Klavierspieler*innen, die du kennen solltest

Klavierspieler*innen, die du kennen solltest

Happy Piano Day!

Von  Anna Taylor
Wir kredenzen dir zum Tag des Klaviers ein paar außergewöhnliche Pianist*innen, die vielleicht auch was für dich sind, wenn du klassische Musik eher weniger ausstehen kannst.

Der Welt-Piano-Tag

"Why does the world need a Piano Day? For many reasons. But mostly, because it doesn’t hurt to celebrate the piano and everything around it: performers, composers, piano builders, tuners, movers and most important, the listener." – Nils Frahm

88 Tasten hat ein gewöhnliches Klavier, da liegt es nahe, dass der offizielle Tag des Pianos eben auch am 88. Tag des Jahres gefeiert wird. Obwohl, wie bei all diesen Feiertagen, eigentlich nicht nur an einem speziellen Tag daran gedacht werden soll, wie toll das Piano ist. Immerhin haben wir es diesem speziellen Musikinstrument zu verdanken, dass wir uns an manch einem erbärmlich verkaterten Tag nicht ganz wie ein Stückchen Kacke fühlen, sobald wir eben eine gediegene Piano-Playlist zum Katerfrühstück anschmeißen. Oder?

Klaviermusik hebt also zumindest den gefühlten Intellekt-Level an.

Das kann man sich auch zunutze machen, wenn man an einer großen Arbeit sitzt - zum Beispiel an einer Hausarbeit für die Uni oder einen anderen besonders großen Text. Viele Menschen berichten, dass sie sich bei Klaviermusik besser konzentrieren können oder auch besonders inspiriert sind.

Außerdem wirken Pianoklänge außerordentlich beruhigend.

Dabei kann man sich auch gerne mal einreden, dass Babys zu Pianoklängen nicht nur besonders schlau oder später einmal wahnsinnig kreativ werden, sondern auch besser einschlafen. Nun, das kann ich nach reichlichem Testen leider nicht bestätigen, geschadet hat es aber erstens bestimmt nicht und letztlich haben die Klänge wahrscheinlich trotzdem ihr Soll geleistet, indem sie mir in diesen Situationen des absoluten Schlafentzugs geholfen haben, die Nerven weitestgehend zu behalten.

Naja, wie dem auch sei:

Das Klavier ist großartig und deswegen wollen wir diesen wundervollen Tag nutzen, dir einige fantastische Spieler*innen vorzustellen.


Chilly Gonzales

Wir lieben ihn, weil er das Klischee eines piekfeinen Pianisten so herrlich herzhaft ironisiert. Weil er mit Pantoffeln, in Bademantel und hin und wieder sogar im Tennis-Outfit auf die Bühne tritt. Weil er einer der Pianisten ist, die nicht stur nach Noten, sondern Gefühl spielen. Weil er sein Instrument kennt und weiß, dass man ein Klavier auf noch so viele andere Weisen bespielen kann, als nach Regeln auf den Tasten zu klimpern.

Hinter dem Künstlernamen versteckt sich Jason Charles Beck, ein begnadeter Jazz-Pianist aus dem idyllischen Kanada. Chilly Gonzales wird den meisten durch den Titel "Never Stop" ein Name sein, der zwar nur aus drei Tönen besteht (Fis-A-H), es damit jedoch immerhin schaffte, zum Soundtrack des ersten iPads zu werden. Was viele nicht wissen: eigentlich rapt Gonzales auf den Track, das fanden die Leute vom Apfelregime aber dann zu viel und entschieden sich für das reine Instrumental.


Irgendwo zwischen Klassik, Jazz und einer Prise Elektro angesiedelt, begeisterte Chilly seine Musikkritiker*innen. Eigentlich wandte sich der junge Jason nach seinem abgebrochen Studium (Jazz-Piano) der Popmusik zu, arbeitete mit Künstler*innen wie Feist, Daft Punk, Peaches oder Helge Schneider, fand aber nach seinem Rap-Ausflug auf Umwegen wieder zurück zu einem mehr klassischen Stil. 2009 stellte er dann den Weltrekord für das längste Konzert auf: 27 Stunden lang hat er gespielt und entertaint!

Shida Shahabi

Die Wahlstockholmerin feierte 2018 ihr Debüt mit dem Album Homes, das sie über 130701 veröffentlicht hat. Beim Unterlabel von FatCat ist sie in recht guter Gesellschaft, zum Beispiel von Hauschka, Jóhann Jóhannsson, Max Richter und Dustin O'Halloran.

Zwei Jahre war dieses Werk in der Mache. Ihr Anspruch war es, dass die Klänge auf Homes so simpel wie sind, um ein organisches Wachsen zu ermöglichen. Heißt: Du als Hörer*in lädst den Sound mit deinen Emotionen erst auf. Das funktioniert wunderbar, die Tracks sind allesamt wahnsinnig mitreißend. Dieses Talent zieht sich auch über die nächsten Veröffentlichungen: 2019 folgte die EP Shifts, letztes Jahr der Soundtrack zum Film Lake on Fire.

Kali Malone 

Kali Malones Klang ist abgefahren, vor allem im Kontext einer Klavierspielerin - was aber ehrlich gesagt auch ein bisschen daran liegt, dass Kali Malone kein Piano spielt, sondern Orgel. Ich packe sie trotzdem in diese Sammlung aus zwei einfachen Gründen: a) Kali Malones Klang ist wirklich beeindruckend und du solltest ihn gehört haben. b) Ein bisschen schummeln geht immer. 
Die Stockholmerin sorgt mit ihrer Pfeifenorgel für erstaunliche Vibrationen und bereichert diese Klänge noch mit einer Kombination aus analoge mit elektronischen Instrumenten. Holzbläser auf Synthesizer - muss man auch gehört haben.

2019 veröffentlichte Kali Malone ihr Debütalbum The Sacrificial Code. Zwei Stunden Pfeifenorgelstücke. Wobei das Spannende weniger die tatsächlichen Klänge sind, sondern viel mehr die Stille, die auf erstere reagiert und dadurch erst eine bombastische Stimmung generiert. Wie gesagt: Muss man einfach mal gehört haben.

Alexandra Hamilton-Ayres

Auch Alexandra Hamilton-Ayres kombiniert elektronische mit klassischen Elementen, was sich besonders auf ihrem neuesten Album 2 Years Stranger (2020) zeigt. Nachdem sie hauptsächlich für Musik für Theater, Zirkus, Oper und Filme komponiert hat, erzählen auch ihre Stücke auf eine gewisse Art und Weise eigene Geschichten: Alexandra Hamilton-Ayres schafft es dabei, mächtige Klanggerüste zu erschaffen, die ihre Hörer*innen komplett vereinnahmen. 

Alexis Ffrench

Alexis Ffrench hat gleich zu Beginn seiner Pianokarriere (mit vier Jahren) schon viel lieber improvisiert, als stur nach Noten zu spielen - diese Spontaneität ist nach wie vor großer Bestandteil seines Schaffens. Seine Tracks kommen in der Regel mit einer gewissen Fluffigkeit daher. Wenn du also die Art Person bist, die Klaviermusik eher zur Erquickung als zum Sinnieren konsumiert, dann ist Alexis Ffrench dein Typ! Zu seinem neuesten Album Dreamland (2020) liefert Alexis Ffrench übrigens auch gleich ein paar Tutorials, falls du dich selbst an seinen Stücken probieren willst.

Jay Chakravorty

Der Brite macht eigentlich schon ziemlich lange Musik, bisher aber lieber unter dem Decknamen Cajita oder als No Name-Musiker zur Unterstützung anderer Künstler*innen. Jay Chakravortys entscheidender Vorteil dabei ist: er ist talentierter Multiinstrumentalist und beherrscht nicht nur das Piano, sondern auch noch die Gitarre, Bass, Synthesizer, Akkordeon und diverse Percussions. 

Am 23. April veröffentlicht Jay Chakravorty sein Debütalbum A Map With No Memory unter seinem tatsächlichen Namen. Für die Aufnahme hat er mit einigen prominenten Künstler*innen kooperiert, zum Beispiel Ellie Goulding und Hannah Williams.

Paula Präktig

Die Finnin macht es dezent schwer, aus dem WWW reichlich Infos über sie zu ziehen. Tatsächlich hat sie auch erst dieses Jahr angefangen, ihre eigene Musik zu veröffentlichen: Das Debütstück "Small Piano Waltz" kam vor gut einem Monat raus, das ganze Debütwerk erst jetzt, am 26. März 2021. Neben träumerischen Tracks wie "Small Piano Waltz" wechselt Paula Präktig ihren Klang zwischen verspielter Leichtigkeit ("A New Hobby") zu tiefer Melancholie ("Poem to Joep") in Nullkommanix. 

Nils Frahm

Schon sehr früh hat der Hamburger Wahlberliner das Klavierspielen gelernt - von Nahum Brodski, der wiederum Schüler von Grigori Romanowitsch Ginsburg und Alexander Borissowitsch Goldenweiser war. Frahm kombiniert diesen erlernten, klassischen Stil gerne mit elektronischen Elementen und wurde damit zu einem der bekanntesten modernen Pianisten.

Seit 2005 veröffentlicht Nils Frahm überzuverlässig neue Alben - mit Ausnahme von 2007 gab es mindestens ein neues Werk, 2016 sogar vier und 2020 immerhin zwei. Auch 2021 hat er mit dem Album Graz schon abgedeckt, das wurde nämlich heute, am 29. März, zum Piano Day rausgehauen.

Melissa Parmenter

Die gebürtige Italienerin ist nicht nur Komponistin, sondern auch Filmproduzentin mit einer Passion fürs Tanzen. Obwohl sie in die Filmbranche eigentlich nur eingestiegen ist, um ihre Musikstücke hier und da mal unter zu bringen, hat sie die Filmbranche derart gefesselt, dass sie erst 2017 dazu kam, sich auf ihrer Debüt-EP Scandinavia mit ihrer Musik selbst zu verwirklichen. Der Stil: Piano gepaart mit Cello, also warme, dichte Klänge. 2020 folgte dann schließlich das große Debütalbum Messapica, auf dem allerdings weniger Streicher zu hören waren. Dafür verbindet Parmenter ihre Liebe zu Film und Musik gerne mal mit Field Recordings, die ihren Klängen eine Kulisse für Tagträumereien bieten.


Dustin O'Halloran

Sein Stil ruft derart viele Emotionen hervor, dass es fast weh tut. Gerade durch die Kombination von Klavier und Streichern lässt Klöße im Hals nur so sprießen. Es ist eine Art süße Melancholie, die Dustin O'Halloran mit seinen Klängen erschafft. Als würde er die Trauer, die tief in uns steckt nach außen hin übersetzen. Damit wir sie verstehen und mit ihr umgehen können. Kläglich geborgen - so fühlt man sich, wenn man Dustin O'Halloran zuhört.

Martin Kohlstedt

Martin Kohlstedt ist ein Pianist aus Weimar und hat bisher fünf Alben veröffentlicht: Tag, Nacht, Strom, Ströme und zuletzt Flur. Die Titel setzen sich stets aus drei Buchstaben zusammen (außer auf Ströme, da sind es sechs, allerdings sind die Songs auch aus einer Zusammenarbeit mit dem GewandhausChor entstanden, damit sind doppelt so viele Buchstaben für doppelt so viele Partizipanten auch irgendwie logisch). Eine tiefe Bedeutung dahinter zu suchen ist aber zwecklos: Martin hat seine Songs extra so benannt, damit man eben nicht zu viel interpretieren kann. Wir sollen einfach unvoreingenommen die Stücke anhören, uns ihnen hingeben, in sie hineingesogen werden.

Ein paar seiner Stücke sind durch Experimentieren oder gedankenfreies klimpern entstanden. Einmal, als Siebenjähriger, hat er zum Beispiel ewig lang nur die Note A gespielt. Dabei herausgekommen "ANT". Er selbst sagt, seine Tracks würden nie vollendet sein. So unterscheidet sich auch meist die Alben- von der Konzertversion eines Songs. Oft entscheidet Martin einfach spontan während des Spielens, Elemente neu hinzuzufügen oder wegzunehmen. Dabei kann er sich auch mal in Rage spielen, haut auf einmal in die Tasten, wird dann urplötzlich wieder ganz sanft. Wenn er mit seinen Stücken fertig ist, harrt er oft noch sekundenlang am Klavier. Wartet, was ihm sein Gefühl sagt, manchmal fängt er dann wieder an, fügt noch ein paar Noten hinterher. Bis er dann die Hände von der Tastatur nimmt und in sein Publikum schaut. Dann wirkt es so, als würde er aufwachen, nachdem er in einem tiefen Traum gesteckt hat.

Ryuichi Sakamoto

Zu Schulzeiten hat sich der Japaner noch eher in Jazz-Gefilden bewegt, in den 70er Jahren schwenkte er dann gemeinsam mit Haruomi Hosono und Yukihiro Takahashi in eine elektronische Richtung und gründete die Band Yellow Magic Orchestra, die man mit Kraftwerk aus Deutschland vergleichen könnte. Von 1979 bis 2011 veröffentlichte die Gruppe zwölf Alben.
Währenddessen war Ryuichi Sakamoto allerdings auch schon ganz gut solo unterwegs: Im selben Zeitraum releast er 22 Werke. Seitdem sind es nochmal einige mehr geworden - am laufenden Band haut er raus.

Wenn Sakamoto nicht an eigenen Tonträgern arbeitet, arbeitet er außerdem gerne an Soundtracks für Filme. Aus seinem Meisterhirn stammt zum Beispiel die Musik für einige namhafte und relevante Meisterwerke wie The Revenant, Femme Fatale, Silk, Wilde Side und Miez und Mops - zwei tierische Freunde. Zusammen mit David Byrne (Talking Heads) entwarf er den Soundtrack für Der letzte Kaiser. Und für Furyo - Merry Christmas, Mr. Lawrence machte er nicht nur die Musik, sondern spielte neben David Bowie sogar noch eine Hauptrolle.

Eines seiner bekanntesten Werke für Popmusik-Connaisseur*innen dürfte "Bibo no aozora" sein - immerhin wurde die Melodie nicht nur in Jay Electronicas "Better in Tune With the Infinite" gesampelt, sondern auch in Ibeyis "Exhibit Diaz".


Ólafur Arnalds

Dass Island ein Land fantastischer Musik ist, wissen wir bereits dank Sigur Rós, Björk, Ásgeir, FM Belfast und noch so vielen, vielen, vielen weiteren Künstler*innen. Auch Ólafur Arnalds verstärkt diese Idee. Sein Stil bewegt sich zwischen Klassik und Pop, wirkt aber nie zu überladen, immer eher schwerelos. Seine Stücke sind selten nacktes Piano, oft werden sie mit Streichern, Schlagezug oder elektronischen Elementen begleitet. Fun Fact: seine musikalische Karriere begann, indem er Schlagzeug für eine Hardcore Band spielte.

Eydís Evensen

Und zack, eine weitere Person aus Island in dieser Liste. Eydís Evensen war sogar auf dem Hamrahlíð College in Reykjavik im selben (und übrigens weltbekannten und renommierten) Schulchor wie Björk und ein paar der Sigur Rós-Mitgliedern. 
Trotz ihrer harten, klassischen Ausbildung wendet sich Eydís lieber modernen Klängen zu, lässt sich von ihren Emotionen leiten und von Klängen aus der Natur inspirieren. 

Am 23. April 2021 veröffentlicht die Isländerin erst ihr Debütalbum Bylur. Bisher kannst du dich aber schon mal in die Tracks "Dagdraumur", "Wandering II", "Brotin" und "Næturdögg" verlieben und später sagen, dass du von Anfang an Fan warst.



Eine ganze Playlist mit modernen Pianist*innen

Ehrlich, dieser Artikel lässt sich noch ewig lang weiter schreiben. So viele Pianist*innen gibt es, die wir gerne empfehlen würden. Wir lassen an dieser Stelle aber nun einfach mal die Musik für sich sprechen und präsentieren dir alle oben genannten Künstler*innen und noch viele mehr in dieser Playlist:

Design ❤ Agentur zwetschke