hat eine riesenkrasse Reise hinter sich, um dann endlich am Kotti zu landen und das macht mich immer noch sprachlos, wenn ich drüber nachdenke." – Tristan Brusch
 

"Krone der Schöpfung" oder Krone der Scheiße

Diesen Song beschreibt Tristan als Wutfurz. Er empfindet unsere Gesellschaft sei wie am Ende des römischen Reiches: alles funktioniert noch irgendwie, wir sind mächtig und leben im krassesten Luxus, aber die Abenddämmerung hat schon eingesetzt. Irgendwie geht es irgendeinen Bach hinunter, fühlt der Musiker.
 

Social Media

Tristan hasst Social Media, benutzt es aber wie die meisten dennoch, allerdings merkt er auch, dass sie dafür designt sind, dass man dort seine gesamte Zeit verbringt. Ab und zu legt Tristan deshalb kurze Social Media-Pausen ein, um sich zu regenerieren. Ihm ist allerdings auch bewusst, dass die sozialen Medien als Musiker*in ein wahnsinnig gutes Tool sind, um direkt mit Leuten in Kontakt zu kommen.
 

Schimmelbuden-Romantik

Muss man extra in eine abgefuckte Wohnung ziehen, um bessere Songs zu schreiben? Tristan ist der Meinung, müsse man nicht. Er wohnt dort selbst schon lange nicht mehr und glaubt auch nicht daran, dass es einem permanent schlecht gehen muss, um etwas zu schaffen, das von Wert ist. Persönlich kann er Dinge besser verarbeiten, wenn es ihm wieder gut geht, behandelt aber natürlich auch Erlebnisse, die ihn traumatisiert haben. Er will allerdings glücklich sein und tut sehr viel dafür.
 

Im Januar kann Tristan das Album dann vor Live-Publikum präsentieren und kommt auch in München vorbei.

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