In Deutschland gibt es wirklich einige Traditionen, bei denen wir uns wirklich fragen: "Was machen die denn da?"
Sockenkranz
Was kann man so in 25 Jahren alles schaffen? Vielleicht einen Schulabschluss, eine Ausbildung, zwei Studiengänge oder sogar eine lebenslängliche Freiheitsstrafe absitzen. Wenn es nach den Menschen zwischen Ostfriesland und Ostwestfalen geht, gehört auf jeden Fall eins dazu: Heiraten! Wer an seinem 25. Geburtstag noch nicht verheiratet ist, bekommt einen Sockenkranz geschenkt. Und das ist wirklich genau das, wonach es klingt: ein Kranz, gemacht aus Socken. Denn, klar: Wer mit 25 noch nicht verheiratet ist, ist eine "alte Socke". Oft hält sich der Aufwand in Grenzen, der Kranz ist nämlich so groß, dass er einfach an die Tür gehängt werden kann, als wären wir in einer Einfamilienhaussiedlung kurz vor Weihnachten. Aber keine Regel ohne Ausnahme!
Im Mai 2014 dachte sich die Dorfjugend von Halverde, ganz im Norden Nordrhein-Westfalens zum 825-jährigen Bestehen ihres Ortes: ein einfacher Kranz reicht uns nicht. Sie bastelten deshalb den längsten Sockenkranz der Welt mit 6066 Meter und aus 69.152 Socken. Fast doppelt so viele und doppelt so lang als der vorherige Rekord aus Neuseeland. Je länger der Kranz, desto anstrengender ist auch der Geburtstag selbst: Vor dem Aufhängen wird der Sockenkranz vom Geburtstagskind abgelaufen. Für jeden abgelaufenen Meter wird häufig ein alkoholisches Getränk (Schnaps oder Bier) geleert. Übrigens werden auch die unverheirateten Frauen nicht in Ruhe gelassen: Für sie als "alte Schachteln" gibt es einen Schachtelkranz. Oder in Bayern: Das Schachtelfest.
Latzmann
"Weiber, Weiber Eier raus, oder I lass da Marder ins Hennahaus. Eier, Eier nicht genug Schmalz und Mehr gehört auch dazu! Holla, holla" - so klingt es, wenn die "Latzmänner" unterwegs sind. Vor allem in einigen Dörfern in Oberschwaben wird der Latzmann-Brauch immer noch gepflegt - traditionell am Pfingstmontag. Im 18. Jahrhundert waren es ursprünglich Hütejungen. Heute zieht die Dorfjugend von Haus zu Haus. Immer im Schlepptau: Der "Latz", eine Art Riesenkegel aus Schilf, geschmückt mit Blumen. Das Ziel der ganzen Angelegenheit ist übrigens, Zutaten für Schmalzküchle zusammen zu kriegen: Also Eier, Mehl, Schmalz und - ein bisschen darüber hinaus gehend - Süßigkeiten und Geld.
Dementsprechend verteilt sind die Rollen: Läufer an der Spitze, der Trabant, Eiersammler, Hexe und Teufel, Treiber und Schmalzsammler haben alle ihre eigenen Aufgaben und vor allem Sprüche, die sie an jeder Tür aufsagen. Aus Jugendschutzgründen wollen wir die hier aber nicht zitieren. Und außerdem wollen wir es uns mit einem schlechten Dialektversuch nicht mit ganz Schwaben verscherzen…Nach erfolgreichem Gang durchs Dorf werden dann jedenfalls die Küchle zubereitet. Und natürlich macht das traditionell eine der Mütter.
Sockenkranz
Kuriose Traditionen aus Deutschland
Latzmann
Kuriose Traditionen aus Deutschland
Treppenfegen
Kuriose Traditionen aus Deutschland
Babypinkeln
Kuriose Traditionen aus Deutschland
Treppenfegen
Der Bremer Dom ist sicher nicht der bekannteste im Land, aber er könnte der mit den saubersten Treppen sein. Theoretisch zumindest müssten sie vermutlich sehr oft gefegt werden, wenn es nach dem alten Brauch des Treppenfegens geht. Der besagt nämlich, dass alle Männer, die mit 30 Jahren noch nicht verheiratet oder verlobt sind, die Treppe des Doms fegen müssen. Und zwar so lange, bis eine Jungfrau sie "frei küsst". Zum ersten Mal wurde dieser Brauch wohl 1890 begangen. Laut der Wissenschaft geht er auf den Glauben zurück, dass Menschen, die sich zu Lebzeiten nicht fortgepflanzt haben, nach ihrem Tod im Jenseits überflüssige Arbeiten verrichten müssen.
Dort angekommen, sorgen die Freunde mit reichlich Kronkorken dafür, dass auch genug zu fegen da ist. Den Besen gibt's freundlicherweise sogar dazu, allerdings von den Freunden so präpariert, dass es für das Geburtstagskind sehr schwer ist zu fegen. So kann es sogar vorkommen, dass der Junggeselle mit Wattestäbchen oder Zahnbürste auskommen muss. Durch die Beantwortung von Fragen oder die Bewältigung von Aufgaben kann er sich aber ein "besseres" Werkzeug erspielen. Mittlerweile hat sich der Brauch von Bremen aus nicht nur in Norddeutschland verbreitet, sondern sogar in die ganze Welt. So wird in Barcelona die Treppe der Sagrada Familia, in Boston vor dem Government Center und in Birmingham vor dem Council House gekehrt.
Babypinkeln
Allein, die verschiedenen Namen dieses Brauchs aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen, deswegen nur eine kleine Auswahl: Pullerparty, Wieslfest oder Kindsbier. Ähnlich unterschiedlich fallen auch die Feinheiten der Feier aus, Voraussetzung ist aber immer: die Geburt eines Kindes. Das Ziel meistens: der Konsum von Alkohol oder romantischer ausgedrückt: geselliges Beisammensein. Nach der Überlieferung sollen die Getränke dem Neugeborenen symbolisch beim Wasserlassen helfen, damit es keine Schmerzen erleidet. Teilweise kommt aber noch eine Bedeutung dazu. Wer das nackte Baby im Arm hält und angepinkelt wird, soll besonders viel Glück haben – und hoffentlich auch Wechselklamotten dabei.
Entstanden in Norddeutschland hat sich die Tradition in fast alle deutschsprachigen Regionen ausgebreitet. Mal werden sogar Geschenke mitgebracht und gewartet, bis Mutter und Kind aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen sind. An anderen Ort trifft sich der Vater mit Freunden und Verwandten zum Trinken, während der Nachwuchs gerade erst auf die Welt gekommen ist. Auch das Thema Gleichberechtigung wird also regional eher unterschiedlich behandelt.
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