Von diesen akustischen Phänomenen musst du hören

Von diesen akustischen Phänomenen musst du hören

Über Cappuccino, Erdbeertiramisu und Cocktailpartys

Von  Kristina Paulini
Ein Raum, so still, dass du anfängst, zu halluzinieren und eine Tonleiter, die bis in die Unendlichkeit ansteigt - wir stellen dir fünf faszinierende Hörphänomene vor.


The Sound Of Silence 

Hörst du das? Stille - unendliche Stille. Aber das ist gar nichts im Gegensatz zu der Stille, die im stillsten Raum der Welt herrscht. Der laut Guinness-Buch der Rekorde stillste Raum der Welt, befindet sich im US-Bundesstaat Minnesota. 99,99 Prozent der Geräusche werden hier absorbiert.

Lange aushalten kann es dort aber niemand, 45 Minuten ist der absolute Rekord. Ja kein Scherz, denn die Stille ist im wahrsten Sinne des Wortes erdrückend. Kurz zum Vergleich: eine Konversation hat ungefähr die Lautstärke von 60 Dezibel. Nachts, wenn wir schlafen, herrschen um uns herum rund 30 Dezibel – im stillsten Raum der Welt wurden Minus neun Dezibel gemessen. Hier wird man selbst das Geräusch: man hört sein Herz schlagen, wie sich die Lungenflügen ausdehnen und wieder einfallen und das Arbeiten deines Magens. Mega irritierend. Laut Aussage von Steven Orfield, dem Gründer des Absorbtionsraumes, so wie er ihn nennt, fängt jeder Mensch irgendwann an, zu halluzinieren und muss den Raum verlassen. Creepy oder?

Schaumige Tiefen

Den Cappuccino mit Milchschaum oder ohne? Eigentlich würden wir ja sagen, du hast die Wahl, aber für unser akustisches Phänomen sind wir mal so frei und machen Milchschaum oben drauf - ob du willst oder nicht. So und jetzt heißt es schön den Schaum unter den Kaffee rühren. Und merkst du was? Der Ton, den das Schlagen des Löffels an die Tassenwand erzeugt, wird höher. Ja, probiert das mal zuhause aus. Tada: Das ist der sogenannte Cappuccino Effekt oder auch Hot-Chocolate-Effekt.

Der Physiker Frank Crawford war der erste, der 1982 nachweislich dieses Phänomen feststellte. Der Grund ist die Beschaffenheit des Schaums. Wenn man gegen eine Tasse klopft, breiten sich Schallwellen im Getränk aus. Bei purer Flüssigkeit geht dies viel schneller als bei schaumigen Getränken, wie zum Beispiel der Cappuccino mit Milchschaumhäubchen. Denn Schaum besteht aus Flüssigkeit mit ganz vielen kleinen Luftbläschen. Die Bläschen verlangsamen die Schallwellen und sorgen so für einen tieferen Ton. Rührt man jetzt den Schaum in den Kaffee unter, verschwinden die Bläschen und der Ton wird höher. So einfach ist das.
  • The Sound of Silence
  • Schaumige Tiefen
  • Erdbeertiramisu
  • Hohe Annäherung
  • Spannung pur


Wer will Erdbeertiramisu? 

Wir alle kennen es: man ist auf einer Party, man unterhält sich, die Geräuschkulisse ist stark und plötzlich hört man da irgendwo zwischen seinem eigenen Geplapper und dem der anderen seinen Namen. Herzlichen Glückwunsch, du hast gerade ein akustisches Phänomen namens Cocktailparty Effekt wahrgenommen.

Das selektive Hören, wie dieser Effekt auch genannt wird, ist eine Fähigkeit, die wir alle theoretisch besitzen. Während eines Gesprächs, dem man seine Aufmerksamkeit schenkt, kann der Mensch umgebende Geräusche aus dem Bewusstsein ausblenden - wär ja auch sonst schwierig dem Gespräch zu folgen. Erstaunlich ist dabei, dass die umgebenden Geräusche auf einer unbewussten Ebene dennoch registriert und ihrer Bedeutung nach ausgewertet werden. Fällt zum Beispiel in einer nahen Gesprächsgruppe der Name der Lieblingsband oder etwa die Frage "Wer will auch Erdbeertiramisu?", regt sich in null Komma nichts das Bewusstsein mit der Meldung: "Hey, guck mal da rüber, das könnte interessant für uns sein". Das heißt, unser Körper verarbeitet weit mehr Informationen, als sie uns im wahrsten Sinne des Wortes bewusst sind. So schlau oder?

Hohe Annäherung 

So, Hände hoch, wer wohnt in einer Stadt an einer Hauptstraße oder einer Kreuzung? Ok, dann bist du jetzt die Expert*innen für Verkehrslärm. Und bist du nicht auch jedes Mal aufs Neue davon überrascht, wie laut Krankenwagen- und Feuerwehrsirenen sein können? Klar, das ist wichtig, aber die Lautstärke kickt einen immer wieder aufs Neue. Aber gut, während wir über die Lautstärke der Sirenen quatschen, gibt es auch noch ein akustisches Phänomen, dass dieselbigen mit sich bringen – oder hast du dich noch nie gefragt, warum Sirenen höher werden, wenn sie näher kommen und tiefer klingen, wenn sie wegfahren? Das ist der akustische Doppler-Effekt. 

Dabei handelt es sich um die Änderung der Frequenz einer Schallwelle. Diese Frequenzänderung ist von der Bewegung der Empfänger*innen beziehungsweise der Quelle abhängig, also Sirene beziehungsweise Hörer*in. Verringert sich die Distanz zwischen Empfänger*in und Sender werden die Schallwellen gestaucht, es erhöht sich die Tonfrequenz. Wird der Abstand hingegen größer, werden die Schallwellen gedehnt, die Frequenz verringert sich. Und so können jetzt alle Hauptstraßen- und Kreuzungsbewohner*innen wenigstens Gedanken darüber machen, warum die Sirenen so klingen wie sie eben klingen und nicht nur, warum sie so laut sind. Gern geschehen.

Spannung pur

Gute Regisseur*innen haben ein Händchen dafür, das  Publikum mit ihrem Storytelling hinters Licht zu führen. Doch auch in der Filmmusik greift man oft tief in die Trickkiste, um uns, na ja, zu veräppeln… Aber natürlich nur für das ultimative Filmerlebnis, versteht sich. Allzeit beliebt bei Filmkomponist*innen: die Shepard-Skala.

Entdeckt von Psychologe Roger Shepard, der 1964 rausfand, dass er die Illusion einer Tonleiter erzeugen konnte, die unendlich lange steigt oder abfällt. Wie das geht? Dazu braucht man den Shepard-Ton, bestehend aus drei Tönen, die sich um jeweils eine Oktave unterscheiden. Der höchste Ton wird immer leiser und höher, wodurch er nach einer gewissen Zeit nicht mehr zu hören sein wird. Der mittlere Ton bleibt die ganze Zeit über gleich laut und steigt an. Und der tiefste Ton wird ebenfalls lauter, jedoch erst nach einer gewissen Zeit für unser Ohr hörbar. So kann man immer mindestens zwei Töne gleichzeitig hören - entweder mittel und hoch oder mittel und tief - und so wird die Illusion erzeugt, dass ein dauerhaft steigender Ton gehört wird, obwohl dem ja gar nicht so ist. Achtung, hier kommt er kurz:


Und das gibt dann magischen Spannungsaufbau, der ins Unermessliche steigt.

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